Herne/Bochum. One-Two-Three-Four: Die Bochumer DJ-Legende Ralf Odermann im „Blinde Date“ mit der WAZ Herne über Punk, John Peel, HipHop, RAG, Techno ...
Die WAZ bittet zum „Blind Date“: Redakteur Lars-Oliver Christoph spielt DJ-Legende Ralf Odermann („Logo“, „Planet“) sieben Songs vor, die der 63-jährige Bochumer natürlich (fast) alle sofort erkennt und zu denen er eine Menge zu erzählen hat.
1. Ramones: Commando (1977; live)
Ralf Odermann: Das sind natürlich die Ramones.
WAZ: Bist du durch Punk musikalisch sozialisiert worden?
Nein, ich war ja damals schon volljährig. Das hat viel früher angefangen. Mit elf, zwölf Jahren habe ich Glamrock gehört, vor allem T. Rex. Mitte der 70er stand ich vor allem auf Progrock à la Genesis und Yes. Aber auch schon sowas wie Neil Young und Lou Reed beispielsweise.
Warst du damals Teil der Punk-Szene?
Ja. Ich würde mich auch heute noch als Punk bezeichnen. Das hat ja mehr mit selber denken zu tun als mit Lederjacken und lauter, schneller Musik.
Dein Favorit?
The Clash.
2. The Fall: The Man Whose Head Expanded (1983)
(Gesang setzt ein) Keine Frage: Mark E. Smith und The Fall. Super Band. Da fällt mir ein altes Zitat von Mark E. Smith ein: „If it’s me and yer granny on bongos, it’s The Fall.“
Das bezog sich darauf, dass er die Band gegründet hat und in 40 Jahren das einzig konstante Bandmitglied war. Der britische Radio-DJ John Peel liebte The Fall. Peel selbst hatte ja bis zu seinem Tod großen Einfluss auf die Musikszene und DJs. Auch auf dich?
Ja, natürlich. Einen größeren Einfluss als John Peel hatte wohl niemand. Ich habe seine Sendungen seit etwa 1980 auf BFBS gehört. Die Mischung war total irre: Erst spielt er einen afrikanischen Song und anschließend wieder straighten Punkrock, dann vielleicht Reggae und irgendwas ganz schräges von einem obskuren Cassetten-Label. 1995 hat er sogar mal bei einer Party in meinem Bochumer Club „Planet“ aufgelegt. Wir feierten den dritten Geburtstag und der Bochumer Plattenladen „Discover“ Zehnjähriges.
3. International Music: Mama, warum? (2018)
Tocotronic?
Nein, das ist International Music vom ersten Album „Die besten Jahre“. 2021 ist das zweite Album „Ententraum“ erschienen. Meine aktuelle deutsche Lieblingsband.
Die habe ich schon häufiger bei Radio ByteFM gehört. Gefällt mir gut.
Hörst du aktuelle deutschsprachige Bands?
Nur manchmal auf Spotify oder eben bei ByteFM. Ich liebe aber ältere deutsche Bands wie Kraftwerk. Und ich bin ein großer Fan von Can. Neu! könnte ich auch noch nennen.
4. Fontaines D.C.: Too Real (2019)
(Nach dem langen instrumentalen Intro) Fontaines D.C.?
Das ist von „Dogrel“, dem Debütalbum der irischen Band.
Unglaublich, dass das ein Debüt einer bis dahin völlig unbekannten Band ist. Ich muss mir auch das neue Album mal anhören. Ich finde, dass Fontaines D.C., Idles und Viagra Boys die spannendsten aktuellen Bands sind.
Wie informierst du dich über neue Bands? Der Print-Markt ist ja inzwischen überschaubar ...
Das stimmt. In den 80er und 90er Jahren habe ich fast alle Musikzeitungen gelesen, die auf dem Markt waren: Sounds, Spex, Musik Express, Rolling Stone, Melody Maker, NME, Spin, Facem ID … . Heute informiere ich mich über Musik vor allem im Radio: bei Byte FM und seit einiger Zeit auch bei BBC Radio 6. Das ist ein reiner Musiksender, die spielen tolles Zeug. Über Techno informiere ich mich bei dem Berliner Plattenladen Hard Wax.
5. Public Enemy: Shut ‘Em Down (1991)
Hast du HipHop in den 80er Jahren von Anfang an gehört oder bist du erst später eingestiegen?
Nein, von Anfang an. Ich habe schon 1983 im „Basement“ - dem späteren „Logo“ - Rap gespielt. Damit war ich hier in der Gegend so ziemlich der Erste. Mitte der 90er Jahre hat das etwas nachgelassen, aber in diesem Jahrtausend gehört HipHop wieder fest zu meinem musikalischem Kosmos.
Hast Du auch einen Draht zu deutschem HipHop?
Ja. Ich bin sogar in „We Almost Lost Bochum“ erwähnt worden, hat man mir erzählt.
Das ist die Dokumentation über die legendäre Bochumer HipHop-Formation RAG mit dem Herner Rapper Aphroe.
Genau. Ich habe den Film selbst noch gar nicht gesehen.
Wer ist denn deine liebste deutsche HipHop-Formation?
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RAG natürlich.
6. Nick Cave: Mercy Seat (1988)
Nick Cave. Ich habe ihn schon zweimal gemalt. Er lässt sich gut zeichnen, ist halt ein Typ.
Magst du auch seine Musik?
Klar, finde ich toll. Er könnte es aber auch mal wieder krachen lassen – so wie in früheren Zeiten mit seiner Band Grinderman.
7. Moodyman: I Think Of Saturday (2019)
Moodymann aus Detroit.
Aus der Electro-Schiene, allerdings House, nicht Techno. Dein Bochumer Club „Planet“ soll ja in den 90er Jahren ein Hotspot für Techno-Partys gewesen sein.
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Das stimmt. Das fing damit an, dass der Freitagabend mit Indie-Rock nicht mehr so gut lief. Wir haben dann eine Gay-Party veranstaltet, bei der der DJ Techno gespielt hat. Das ist unfassbar gut angekommen. Ich habe dann auch selbst einen 180-Grad-Schwenk von Indierock zu Techno vollzogen. Später war der Anteil 50:50, inzwischen liegt er bei 60 Prozent Indie und 40 Prozent Techno.
Wirst du als DJ wieder auflegen, wenn die Corona-Zahlen sinken?
Auf jeden Fall!
Und wie sieht es mit Live-Musik aus?
Zu Konzerten gehe ich sehr selten. Das letzte Konzert, das ich gesehen habe, war vor Jahren von … – da muss ich überlegen – …. Mark Lanegan in der Zeche. Glaube ich. Er ist ja leider kürzlich gestorben.