Herne. Die Herner Verbraucherzentrale verzeichnet seit Wochen viele Anfragen zu Preiserhöhungen bei Gas und Strom. Die sind oft ungerechtfertigt.

„So etwas habe ich seit der Liberalisierung des Energiemarktes noch nicht erlebt“, sagt Silke Gerstler. Sie berät bei der Verbraucherzentrale Herne zu Strom- und Gasverträgen. Was sie meint: Seit die Energiepreise in die Höhe geschossen sind, habe sie dutzendfach Anfragen von Herner Bürgerinnen und Bürgern erhalten. Einige Anbieter nutzen offenbar die Situation aus, um die Preise zu erhöhen - in vielen Fällen ohne rechtliche Grundlage.

Die Erhöhung bei den Abschlagszahlungen würden bis zu 150 Prozent betragen, so Gerstler. Einige Versorgungsunternehmen würden diesen happigen Aufschlag damit begründen, dass damit die Versorgungssicherheit aufrecht erhalten werde. Allerdings, so Gerstler: Die Erhöhung sei gar nicht erlaubt. Der Grund: Die Monatsabschläge richteten sich nach der letzten Abrechnungsperiode. Also könnten die Abschläge erst dann angehoben werden, wenn der Kunde mehr Gas oder Strom verbraucht habe. Der Verbraucher habe nichts damit zu tun, wie ein Versorgungsunternehmen Gas und Strom beschaffe und beim Einkauf eventuell nun höhere Preise zahlen müsse.

Verbraucherzentrale: Widerspruch ist keine Sonderkündigung

Gerstler berichtet, dass einige Verbraucher gegen die Erhöhung Widerspruch eingelegt hätten. Reaktion: Einige Unternehmen hätten geantwortet, dass die Kunden von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht hätten und hätten sie aus dem Vertrag geschmissen. Das sei „völliger Quatsch“, so Gerstler. Ein Widerspruch habe nichts mit dem Sonderkündigungsrecht zu tun. Doch es bringe den betroffenen Verbrauchern wohl kaum etwas, dagegen vorzugehen. Sie könnten nur prüfen, ob sie Schadenersatzansprüche haben, weil sie in der Grundversorgung - für Herner sind das die Herner Stadtwerke - mehr zahlen müssten. Diese Differenz könnten sie dann dem Versorger in Rechnung stellen. Doch ob der bezahlt, bleibt ungewiss.

Wie ein Anbieter vorgeht, haben zwei Kundinnen der WAZ geschildert. Eine von ihnen war vor Jahren zu einem Anbieter gewechselt, weil der einen günstigen Tarif angeboten hatte. Lange sei alles ohne Probleme gelaufen, doch dies habe sich geändert. So habe sie in diesem Jahr gar keine Jahresabrechnung mehr bekommen - dafür eine Mahnung. Darin sei sie aufgefordert worden, einen Betrag X zu zahlen, jedoch ohne Erläuterung, warum und wofür. Eineinhalb Wochen vor dem 2. November habe der Anbieter mitgeteilt, dass zum 2. November der Abschlag um rund 115 Prozent erhöht werde. Sie habe nachgefragt, ob sie das zahlen müsse, daraufhin sei eine Woche später eine Mail mit der Mitteilung gekommen, dass man ihr vom neuen Betrag 30 Prozent erlasse. Doch schon diese Nachfrage habe die Firma als Inanspruchnahme des Sonderkündigungsrechts umgedeutet und den Vertrag gekündigt.

Verbraucher sollten Schreiben der Anbieter und Kontoauszüge genau kontrollieren

Ganz ähnlich erging es einer anderen Hernerin. Bei ihr sollte der monatliche Abschlag für die Gaslieferung von 115 auf 317 Euro steigen. Als sie angerufen und nachgefragt habe, habe man ihr gesagt, man könne den Abschlag nicht ändern. Ihr Hinweis, dass die Firma den Vertrag einhalten müsse, sei ignoriert worden. Stattdessen habe der Anbieter den Vertrag gekündigt.

Gerstler rät Verbrauchern, Schreiben der Energieversorger genau zu studieren. Immer wieder seien Preiserhöhungen in Nebensätzen versteckt. Auch sollte man seine Kontoauszüge im Blick behalten, um versteckte Preiserhöhungen schnell zu entdecken.

Doch es gehe noch dreister. Ein Anbieter habe in einem Schreiben mitgeteilt, dass die Versorgung ab einem bestimmten Datum eingestellt werde. Begründung? Keine! Silke Gerstler betont, dass niemand Angst haben müsse, ohne Strom- oder Gasversorgung dazustehen. Zunächst wechsele man automatisch in die Grundversorgung des örtlichen Versorgers. Dann habe man drei Monate Zeit, um sich einen neuen Anbieter zu suchen.

>>> WEITERE TIPPS

■ Die Verbraucherzentrale NRW hat auf ihrer Internetseite unter https://www.verbraucherzentrale.nrw/wissen/energie/preise-tarife-anbieterwechsel/strom-und-gas-unzulaessige-anbietermethoden-66544 zahlreiche Erläuterungen und Tipps zusammengestellt.

■ Auch die Verbraucherzentrale Herne gibt Auskunft. Kontakt per Mail: herne.umwelt@verbraucherzentrale.nrw