Herne. Die Stimmungslage im Herner Handwerk hat sich deutlich gebessert. Doch es bleiben mehrere Probleme, sagt der Kreishandwerksmeister.

Die Stimmungslage im Handwerk habe sich deutlich verbessert. Das hat die Handwerkskammer Dortmund, zu der Herne zählt, nach ihrer aktuellen Konjunkturumfrage mitgeteilt. Über 90 Prozent der Betriebe, die an der Umfrage teilgenommen hätten, schätzten ihre Geschäftslage als gut oder zufriedenstellend ein und rechneten im kommenden halben Jahr trotz der Unsicherheit durch die Infektionslage mit einer positiven Entwicklung. Doch Hans-Joachim Drath, Kreishandwerksmeister auch für Herne, nennt im Gespräch mit der Herner WAZ Probleme, die nach wie vor bestehen.

Das beginnt bei dem Thema, das auch die Handwerkskammer als Wermutstropfen bei der Umfrage nennt: Materialmangel. Der werde immer stärker, so Drath. Das kennt er als Geschäftsführer eines Dachdecker-Unternehmens aus leidiger eigener Erfahrung. Tondachziegel seien in diesem Jahr quasi nicht mehr zu bekommen. Der Grund: Den Produzenten machten die gestiegenen Energiekosten so zu schaffen, dass sie den Brennofen lieber kalt lassen.

Kurzarbeit, weil das Material fehlt

Als Unternehmer und Kreishandwerksmeister hat Drath eine gute Übersicht über zahlreiche andere Gewerke. Der Mangel ziehe sich durch fast alle Bereiche: Stahl sei kaum noch zu bekommen, bestimmte Kunststoffteile auch nicht mehr. Dafür gebe es mehrere Gründe: Einerseits seien im Zuge von Corona Kapazitäten heruntergefahren worden, andererseits fehlten bei manchen Dingen die Grundstoffe zur Produktion. Die Auswirkung beschränke sich nicht nur darauf, dass Kunden längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssten, es gebe mittlerweile Betriebe, die Kurzarbeit angemeldet hätten, weil ihnen das Material fehle, um Aufträge abzuwickeln.

Kreishandwerksmeister Hans-Joachim Drath hat in seinem Betrieb zum ersten Mal seit 27 Jahren keinen Auszubildenden.
Kreishandwerksmeister Hans-Joachim Drath hat in seinem Betrieb zum ersten Mal seit 27 Jahren keinen Auszubildenden. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Das strahlt indirekt auch auf einen anderen Bereich ab: den Nachwuchs. Wie soll man einem Auszubildenden etwas beibringen, wenn das Material dazu fehlt? Wenn man überhaupt einen Auszubildenden bekommen habe, so Drath. Sein eigener Betrieb habe zum ersten Mal seit 27 Jahren keinen Lehrling. Das sei eine Nachwirkung der Coronakrise. Wegen der Kontaktbeschränkungen seien zum Beispiel die Praktika ausgefallen, bei denen Betriebe erste Kontakte zu möglichen Auszubildenden knüpfen können. Hinzu komme, dass viele junge Menschen nicht ausbildungsfähig seien - eine seit Jahren bekannte Klage, nicht nur im Handwerk.

Aber auch mit dem Nachwuchs, der bereits ausgelernt habe, gebe es Probleme - weil es Konkurrenz gebe. Viele Gesellen seien in die Industrie abgewandert, weil sie hofften, dort bessere Bedingungen zu finden. Aber auch Feuerwehren entwickelten sich zunehmend zur Konkurrenz, dort seien Handwerker gesucht.

Energiewende kann zur Chance werden

Als Hauptproblem nennt Drath aber einen alten Bekannten: Das Image. Der Trend gehe nach wie vor stark Richtung Abitur und Studium, das Handwerk werde in der Bevölkerung nicht als Motor der Wirtschaft wahrgenommen. Noch immer gebe es die Vorstellung, dass Handwerk schwere körperliche Arbeit bedeute, doch das sei in Teilen längst überholt. Viele Tätigkeiten seien inzwischen technisiert worden. Drath macht - gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels - auf die guten Zukunftsperspektiven aufmerksam: „Ein gut ausgebildeter Handwerker wird in seinem Arbeitsleben nicht mehr arbeitslos.“

Ein anderes Thema sieht Drath eher als Chance, denn als Problem: die Energiewende. Natürlich würden hohe Spritpreise die Betriebe belasten, doch es gebe eben auch Chancen. Wenn beispielsweise die Photovoltaik stärker gefördert werde oder gar Pflicht werde, könnte das zu einem Auftragsplus führen, ebenso wie energetische Sanierungen. Eine Sonderumfrage der Handwerkskammer zeigt, dass die Betriebe das Thema Energiewende und Nachhaltigkeit bereits im Blick haben.

>>> WEITERE ERGEBNISSE DER UMFRAGE

■ Bei allen Konjunkturindikatoren gab es Zuwächse. 39 Prozent der Betriebe haben mehr Aufträge bekommen, bei 30 Prozent der Unternehmen wuchs der Gesamtumsatz. Die Auftragsreichweite liegt gewerkeübergreifend bei 8,5 Wochen.

■ 62 Prozent der Handwerksunternehmen arbeiten mit einem Auslastungsgrad von mindestens 90 Prozent, die Zahl der Beschäftigten ist stabil, mit einem leichten Trend zu Mehreinstellungen.