Herne. Die Hernerin Sarah Oehler hat einen Transport für Geflüchtete aus der Ukraine organisiert, darunter viele Kinder. Am Mittwoch kamen sie an.
Um kurz nach 11 Uhr am Mittwochmorgen biegt ein Reisebus in die Einfahrt des Barbaraheims in Wanne-Süd ein. Die Gesichter hinter den Scheiben blicken erschöpft, aber auch erleichtert beim Anblick des Empfangskomitees, das sie unter Klatschen und Winken erwartet. Ein paar der Reisenden winken zurück. Sie alle haben einen weiten Weg hinter sich, aus Poltawa, Kiew und Iwano-Frankivsk über Krakau bis nach Herne. Die älteste Mitreisende ist über siebzig, der Jüngste kaum drei Monate alt.
Hernerin organisiert Transport für Geflüchtete aus der Ukraine
Als sich die Türen öffnen, ist Sarah Oehler eine der ersten, die aussteigt. Die 36-jährige Hernerin ist der Grund dafür, dass die rund dreißig Ukrainerinnen und Ukrainer am Mittwoch hier ankommen. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Christian Drews leitet Oehler die Allianz Versicherung Oehler und Drews OHG in Herne. Vergangene Woche startete die Allianz per Instagram einenSpendenaufruf für die Ukraine. „Wir haben die Bilder im Fernsehen gesehen und wollten etwas tun“, so die Inhaberin. Die Resonanz war überwältigend: „Es ist Wahnsinn, was die Leute gespendet haben - wir hatten das ganze Büro voll!“
Erst sollten die Spenden per Lkw nach Polen gebracht werden, doch dann entschied Oehler, sie wolle nicht nur etwas hinbringen, sondern auch Menschen mit zurücknehmen. Über ihre Bekannte Bozena Kaufmann, die selbst Polin ist, entstand ein Kontakt zu einer polnischen Hilfsorganisation, die Geflüchtete aus der Ukraine evakuieren wollte. Ein Bus musste her. Nachdem ein anderer Anbieter kurzfristig absagte, fragte Oehler beim Gelsenkirchener Reisedienst Nickel an. Inhaber Ulrich „Uli“ Nickel war sofort dabei und stellte seinen Bus gratis zur Verfügung. „Er hat gesagt, gib mir fünf Minuten“, erinnert sich Oehler, „nach zwei Minuten kam der Rückruf“. „Ich musste ja erst zwei Fahrer organisieren“, sagt Nickel. Dass diese dann auch noch beide Polnisch und Russisch sprechen, sei laut Oehler ein Glücksfall gewesen. „Die zwei waren echt super!“
Am Sonntagmorgen ging es dann los nach Polen. Nachdem sie die Spenden abgeliefert hatten, mussten Oehler und ihre Mitstreiter - darunter ihr Schwager, Christian Tomaschefsky, und ein Freund der Familie, Andreas Rabczinski - sich gedulden. Die Gruppe, die sie aufnehmen sollten, saß länger als erwartet in der Ukraine fest. „Wir mussten uns erst um eine Greencard kümmern“, so Oehler. Diese wurde ihnen von der Stadt Herne ausgestellt. Am Dienstag konnten sie die Gruppe dann endlich in Krakau aufnehmen und sich auf den Rückweg machen. Der Trip war „sehr anstrengend“, gibt die Hernerin zu, aber er habe sich auf jeden Fall gelohnt. „Das sind ganz tolle Menschen“, beschreibt sie die Geflüchteten, die sich ihr anvertraut haben. „Schutzengel“ haben sie Oehler und die anderen Helfer genannt.
Geflüchtete hoffen auf baldige Rückkehr in die Ukraine
Etwa die Hälfte der Geflüchteten sind Kinder, teilweise mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Die meisten von ihnen reisen mit einem Elternteil. Aber auch eine Katze und Hund Schorsch haben Platz im Bus gefunden. Halina Schazka hat die Ukraine mit ihrem dreimonatigen Enkel, ihrer Schwiegertochter und deren Mutter verlassen. Schazkas Mann und Sohn sind geblieben, sie verteidigen in einer Schutztruppe ihre Heimatstadt Iwano-Frankivsk in der Westukraine.
Am 24. Februar, dem ersten Tag des Krieges, wurde ihre Stadt von Raketen getroffen. Seitdem heulen dort die Sirenen, erzählt Schazka, das alles habe natürlich Spuren hinterlassen: „Alle sind aufgewühlt, viele haben Angst vor den kleinsten Geräuschen, die an Sirenen erinnern.“ Dennoch, die Reise nach Deutschland sei gut verlaufen. „Alle Kinder haben die Fahrt gut überstanden“, so Schazka. „Jetzt hoffen wir auf ein bisschen Erholung und können ein paar Nächte ruhig schlafen.“ Dass in ihrem Land Krieg herrscht, kann die Ukrainerin, die als Dozentin an der Universität Deutsch unterrichtet, immer noch nicht glauben. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es so einfach passieren kann. Wir haben die Hoffnung, dass wir in einem Monat wieder zurück sind“, sagt sie.
>>> Geflüchtete zur Erstversorgung im Barbaraheim untergebracht
- Die Geflüchteten wurden zur Erstversorgung im Herner Barbaraheim untergebracht. Dort wurden sie auf Corona getestet, bekamen ein erstes medizinisches Check-up und wurden auf vorbereitete Zimmer verteilt.
- Ob sie langfristig hier bleiben oder noch woanders untergebracht werden, solle sich so bald wie möglich entscheiden, heißt es von Seiten der Stadt.