Herne. Aufgrund der drastisch gestiegenen Spritpreise will Finanzminister Lindner einen Rabatt einführen. Den lehnt ein Herner Tankstellenbetreiber ab.
An der Zapfsäule kennen die Preise seit Wochen nur eine Richtung: steil nach oben. Binnen einer Woche verteuerte sich der Diesel im bundesweiten Durchschnitt um knapp 40 Cent, der Liter Super E10 um fast 28 Cent, wie der Automobilclub ADAC mitteilte. Nie zuvor waren die Preise schneller gestiegen. Doch die Rabattlösung die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag präsentierte, stößt auf Ablehnung bei Tankstellenbetreibern. Ein Herner Unternehmen macht einen anderen Vorschlag zur Entlastung von Pendlern.
Zur Erinnerung: Lindner will einen staatlichen Tankzuschuss auf den Weg bringen. Der Betrag soll beim Tanken an der Tankstelle abgezogen werden, und der Tankstellenbetreiber soll die Quittung später bei den Finanzbehörden einreichen. Spontane Reaktion von Ingolf Wiegand: „Das kann er vergessen. Als ob wir nicht schon genug Arbeit hätten, und dann sollen wir als Tankstellenpächter noch dem Geld hinterher rennen? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit.“ Wiegand betreibt die bft-Tankstellen am Westring, an der Sodinger Straße und an der Dahlhauser Straße. Da kämen Summen zusammen, die er dringend benötige. Er sei ja selbst von den steigenden Energiepreisen betroffen. Pro Tankstelle habe er 400 Euro Mehrkosten für Strom und Gas, das müsse auch alles bezahlt werden. „Da kann ich nicht noch monatelang meinem Geld hinterherrennen“, so Wiegand.
Tankstellenbetreiber: Manche Kunden haben Tränen in den Augen
Im Gegensatz zu anderen Tankstellenbetreibern registriert Wiegand ein vermehrtes Tankaufkommen. Die Leute hätten Angst, dass alles noch teurer werde. An der Kasse bekommt Wiegand den Frust der Verbraucher unmittelbar zu spüren. Alle Kunden regten sich auf, allerdings würden sie ihm nicht die Schuld geben. Und die meisten würden ihn fragen, ob die Preise noch weiter in die Höhe schießen werden. Manche hätten Tränen in den Augen, „das ist schon derb“.
Diese Verunsicherung spürt auch Christian Stiebling, wenn er die Mitarbeiter in den Filialen seines Reifenhandels spricht. „Die Energiekosten sind DAS Thema bei den Monteuren“, erzählt er im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Das macht der Chef des Reifenhändlers an einem Beispiel deutlich. Zwei seiner Mitarbeiter müssen täglich zur Filiale nach Haltern. Innerhalb kürzester Zeit hätten sich für sie die Benzinkosten im Monat um rund 100 Euro erhöht, rechnet Stiebling vor - beim Lohn eines Monteurs seien das Kosten, die nicht nur schmerzten, sondern sich auf die Existenz auswirkten.
Christian Stiebling hat einen Vorschlag, wie gerade Pendler, die nicht im Homeoffice arbeiten können, bei den Benzinkosten entlastet werden könnten. Dazu muss man wissen, dass Stiebling bereits seit 2014 seinen Mitarbeitern in Kooperation mit den Herner Stadtwerken Energiegutscheine zur Verfügung stellt. Monatlicher Wert bislang: 44 Euro. Das entspricht dem Betrag, den eine Firma steuerfrei als zusätzlichen Gehaltsbestandteil seinen Beschäftigten zur Verfügung stellen kann. Zum Jahreswechsel ist dieser Betrag auf 50 Euro angehoben worden. Stiebling plädiert dafür, diesen steuerfreien Betrag auf bis zu 80 Euro zu erhöhen. In diesem Fall würde er schauen, welcher der Mitarbeiter einen Benzinkostenzuschuss benötigt und die zusätzlichen 30 Euro als Spritgutschein aushändigen. Dass seine Mitarbeiter auch selbst nach Auswegen suchten, spüre er daran, dass sie die Möglichkeit des Bike-Leasings verstärkt in Anspruch nähmen.
Bike-Leasing bietet der NWB Verlag ebenfalls seit einiger Zeit an, dies werde auch sehr gut genutzt. Dem Problem der Pendlerkosten begegne der Verlag, indem er bis zu 100 Prozent mobiles Arbeiten anbiete, so Anja Willich, beim NWB Verlag verantwortlich für das Personal. Der Verlag selbst habe seine Autoflotte inzwischen fast komplett auf Elektromobilität umgestellt. Mitarbeiter hätten die Möglichkeit, ihre Privat-Pkw kostenlos beim Verlag zu laden.
>>> ALTERNATIVE AUTOGASANLAGE
■ Bei der Suche nach alternativen Antrieben rücken wieder Autogasanlagen verstärkt in den Blick. Dabei nimmt der Kfz-Betrieb Auto Becker eine besondere Rolle ein. Denn Holger Becker hat eine Anlage für Benziner mit Direkteinspritzung entwickelt. Nach der offiziellen Zulassung war im Herbst Verkaufsstart.
■ Mit den steigenden Benzinpreise hätte sich die Zahl der Anfragen verfünffacht, so Becker, die nächsten freien Termine zur Umrüstung habe er Ende Mai. Der Einbau der Anlage koste zwischen 3000 und 3500 Euro, allerdings würden Nutzer dann auch „für die Hälfte tanken“.