Herne. . Alexander Vogt und Serdar Yüksel (beide SPD) haben ihre Wahlkreise in Herne und Bochum-Herne gewonnen. Jubel gab es aber vor allem bei der CDU.

  • Alexander Vogt und Serdar Yüksel (beide SPD) gewinnen die Wahlkreise Herne I und Bochum III-Herne II (Bezirk Eickel)
  • Kreisverband Herne der CDU bejubelt auf Behrensstraße Sieg der Union auf Landesebene
  • FDP-Landtagsabgeordneter Thomas Nückel zieht über die Landesliste wieder in Landtag ein

Alexander Vogt (SPD) hat mit 46,8 Prozent der Stimmen den Wahlkreis Herne I gewonnen und zieht erneut in den Landtag ein. Auch Serdar Yüksel, SPD-Kandidat in Bochum III/Herne II (Bezirk Eickel) bleibt in Düsseldorf. Über ihren Sieg konnten sich die Sozialdemokraten aber nicht recht freuen – zu tief saß der Frust über die krachende Niederlage im Land und über die zweistelligen Verluste bei den Zweitstimmen in Herne.

Ganz anders die CDU: „Jawooll“ schallte es kurz nach 18 Uhr durch die „KostBar“, als die ARD die erste Prognose lieferte. „Es ist ein historischer Abend fürs Land und für die CDU“, sagte CDU-Chef Timon Radicke. Der „schwierige Wahlkampf“ - Kriminelle hatten zwei Wahlkampfautos abgefackelt - sei eine besondere Herausforderung gewesen. Fast schon euphorisiert zeigte sich CDU-Kandidat Sven Rickert. „Die Menschen lassen sich nicht für doof verkaufen“, sagte er unter Verweis auf den Wahlkampf von Kraft und SPD. Und Radicke gab bereits das Ziel aus, der SPD bei der Bundestagswahl den Herner Wahlkreis abjagen zu wollen.

Ärger über Festhalten an Ralf Jäger

Bei der SPD machte sich blankes Entsetzen breit. Alexander Vogt, nicht nur Kandidat, sondern auch Unterbezirks-Chef, sprach von einem traurigen Ergebnis. Man habe gesehen, wie schnell sich Meinungen und Umfragen ändern können. Dass er seinen Wahlkreis verteidigt habe, sei nur ein kleiner Trost. Egal wie die neue Landesregierung aussehe, sie habe eine Verantwortung gegenüber dem Ruhrgebiet. „Wir erwarten, dass die neue Landesregierung die Kommunen stärkt.“ SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering richtete den Blick auf die Bundestagswahl im September: „Wir müssen ab morgen einen Zahn zulegen und noch deutlicher machen, wie wir uns sozialdemokratische Politik vorstellen.“ Manche Genossen machten hinter vorgehaltener Hand ihrem Ärger Luft: Kraft hätte längst Innenminister Ralf Jäger austauschen müssen, hieß es.

Betretene Gesichter bei der SPD-Wahlparty bei Flottmann.
Betretene Gesichter bei der SPD-Wahlparty bei Flottmann. © Ralph Bodemer

Angespannt hatten die Grünen im Büro an der Bahnhofstraße auf die Prognosen gewartet. „Ich bin unendlich enttäuscht, aber trotzdem erleichtert, dass wir drin sind“, sagte Fraktions-Vize Tina Jelveh. Landtagskandidat Raoul Roßbach lobte sein Wahlkampf-Team. „An uns in Herne hat’s nicht gelegen.“

AfD: Nun dritte Kraft

Groß war die Freude nicht nur bei der FDP, sondern auch bei der AfD. Sie holte bei den Zweitstimmen 11,3 Prozent, obwohl sie kaum präsent war und im Wahlkreis Herne I aus Protest gegen den AfD-Landesverband auf eine Direktkandidatur verzichtet hatte. Sie seien „dritte Kraft“ in Herne, jubelte Parteichef Armin Wolf.

SPD: Katzenjammer in den Flottmann-Hallen

Die SPD-Wahlparty: Es ist eine Party, die eigentlich nie stattfinden wird. Dass der Abend kein schönes Ende nehmen würde, bahnt sich deutlich vor 18 Uhr an. Um 17.50 Uhr ist das Foyer der Flottmann-Hallen noch spärlich besetzt, und die Herner SPD-Prominenz ist noch gänzlich abwesend. Wer Grund zum Feiern hat, zeigt sich eigentlich früh.

Bei der SPD - hier Ratsfrau Elisabeth Majchrzak-Frensel -
Bei der SPD - hier Ratsfrau Elisabeth Majchrzak-Frensel - © Ralph Bodemer

Als auf der Großleinwand um 18 Uhr die Balken der ersten Prognose in die Höhe wachsen, ist das Entsetzen groß. Und als der CDU-Balken größer wird als jener der SPD, geht ein Stöhnen durch die Reihen. Jene Genossen, die sich an diesem Abend zum ersten Mal sehen, begrüßen einander wie bei einer Beerdigung. Was es irgendwie trifft: In diesen Minuten wird Rot-Grün im Land zu Grabe getragen.

