Herne. Es gibt viel zu wenig Ladesäulen für Elektrofahrzeuge in Herne, schimpft die Politik. Schuld daran seien Stadtwerke und Stadt. Was diese sagen.

Die Politik in Herne ist unzufrieden mit der Zahl der Ladesäulen für Elektrofahrzeuge in der Stadt. Das Tempo von Stadt und Stadtwerken beim Ausbau der Ladepunkte sei viel zu langsam, außerdem gebe es weiterhin kein Konzept und keine Ziele, kritisieren die Parteien.

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Der Ärger, der sich in der Ratskoalition von SPD und CDU, aber auch in der Opposition über Stadt und Stadtwerke beim Thema Ladesäulen aufgestaut hat, trat nun im Ausschuss für Digitales, Infrastruktur und Mobilität (DIM) zu Tage. Ausschussvorsitzender Roberto Gentilini (SPD) war noch zurückhaltend, als er eingangs der Sitzung davon sprach, dass „wir nicht genug Ladesäulen haben“ und dass Herne „mehr Druck auf der Pipeline“ brauche. Die anderen Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik fanden deutlichere Worte.

Herne: Aktuell gibt es 69 öffentliche Ladesäulen

„Bericht über den aktuellen Stand der Ladesäulen für E-Fahrzeuge im Herner Stadtgebiet“ lautete am Donnerstag, 13. Januar, Punkt 1 der Tagesordnung. Der Bericht, den die drei Vertreter der Stadtwerke präsentierten, dauerte nur wenige Minuten. Der Tenor: Es gibt in Herne aktuell 277 Ladepunkte, 90 von ihnen gehörten den Stadtwerken, die anderen Privaten. Insgesamt 69 seien öffentlich nutzbar. Weitere Erkenntnis: Der Bedarf an Ladesäulen sei „relativ hoch“.

„Wir sind viel, viel, viel zu spät“: Andreas Barzik, CDU-Ratsherr aus Herne.
„Wir sind viel, viel, viel zu spät“: Andreas Barzik, CDU-Ratsherr aus Herne. © Unbekannt | Ralph Bodemer / WAZ FotoPool

Einigen Sitzungsteilnehmern platzte angesichts dieses „Berichts“ die Hutschnur. CDU-Vertreter Andreas Barzik sagte, dass der Ausschuss ein Konzept zur Entwicklung der Ladesäulen in Herne gefordert habe – einen entsprechenden Auftrag hatte Rot-Schwarz der Stadt im Juli erteilt. Erwartet habe er eine Excel-Tabelle, aus der abzulesen sei, wann und wo welche Säulen in der Stadt aufgebaut werden. Er sei „sehr unzufrieden“ mit dem, was nun abgeliefert wurde.

Barzik gab dann seine Einschätzung ab: Der Ausbau der Ladesäulen (beziehungsweise der Nicht-Ausbau) sei „für die Stadt Herne blamabel“ – es gebe viel zu wenig Ladepunkte. „Wir sind viel, viel, viel zu spät“, so der CDU-Ratsherr. Er spreche aus Erfahrung: Er fahre selbst ein E-Auto. Zum Glück sei das ein Plug-in-Hybrid, der neben Strom auch Benzin tanke, denn sonst könne er kaum durch die Stadt fahren – aus Mangel an Ladepunkten .

Ungehalten war auch Michael Zyweck (SPD). Stadtwerke und Stadt reagierten nur, seien „viel zu langsam“ und zeigten keine Perspektiven auf, kritisierte auch er. Beim Ausbau der Ladesäulen dürfe Herne aber „nicht hinterher laufen“. Auch der SPD-Ratsherr will endlich wissen: Was ist eigentlich das Ziel von Stadtwerken und Stadt? Sabine von der Beck (Grüne) schloss sich ihrer Vorrednern uneingeschränkt an. „Man hat den Eindruck, dass Sie sehr defensiv arbeiten“, so ihre noch vergleichsweise moderate Kritik an Stadt und Stadttochter.

Stadt: Es muss mehr Geschwindigkeit kommen

Und was sagen die Kritisierten? Vor zwei Jahren hatte Stadtwerke-Chef Ulrich Koch gegenüber der WAZ gesagt, dass sich die Stadtwerke beim Thema Elektromobilität „nicht als Akteur in diesem Markt“ sähen. „Wir sind kein Mobilitätsanbieter, wir begleiten und beobachten das Thema Elektromobilität interessiert“, sagte er. Im Ausschuss stellte Jürgen Bock, Technischer Leiter bei den Stadtwerken, nun fest: „Potenzial ist da, aber es gibt noch Luft nach oben.“ Ein Ausbau der Ladesäulen, ja der Infrastruktur müsse allerdings auch finanzierbar sein. Das könne die Stadt „alleine nicht stemmen“. Bock kündigte dennoch für Ende März einen Bericht an, den ein Arbeitskreis zum Thema erarbeiten werde.

Stadtrat Karlheinz Friedrichs, im Rathaus Dezernent für Tiefbau und Verkehr, aber auch für Umwelt und Stadtplanung, nahm die Kritik an: „Wir haben verstanden, dass mehr Geschwindigkeit kommen muss.“

„Wir haben verstanden“: Karlheinz Friedrichs, Dezernent in Herne.
„Wir haben verstanden“: Karlheinz Friedrichs, Dezernent in Herne. © Stadt Herne | Thomas Schmidt

Professor Haydar Mecit vom Institut für Elektromobilität der Hochschule Bochum, der die Stiftungsprofessur der Stadtwerke Herne für urbane Energie und Mobilitätssysteme erhalten hat und für das Herner Forschungsprojekt „Ruhr Valley“ arbeitet, erklärte, warum gerade Herne viele Ladesäulen brauche: Die Stadt habe eine geringe Eigentumsquote, viele Menschen könnten ihre Autos also nicht zu Hause aufladen und seien auf Ladesäulen angewiesen.

Und wie bewertet der Professor das Ausbautempo? Er sprach im Ausschuss von einem „sanften Hochlaufen“.

>> WEITERE INFORMATIONEN: 2814 Elektrofahrzeuge in Herne

In Herne gab es Ende 2021 insgesamt 90.782 Fahrzeuge (inklusive Anhänger), teilt das Rathaus auf Anfrage der WAZ mit. Das sind knapp 700 Fahrzeuge mehr als zum selben Zeitpunkt im Jahr davor.

Die Zahl der Elektrofahrzeuge stieg laut Stadt im selben Zeitraum von 1568 auf 2814.