Herne. Tagelang steht eine Herner Wirtin alleine in ihrer Kneipe. Seit der Pandemie ist der Umsatz eingebrochen. Wie andere kämpft sie um ihre Existenz.

Neben den Restaurants leiden auch die Kneipen in Herne unter den Folgen der Corona-Pandemie. Einige Wirte sehen dabei inzwischen sogar ihre Existenz gefährdet. „Ich sitze von morgens bis abends alleine in der Gaststätte“, sagt etwa Beata Brzoska, Wirtin der Gildenschänke in Herne-Mitte. „Es ist eine Katastrophe.“

Von montags bis donnerstags sei fast gar nichts mehr los in ihrem Schankbetrieb. „Es gibt kaum noch Umsätze.“ Freitags und samstags sei die Situation etwas besser, aber auch da mache sie etwa 70 Prozent weniger Umsatz als noch vor der Pandemie. Das hatte sie sich anders vorgestellt, als sie vor rund zehn Jahren die Kneipe übernahm. Noch vor der Pandemie habe sie neue Verträge unterschrieben, Pläne gehabt. Doch dann kam alles anders.

„Ich habe schon seit zwei Jahren Existenzängste“, sagt die Wirtin. „Ich möchte meine Existenz nicht verlieren.“ Deshalb schränke sich Brzoska nun privat ein, verzichte auf alles, was nicht unbedingt notwendig sei. Schließlich müsse sie froh sein, wenn sie die Rechnungen für Strom und Pacht weiter bezahlen könne.

Herner Wirtin: Depressionen wegen der Situation

Im Sommer, als das Wetter besser wurde, hatte sich die Lage für Beata Brzoska zwischenzeitig etwas entspannt. Sie hatte Pavillons aufgestellt, damit sich die Gäste vor der Kneipe hinsetzen konnten. Doch die Stadt Herne habe die Pavillons verboten und das schlechte Wetter tue sein Übriges. „Ein paar Kartenspieler kommen noch, aber das ist so viel weniger als früher“, klagt sie. Viele der älteren Stammgäste hätten Angst – oder sie seien in Quarantäne.

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Der ständige Druck macht der 51-Jährigen zu schaffen, nicht immer kann sie positiv denken: „Es macht depressiv, wenn man den ganzen Tag die Kneipe putzt, um etwas zu tun zu haben, aber den ganzen Tag niemand kommt“, sagt sie. „Da bekommt man Depressionen.“ Angestellte kann sich die Wirtin nicht leisten, wenn nötig greife sie auf Aushilfen zurück, aber eigentlich mache sie die Arbeit lieber selbst. So spart sie Geld. Denn sie musste sich bei Freunden und der Familie bereits finanzielle Unterstützung holen.

Dehoga: „Betriebe sind wirtschaftlich ausgezehrt“

Und mit der Situation ist sie nicht allein: „Aufgrund der 2G- bzw. 2G-Plus-Regel sind die Einnahmen in der Branche weiter zurückgegangen“, sagt Thorsten Hellwig, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) NRW. Zwar erhebt der Dehoga keine spezifischen Daten zu den Schankbetrieben, aber auch für sie gelte: „Die Betriebe sind wirtschaftlich ausgezehrt aufgrund der Dauer der Pandemie“, so Hellwig. „Die staatlichen Hilfen sind existenziell. Wir befürchten aber, dass sie nicht ausreichen werden, damit alle Betriebe überleben.“ Perspektivisch könne es zudem ein Problem geben, da viele Gastronomen aus der finanziellen Not an ihre Altersvorsorge gehen mussten, die später fehle.

Klaus Molitor, Gastwirt von Molly’s Pinte in Wanne-Eickel sagt: „Für mich war das Rauchverbot schlimmer als Corona.“ (Archivfoto)
Klaus Molitor, Gastwirt von Molly’s Pinte in Wanne-Eickel sagt: „Für mich war das Rauchverbot schlimmer als Corona.“ (Archivfoto) © WAZ FotoPool | Winfried Labus

Besser ergeht es da Klaus Molitor, Inhaber von Molly‘s Pinte in Wanne-Eickel. „Seit wir die 2G-Plus-Regel haben, ist es bei uns viel besser geworden als vorher“, sagt er. „Die Gäste fühlen sich jetzt wohl etwas sicherer.“ Am Ende des vergangenen Jahres habe er bei 70 bis 80 Prozent des sonst üblichen Umsatzes gelegen, sagt er. Aber seit Januar gehe es wieder bergauf. Während die älteren Gäste nach dem ersten Lockdown doch vorsichtiger gewesen seien, seien sie nun wieder „etwas lockerer“ geworden. Das Thema Corona könnten sie, wie auch er selbst, nicht mehr hören. „Für mich war das Rauchverbot schlimmer als Corona.“

Herner Wirtin hat Angst, Gäste dauerhaft zu verlieren

Das kann Branka Juran, Wirtin im „Bierdeckel“ in Mitte, so leider nicht bestätigen. Auch sie bekommt die Angst vieler Gäste zu spüren, die bei so hohen Inzidenzen ihr Bier anscheinend doch lieber zu Hause trinken. „Wir sind verzweifelt“, fasst sie die Situation zusammen. Der Umsatz sei um 40 bis 50 Prozent eingebrochen. „Wir leben nur noch vom Freitag und Samstag, den Rest der Woche kommt niemand.“ Sie habe auch überlegt, an diesen Tagen nicht mehr zu öffnen, hat aber zu große Sorgen, doch den einen oder anderen potenziellen Gast dauerhaft zu vergraulen, wenn dieser vor verschlossenen Türen steht.

Den Restaurants gehe es noch schlechter, so Juran, da sie beim Einkauf ganz anders planen müssten. „Schnaps hält sich länger als Salat“, sagt die Wirtin. Da habe sie einen deutlichen Vorteil, da sie nicht mit verderblicher Ware arbeite wie die Gastronomie.

„Jeder in Herne kämpft, wir kämpfen auch“, sagt Juran und spricht damit Beata Brzoska von der Gildenschänke aus der Seele. Auch sie will weiterkämpfen. „Denn sonst verliere ich alles, was ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe. Das will ich nicht.“

>>>WEITERE INFORMATIONEN: 2G-Plus-Regel gilt

• Eine bundesweite Umfrage des Branchenverbandes Dehoga, an der auch mehr als 550 Gastronomen und Hoteliers aus NRW teilnahmen, hat ergeben, dass sich etwas mehr als die Hälfte der Betriebe in ihrer Existenz bedroht fühlt. Tendenz steigend.

• In der Gastronomie in NRW gilt seit dem 13. Januar die 2G-Plus-Regel. Zweifach Geimpfte und Genesene dürfen Restaurants, Bars und Kneipen nur noch betreten, wenn sie zusätzlich einen negativen Test vorlegen. Beaufsichtigte Selbsttests vor Ort sind zulässig.

• Wer seine Auffrischungsimpfung (Booster) erhalten hat, braucht keinen zusätzlichen Schnelltest.