Doch es geht noch schlimmer: Als Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ihren sofortigen Rücktritt verkündet, sind die Blicke der Genossen leer. Die einzigen, die Spaß haben, sind die zahlreichen Kinder, die Mitglieder mitgebracht haben. Voller wird es bei Flottmann erst, als draußen ein kräftiger Schauer niedergeht. Der Himmel weint zum SPD-Ergebnis.

Franz Müntefering, Ex-Vizekanzler und Parteichef, verfolgt ebenfalls die Prognosen und Hochrechnungen. Was in ihm vorging, bleibt sein Geheimnis. Nur soviel: „Das müssen die Jungen erklären.“

CDU: Sprechchöre an der Behrensstraße

Eine Stimmung wie im Fußballstadion herrscht zeitweise bei der CDU in der KostBar an der Behrensstraße. „Armin, Armin“-Sprechchöre werden laut. In den Jubel mischt sich Schadenfreude. „Bei der SPD spielen sie jetzt in den Flottmann-Hallen Musik von ,Geier Sturzflug’“, unkt CDU-Ratsherr Heiner Kranemann. Partei-Chef Timon Radicke und Landtagskandidat Sven Rickert blicken nach vorne: „Mit Schwarz-Gelb werden wir den Politikwechsel hinbekommen im Land.“ In einer GroKo mit der SPD wäre das nicht so einfach gewesen. In Herne könne von einer roten Hochburg nicht mehr die Rede sein, heißt es. Der Eickeler CDU-Landtagskandidat Dirk Schmidt kommt ebenfalls in die KostBar. Viele Worte des Dankes und noch mehr Blumen werden verteilt. Als die Linke in den Hochrechnungen unter 5 Prozent rutscht und die schwarz-gelbe Wunschkoalition näher rückt, zieht die Stimmung erneut an. Jetzt geht die Party richtig los . . .

Grüne: Besucher wenden sich von der Leinwand ab

Im spärlich besetzten Grünen-Parteibüro an der Bahnhofstraße gleicht die Stimmung einem kräftigen Regenschauer. Schweigen bei der Verkündung der ersten Prognose. Kurz vorher hatte ein Bote die - vegetarische - Pizza ausgeliefert. Die Grünen wenden sich von der Leinwand ab, strömen zum Buffet. Grünen-Chef Cem Özemir sorgt in Herne für einzelne Lacher, als er via TV NRW-Spitzenkandidatin Löhrmann für deren Arbeit dankt. Die Bildungspolitikerin machen an der Basis viele für das Scheitern der Grünen verantwortlich.

Abgewählt: Auch die Grünen - (v.li.) Frank Köhler, Rolf Ahrens, Peter Velten und Peter Hugo Dürdoth - hatten nichts zu feiern.
Abgewählt: Auch die Grünen - (v.li.) Frank Köhler, Rolf Ahrens, Peter Velten und Peter Hugo Dürdoth - hatten nichts zu feiern. © Ralph Bodemer

Linke: Vorwürfe an SPD und Selbstkritik

Mit 20 Parteifreunden verbringt Linke-Kandidat Christopher Krogull den Wahlabend im Linke-Büro an der Haupstraße. Neben Vorwürfen gegen die SPD wird Selbstkritik laut. „Wir haben es nicht geschafft, unsere Themen an die Menschen zu bringen“, sagt Krogull. Linke-Ratsfrau Veronika Buszewski ist enttäuscht und entsetzt über das „erstaunliche AfD-Ergebnis“. Im Land sei nun ein Politikwechsel zu erwarten. So sei unter anderem mit einer Wiedereinführung der Studiengebühren zu rechnen, so Buszewski. Vom Landesergebnis gehe auch ein starkes Signal für die Bundestagswahl aus: „Es wird sehr schwierig sein, linke Politik in Deutschland durchzusetzen.“

Herner FDP feierte in Düsseldorf

Die FDP gehört zu den Siegern des Wahlabends. Den konnten die Herner Liberalen standesgemäß feiern – in Düsseldorf. Möglich machte es ein parteiinterner Wettbewerb um den Zutritt zur FDP-Feier im Landtag und zur Wahlparty im Medienhafen, den die Herner FDP gewann. Deshalb machten sich 14 Herner Liberale am Nachmittag auf in die Landeshauptstadt. Dort erlebten sie im Landtag unter dem Jubel der Parteifreunde und unter der Anwesenheit der vielen Journalisten den triumphalen Einzug von Parteichef Christian Lindner und seine Worte. Dass sich die Herner Gäste im Landtag kaum bewegen konnten angesichts des großen Trubels – Schwamm drüber. „Es war voll wie auf der Cranger Kirmes“, kommentierte der sichtlich gelöste alte und neue Landtagsabgeordnete Thomas Nückel per Telefon. Der Wahlabend klang für die Herner Liberalen dann schwungvoll aus: bei besagter Wahlparty im Medienhafen.

Bad in der Menge: Der FDP-Landtagsabgeordnete Thomas Nückel (vorne r.) feierte in Düsseldorf. Mit im Bild: FDP-Chef Christian Lindner (l.)
Bad in der Menge: Der FDP-Landtagsabgeordnete Thomas Nückel (vorne r.) feierte in Düsseldorf. Mit im Bild: FDP-Chef Christian Lindner (l.) © Sascha Menge