Herne. Das Emschertal Berufskolleg hat ein interreligiöses Projekt organisiert. So sollen durch Aufklärung Vorurteile abgeschafft werden.
Einen Tag vor dem internationalen Tag gegen Faschismus und Antisemitismus hat das Emschertal Berufskolleg am Dienstag einen interreligiösen Dialog im hauseigenen Theaterraum organisiert. Für das Gespräch wurden Michael Rosenkranz, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen und Imam Tuncay Nazik, von der islamischen Gemeinde Herne-Röhlinghausen, eingeladen. Pfarrer Jens-Christian Nehme, Projektleiterin und Theologin Barbara Mikus-Boddenberg und Martin Miller vom Berufskolleg, standen für die christlichen Kirchen für Schülerinnen und Schüler aus zwei Klassen Rede und Antwort.
Ziel der Veranstaltung sei es, Informationen und religiöse Grundkenntnisse zu bekommen. „Denn nur dadurch können wir Menschen, die einer anderen Religion angehören, verstehen. Wir wollen einen Denkprozess in Gang setzen und durch das Gespräch herausfinden, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es gibt“, so Projektleiterin Barbara Mikus-Boddenberg. Zusammen mit Martin Miller moderierte sie die Diskussion.
1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Vor den Herbstferien haben die Schülerinnen und Schüler Leitfragen herausgearbeitet und sich Gedanken dazu gemacht, was sie eigentlich herausfinden möchten. Beyza stellte gleich zu Beginn eine große Frage: „Wie gehen Jüdinnen und Juden heute mit der Geschichte aus dem Dritten Reich um?“ Dazu Michael Rosenkranz: „Wir haben diese Geschichte alle in unseren Familien und wissen, was passiert ist. Ich bin selbst Sohn eines KZ-Überlebenden. Dennoch wehren wir uns, auf den Holocaust reduziert zu werden.“
Und weiter: „Unsere Geschichte - hier in Deutschland - ist fast 2000 Jahre alt. Wir haben viel zu der Kultur und Geschichte in diesem Land beigetragen und das sollte nicht vergessen werden.“ Häufig sei dies die erste Frage, wenn ein Mensch das erste Mal einer Jüdin oder einem Juden begegne. Das wecke den Anschein, dass das Judentum sofort mit dem Holocaust in Verbindung gebracht werde und das sei einfach nicht richtig. „Wir wünschen uns sehr, dass unser Beitrag zur Geschichte auch gesehen und nicht vergessen wird.“
Vorurteile im Dialog aus dem Weg schaffen
Die Fragerunde gestaltete sich vielfältig: Es ging um Geschlechtsverkehr vor der Ehe, wie Hochzeiten gefeiert werden und um die Rolle der Frau. Die Frage rund um die Menstruation interessierte das Publikum besonders. Ein falsches Vorurteil mit langer Tradition, dass die Repräsentanten richtigstellen konnten. Irrtümlicherweise werde angenommen, dass die Frau während ihrer Menstruation als unrein gelte. In beiden Religionen wird dies so jedoch nicht behauptet.
Ein Schüler wollte herausfinden, was einen guten Muslim ausmache. Und ein weiterer wollte wissen, warum im Islam fünfmal Mal am Tag gebetet wird und im Christentum und Judentum dreimal. Es kam auch die Frage auf, wie Gottes Name im Judentum laute und die Zuhörerinnen und Zuhörer waren verblüfft, als Rosenkranz erklärte, dass dieser eine Name so heilig sei und deshalb nie laut ausgesprochen werden dürfe. „Das dient dem Zweck, dass der Name nicht aus Versehen beschädigt werden kann.“
Theologin Mikus-Boddenberg und Pfarrer Nehme haben in der Diskussion immer wieder die christliche Perspektive aufgezeigt, so dass deutlich wurde, dass es durchaus viele Gemeinsamkeiten gibt.
>>>WEITERE INFORMATIONEN: 321 – 2021
• Im Rahmen eines bundesweiten Themenjahres werden auch in Herne mehrere Veranstaltungen und Ausstellungen dem Thema „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gewidmet.
• Im Jahr 2021 leben Jüdinnen und Juden nachweislich seit 1700 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands: Ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin von 321 erwähnt die Kölner jüdische Gemeinde. Es gilt als ältester Beleg jüdischen Lebens in Europa nördlich der Alpen.