Herne. . 2008 kam das Rauchverbot in Kneipen, 2013 wurden die letzten Schlupflöcher gestopft. Und noch immer gibt es Ärger wegen der Regelung.

Seit zehn Jahren gelten Rauchverbote in Gastronomiebetrieben, doch vielerorts herrscht noch immer dicke Luft – im übertragenen Sinn: Viele Wirte und auch Besucher sind unzufrieden. Es gibt aber auch positive Stimmen.

Die Regelung habe zu deutlichen Umsatzeinbußen, vor allem im Winter geführt, berichtet Hermann Pogoreutz von der Gaststätte Arena am Markt in Wanne. Sommertags könnten die Raucher in den Biergarten ausweichen, in der kühlen Jahreszeit blieben sie dann zu Hause.

Glück hat der, der draußen Tische aufstellen kann

Branka Juran, Wirtin im Bierdeckel in Herne-Mitte, nennt Zahlen zu den wirtschaftlichen Verlusten. „Die liegen durchaus bei 15 bis 20 Prozent“, sagt sie. Für Lokale „wie hier an der Neustraße“ werde es auf Dauer immer schwieriger, „zumal auch die Preise, die wir fürs Bier zahlen, immer weiter nach oben steigen“.

Branka, wie sie genannt wird, steht seit 38 Jahren hinter dem Tresen. Als Glücksfall betrachtet sie es, dass „wir bei uns noch die Möglichkeit haben, draußen Tische und Stühle aufzustellen“. Die habe manche Eckkneipe leider nicht.

Lautstärkepegel von Rauchern nach Konzert hoch

Wenn die Gäste vor die Tür treten, um sich eine Zigarette anzustecken, kann es mitunter heiß hergehen, weiß Beate Brzoska, Wirtin der Gildenschänke in Herne-Mitte, zu berichten. Nachbarn fühlen sich schnell gestört, wenn sich die Besucher auch mal lauter unterhalten. Nach einem Konzert in den Flottmann-Hallen habe sogar die Polizei schon einschreiten müssen, weil Anwohner sich über Gäste der Flottmann-Kneipe beschwerten, sagt Jens Willemsen, Betreiber der Gastronomie in der Kulturstätte sowie der Gaststätte Nils an der Freiligrath­straße. Dass ein gewisser Lautstärkepegel erreicht werde, kann er durchaus nachvollziehen. „Bei Konzerten wird Alkohol konsumiert, die Leute haben auch noch die Musik in den Ohren. Wenn man dann in gemeinsamer Runde raucht, bleibt es meist nicht leise“.

Geselligkeit nimmt Schaden: Branka Juran, Wirtin im „Bierdeckel“.
Geselligkeit nimmt Schaden: Branka Juran, Wirtin im „Bierdeckel“. © Ralph Bodemer, Archiv

Für Bierdeckel-Betreiberin Branka Juran hat mit dem Rauchverbot auch die Geselligkeit Schaden genommen. Die früher so beliebten Spiele Knobeln, Skat oder Doppelkopf seien zwar noch nicht ganz verschwunden, aber deutlich seltener geworden.

Im Wanner Hof fällt die Bewertung des Rauchverbots zwiespältig aus. Mit dem Thekenbetrieb, wie es ihn früher mal gab, sei es „absolut vorbei“, sagt Besitzerin Vesna Kosic. Im Restaurantbereich laufe es aber nach wie vor ganz gut. Die Gäste hätten sich ans Rauchverbot gewöhnt, sagt die Eigentümerin. Ganz am Anfang sei es mit der Akzeptanz nicht weit her gewesen, erinnert sich dagegen Francesco Massione vom Eiscafé Dolce Vita an der Bahnhofstraße noch sehr gut. Manche Besucher hätten sich nur ungern an die neuen Vorgaben gehalten.

Mehr Kinder und Familien im Eiscafé

Als das Gesetz seinerzeit in Kraft trat, fürchteten auch Anbieter von Großveranstaltungen, die Besucher würden ausbleiben, da Festzelte ebenso vom Rauchverbot betroffen sind. Die Erfahrungen, von denen Stadtmarketing-Sprecher Alexander Christian berichtet, sind andere: „Erst vor kurzem hatten wir Festzelte für ,Herne kulinarisch‘ aufgebaut, und man hatte weder den Eindruck, dass Besucherzahlen rückläufig sind noch waren Gäste verärgert, weil Rauchen untersagt war“.

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Angelo Valoroso vom Eiscafé Dolomiti in Eickel ist sogar der festen Überzeugung, dass der überwiegende Teil der Kunden schon seit Beginn des Rauchverbots keinerlei Probleme mit dem Gesetz hatte. Er beobachtet seither auch eine Entwicklung beim Alter seiner Gäste: „Ich habe den Eindruck, dass viel mehr Kinder oder Familien mit Kindern als früher das Eiscafé aufsuchen“.

Dehoga: Zahl der Gaststätten ist rückläufig

Bei der Antwort auf die Frage, welche Folgen das Rauchverbot für die Gastronomie hat, ist Thorsten Hellwig, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in NRW, vorsichtig.

Er hält es für schwierig, einen direkten Bezug des Gesetzes zur Schließung einer Kneipe herzustellen. Dennoch liegen dem Sprecher Zahlen vor. Danach haben 81 Prozent der Betreiber von Schankbetrieben angegeben, dass sie Umsatzrückgänge im Zusammenhang mit dem Rauchverbot verzeichnen. Die Umfrage stammt aus 2014, ein Jahr, nachdem ein absolutes Rauchverbot in NRW eingeführt wurde. Bei weiterem Datenmaterial geht es um einen Vergleich: Existierten 1994 in NRW noch 21 165 Schankbetriebe, also in der Regel Kneipen und Gaststätten, so ging ihre Zahl bis 2015 auf 8352 zurück. Aktuellere Angaben liegen dem Verband nicht vor.

Zum vollständigen Bild gehört es nach Worten von Hellwig aber auch, dass die Gesamtzahl gastronomischer Betriebe, zu denen auch beispielsweise Restaurants gehören, nahezu konstant geblieben ist und rund 50 000
beträgt.

>> WEITERE INFORMATIONEN: Das Gesetz

Das erste Nichtraucherschutzgesetz für Gaststätten stammt aus 2008. In vielen Kneipen entstanden Raucherclubs, denen sich Gäste anschlossen, um das Verbot zu umgehen. Damit war aber 2013 Schluss. Seither gilt ein absolutes Rauchverbot.

  • Gäste müssen 1000, Wirte bis zu 2500 Euro Strafe zahlen, wenn sie das ignorieren.