Herne. Angesichts der steigenden Spritpreise steht die Frage nach Alternativen im Raum. Ein Herner möchte mit einer neuen Autogasanlage durchstarten.

Die Benzinpreise steigen in immer neue Rekordhöhen, der Stopp an der Tankstelle sorgt bei vielen Menschen für Frust und tiefe Löcher in der Haushaltskasse. Bei der Suche nach einer günstigeren Kraftstoff-Alternative könnte Autogas wieder in den Fokus rücken. Im Mittelpunkt steht eine Entwicklung des Herners Holger Becker.

Um die Bedeutung einordnen zu können, muss man zunächst in die Vergangenheit schauen: Becker, Inhaber der gleichnamigen Kfz-Werkstatt in Börnig, rüstet seit 2001 Fahrzeuge mit Autogasanlagen nach. Die erlebten 2008 - im Zuge von damals ebenfalls stark steigenden Benzinpreisen - einen Boom. Kein Wunder, war Autogas tankt, spart im Vergleich etwa die Hälfte der Kraftstoffkosten. Im Jahr 2010 seien in Deutschland rund eine halbe Million Fahrzeuge mit Autogasanlage unterwegs gewesen, so Becker.

Entwicklung mit Begleitung der Hochschule für Technik und Wissenschaft des Saarlands

Allerdings: Im Laufe der Jahre wurden im Pkw-Bereich fast nur noch sogenannte Direkteinspritzer zugelassen, doch dafür gab es bislang keine zuverlässige Gasanlage, deshalb schrumpfte die Zahl der Nachrüstungen. Ein Unternehmen aus den Niederlanden habe zwar ein System angeboten, doch das habe sich als technisch nicht ausgereift entpuppt, so Becker. „Das muss man besser lösen können“, habe er sich gesagt und begonnen, eine Anlage für Direkteinspritzer zu entwickeln, mit wissenschaftlicher Begleitung der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlands.

Zum offiziellen Verkaufsstart des neuen Autogassystems kam auch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie. Ebenfalls anwesend waren Armin Gehl (Geschäftsführer Autoregion e.V.), Andreas Gühring (MHA Zentgraf), Frank Jungblut und Holger Becker (v.l.).
Zum offiziellen Verkaufsstart des neuen Autogassystems kam auch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie. Ebenfalls anwesend waren Armin Gehl (Geschäftsführer Autoregion e.V.), Andreas Gühring (MHA Zentgraf), Frank Jungblut und Holger Becker (v.l.). © Dirk Guldner - guldner.de | Dirk Guldner - guldner.de

In zahlreichen Tests wurde das System zur Marktreife gebracht, er habe es inzwischen in mehr als 40 Ländern patentrechtlich schützen lassen und für die weitere Vermarktung mit verschiedenen Partnern die Direct GasTec GmbH gegründet.

Doch angesichts des politischen Ziels, dass ab dem Jahr 2030 keine Autos mehr mit Verbrennermotor zugelassen werden, stellt sich die Frage nach dem Potenzial von Beckers System. Er selbst sieht reichlich Potenzial und macht dies an einigen Zahlen deutlich. So seien zurzeit mehr als 30 Millionen Fahrzeuge mit Benzinmotoren auf Deutschlands Straßen unterwegs, und bis zum Jahr 2030 werde auch noch ein hoher Prozentsatz an Autos als Verbrenner gebaut. Nicht zuletzt seien die Plug-In-Hybride zugleich auch Verbrenner. „Die Anzahl der Fahrzeuge, die nachgerüstet werden können, ist schon recht umfänglich. Im jetzigen Bestand gibt es Millionen Fahrzeuge, die wir mit einer Umrüstung weiter im Markt halten und sauber machen“, so Becker. Denn Fahrzeuge mit Autogasanlage würden rund 15 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Und es gebe so gut wie keine Partikelemissionen mehr. Bei der Energiewende habe Autogas bislang zu wenig Berücksichtigung gefunden.

Ob sich ein Einbau rechnet, hängt von mehreren Faktoren ab

Becker sieht auch keine Gefahr, dass das Netz mit Autogastankstellen in Deutschland - offizielle Statistiken weisen zurzeit etwa 7000 aus -, mit den politischen Beschlüssen für die Elektromobilität ausgedünnt wird. Er verweist auf die rund 30 Millionen Fahrzeuge mit Benzinmotoren, die ja irgendwo tanken müssten. Darüber hinaus verweist er auf Daten des Bundeswirtschaftsministeriums, wonach die Kosten für Autogas, auf 100 Kilometer gerechnet, geringer seien als die für E-Autos.

Der Einbau einer Anlage koste zwischen 3000 und 3500 Euro, so Becker. Ob sich das bezahlt mache, hänge von mehreren Faktoren ab. Blieben die Benzinpreise so hoch wie jetzt und stiegen gar weiter, müsste man kaum noch ein Vielfahrer sein. Becker führt noch ein anderes Argument an: In der Politik werde die Einführung einer blauen Plakette diskutiert. Komme sie, würde sie nicht nur Dieselfahrzeuge betreffen sondern auch Benziner. Es müssten zahlreiche Modell mit einem Partikelfilter nachgerüstet werden, um die Plakette zu bekommen. Würde man diese Investition mit den Kosten für eine Autogasanlage verrechnen, lohne sich der Einbau noch schneller.

>>> SCHON JETZT STARKE NACHFRAGE

■ Ende September war der offizielle Verkaufsstart des Systems, an dem auch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie teilnahm.

■ Erste Schulungen in anderen Kfz-Betrieben seien bereits durchgeführt worden, so Becker. In Herne selbst sei die Nachfrage so gut, dass es bis Ende Februar keine Einbautermine mehr gebe.