Herne. Ein ganz besonderer Gottesdienst in der Herner Kreuzkirche: Das ZDF übertrug ihn am Sonntagmorgen live im Fernsehen. Auch Gehörlose machten mit.

Proben für einen Gottesdienst - das tut Pfarrerin Katja Lueg ohnehin relativ selten. Ganze sechs Monate, das ist aber noch nie vorgekommen. „Ja, das ist schon ungewöhnlich. Normalerweise kommt es bei meiner Predigt nie auf zwei Minuten an“, sagt die Pfarrerin an der Kreuzkirche kurz nach Ende der letzten Probe.

Probe für den großen Auftritt am Sonntag: Dann, wenn fast eine Millionen Menschen den Gottesdienst live aus der evangelischen Kreuzkirche im ZDF verfolgen können. Wer an welchem Ort steht, wie lang die Fürbitten dauern, wann Kammerorchester und Posaunenchor einsetzen - alles muss dann stimmen. „Ich bin zwischendurch schon ganz schön aufgeregt“, gibt Pfarrerin Lueg zu.

Singen in Gebärdensprache

Als um 9.30 Uhr am Sonntagmorgen die Kameras im Zweiten Deutschen Fernsehen dann aber auch die Kreuzkirche schwenken und Pfarrerin Lueg im Bild erscheint, wirkt sie gar nicht so, als schaute ganz Deutschland zu. „Es ist eine anstrengende Zeit. Wir brauchen Stärkung für unser Herz und unsere Seele“, beginnt die Hernerin den Gottesdienst. Die zweite rote Kerze am Adventskranz wird entzündet, das Lied „Macht hoch die Tür“ tönt durch die Kirche. Posaunen und Geigen erklingen, der Chor stimmt den Text der ersten Strophe „Er ist gerecht ein Helfer wert“ an.

Die Herner Pfarrerin Katja Lueg am Samstag bei der Generalprobe für den Gottesdiens am Sonntag.
Die Herner Pfarrerin Katja Lueg am Samstag bei der Generalprobe für den Gottesdiens am Sonntag. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Aber nicht nur das: Vor dem Altar trägt ein Gemeindemitglied den Text in Gebärdensprache vor - Gebärdenposie heißt das, Singen für Gehörlose. „Wir feiern den Gottesdienst heute gemeinsam mit der Gemeinde für Gehörlose“, erklärt Pfarrerin Lueg. „Mit Herzen, Mund und Händen Advent feiern“ lautet deshalb der Titel des Gottesdienstes.

„Das ist auch für uns als ZDF das erste Mal, dass wir einen solchen Gottesdienst übertragen“, sagt die Sendebeauftragte Simone Hahn im Gespräch mit der WAZ. Zwar biete das ZDF barrierefreie Sendungen in seiner Mediathek an, dass eine gehörlose Gemeinde den Gottesdienst aber mitgestalte, sei eine Neuheit. „Wir greifen die Besonderheiten in den Gemeinden thematisch auf“, erklärt Hahn.

Nicht einfach nur ein abgefilmter Gottesdienst

Einfach ein „abgefilmter“ Gottesdienst ist die Übertragung am Sonntag bei weitem nicht. Monatelange Vorbereitung, inhaltlich Abstimmung, Auswahl von Musikstücken und Botschaft stecken dahinter. „Manchmal werden uns Kirchen empfohlen oder fallen uns selbst für unsere Sendereihe auf“, erläutert Hahn. Voraussetzung sei neben guter Musik und einem ansprechenden Kirchenraum auch ein guter Prediger. „In Herne haben uns zum Beispiel das Ensemble und der Altar besonders gefallen“, sagt Hahn.

Der Zulauf an Zuschauern sei durch die Corona-Pandemie enorm gestiegen. „Wir verzeichnen 200.000 bis 300.000 Zuschauer mehr, es gucken ungefähr eine Millionen Menschen zu“, so die Sendebeauftragte.

Auch die Pandemie ist ein Thema

Auch im Herner Adventsgottesdienst spielt die Pandemie eine Rolle: „Was stärkt ihr Herz, was öffnet ihre Herzenstür?“, fragt Pfarrerin Lueg und gibt ihre persönlichen Adventsmomente preis: Der Duft von Glühwein, die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, gebrannte Mandeln. Doch gleichzeitig: 40.000 Neuinfektionen an einem Tag, beständige Warnungen vom Robert-Koch Institut (RKI). Ein unbeschwertes Weihnachten, so wie viele es sich erhofft hatten, wird es auch 2021 nicht geben.

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„Viele Menschen machen sich Sorgen, sind Corona-müde“, weiß Pfarrerin Lueg. Auch sie denke dieser Tage oft „Nicht schon wieder“ - abgesagte Treffen und Veranstaltungen, steigende Zahlen, Weihnachten und Gottesdienste unter Corona-Bedingungen. „Wer seine Herzenstür öffnet, wird auch verletzlich“, gibt Pfarrerin Lueg zu.

Was helfen könne: „Machen Sie sich eine Liste „Das tut mir gut im Advent“, rät sie. Der Waldspaziergang? Die Weihnachtsmusik? Das Plätzchenbacken? Manchmal öffnet sich die Herzenstür dadurch nur einen kleinen Spalt - aber sie geht auf.

WEITERE INFOS: Abrufbar in Mediathek

Der Gottesdienst „Mit Herzen, Mund und Händen Advent feiern“ aus der Kreuzkirche Herne dauert 45 Minuten und kann in der ZDF Mediathek abgerufen werden.

Jeden zweite Samstag im Monat finden um 14 Uhr Gottesdienste in Gebärdensprache in der Kreuzkirche statt. Weitere Informationen gibt es unter www.gebaerdenkreuz.de