Herne. Die Beschwerden über Verkehrsprobleme rund um den Herner Campus in Börnig werden lauter. Das sind die Vorwürfe, das planen die Verantwortlichen.
Anwohnerinnen und Anwohner des Pflege- und Ausbildungscampus der St. Elisabeth-Gruppe in Börnig beklagen die katastrophalen Verkehrsverhältnisse in ihrem Viertel. Die Gruppen-Geschäftsführung kündigt derweil an, dass der geplante zusätzliche Parkplatz bereits bis Ende März 2022 in Betrieb gehen soll. Eine von der Bezirksvertretung Sodingen angeregte Parkraumbewirtschaftung wird es dagegen vorerst nicht geben.
Ein Betroffener: Das ist die reine Hölle
„Das ist die reine Hölle hier“, klagt Lothar Schmidt bei einem Ortstermin mit der WAZ an der Ringstraße/Widumer Straße, an dem rund 20 Anwohner teilnehmen. Ab etwa 7 Uhr morgens sorge der Park-Such-Verkehr der Auszubildenden für Chaos, am Nachmittag sei das Bild ähnlich chaotisch. „Es ist nicht mehr zum Aushalten. Wenn sich das nicht ändert, kann man nur noch wegziehen“, sagt Schmidt.
In umliegenden Straßen sei die Lage nicht besser, kritisieren mehrere Bürger. Neben langen Rückstaus und zugeparkten Straßen sorgt auch das Verhalten einiger Pflegeschüler für Empörung. Beschwerden über frühmorgens aus Autos dröhnende Musik und Hupkonzerte „zur Begrüßung“ bringen sie vor, über Abfall auf den Gehwegen und sogar über persönliche Beleidigungen. „Mach das Fenster zu und halt die Fresse, Alte“ – das habe ihr ein Schüler gesagt, als sie aus ihrer Wohnung im Erdgeschoss ums Leiserdrehen der Musik im Auto gebeten habe, berichtet Brigitte Cramer.
Die große Parkplatznot rund ums ehemalige Marienhospital II wird nach Einschätzung der St. Elisabeth-Gruppe bald ein Ende haben. Alle Verträge für den neuen Parkplatz an der Hännes-Adamik-Straße seien unterschrieben, erklärt Geschäftsführer Theo Freitag auf Anfrage der WAZ. Spätestens bis zur Eröffnung des neuen Campus-Gebäudes Ende März 2022 soll diese Fläche für rund 120 Stellplätze hergerichtet sein. Ein externer Berater habe errechnet, dass die Park-Kapazitäten dann ausreichen würden.
Gruppe spricht von 2000 Ausbildungsplätzen
„Der Campus wird darauf ausgelegt, dass dort 2000 Auszubildende unterrichtet werden“, so Freitag. Diese würde aber nicht alle zeitgleich in Börnig Theorie büffeln, sondern zu 50 Prozent im Praxiseinsatz in anderen Einrichtungen der Gruppe oder bei Kooperationspartnern sein. Zur Erinnerung: Im September 2016 plante der Träger noch mit deutlich weniger als 1000 Ausbildungsplätzen; schon damals warnten Anwohner vor einem Verkehrschaos.
Auch die Stadt ist zuversichtlich, dass der auf einer Brache an der Hännes-Adamik-Straße zu errichtende Parkplatz viele Probleme lösen wird. Von dort soll ein neuer Weg angelegt werden, der vorbei am Sportplatz des SV Sodingen und über eine neue Querung für die Sodinger Straße bis hin zum Campus führt. Rund 400 Meter müssten Auszubildende zurücklegen.
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Ob dieses Angebot trotz der Entfernung angenommen wird? Bezirksbürgermeister Mathias Grunert und die Bezirksvertretung Sodingen sind da offenbar skeptisch. Im Februar 2021 haben die Politiker die Verwaltung deshalb beauftragt, zusätzlich ein erstes Konzept für eine Parkraumbewirtschaftung rund um den Campus zu entwickeln.
Stadt rechnet mit einer Entspannung
Dieses Konzept wird es jedoch - zumindest vorerst - nicht geben. Die Stadt gehe davon aus, dass durch das zusätzliche Stellplatzangebot eine Entspannung der Situation eintreten werde, sagt Peter Sternemann vom Fachbereich Tiefbau und Verkehr zur WAZ. Ein Gutachten mache erst Sinn, wenn der neue Parkplatz geöffnet und alle Ausbildungsbereiche der Elisabeth-Gruppe an den Start gegangen seien, sprich: wenn es eine gewisse „Eingewöhnung“ gegeben habe. Dann werde alles auf den Prüfstand gestellt. Eines stehe aber schon jetzt fest: „Wir werden nicht alle Probleme rund um eine solche Einrichtung lösen können“, so Sternemann. Das liege auch an einem Mobilitätsverhalten, bei dem noch immer das Auto im Fokus stehe.
Der Stadt seien die konkreten Beschwerden von Anwohnern bekannt. Aus fachlicher Sicht kämen Kommunaler Ordnungsdienst (KOD), Verkehrsbehörde und Polizei aber zu anderen Bewertungen. Für einen Standort dieser Art seien die zu bestimmten Zeiten auftretenden Auswirkungen vertretbar. „Man muss das relativieren“, sagt Jürgen Klein Altstedde vom Fachbereich Tiefbau und Verkehr. Von Betroffenen würden Dinge bisweilen anders gesehen, als sie sich in der Realität darstellten. Der KOD sei häufiger vor Ort und achte auf die Einhaltung von Verkehrsregeln.
Stichwort Müll: Die Elisabeth-Gruppe erklärt, dass die Auszubildenden Dienstanweisungen erhalten hätten. Darin werde ihnen vorgeschrieben, dass der Müll in die dafür vorgesehenen Abfalleimer zu entsorgen sei. „Die Auszubildenden sind darüber informiert, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, wenn sie sich nicht daran halten“, so Geschäftsführer Freitag. Zusätzliche Abfallbehälter will die Stadt nicht aufstellen. Begründung: Das Fehlverhalten würde sich dadurch nicht ändern.
Zurück zu den Anwohnern: Gerd E. Schug - er wohnt auf der Ringstraße - freut sich zunächst mal über die „gute Nachricht“, dass der neue Parkplatz schon im März zur Verfügung stehen soll. Die Maßnahme zeige, dass den Verantwortlichen die grundsätzliche Problematik durchaus bewusst sei. Doch auch diese Botschaft sendet der Bürger im Gespräch mit der WAZ aus: „Sollte es trotzdem zu keiner wesentlichen Veränderung der Situation kommen, werden die betroffenen Anwohnern wieder zur Stelle sein. Versprochen!“