Herne. Lernen zu Hause statt in der Schule: Wie hat sich das besondere Corona-Schuljahr auf die Endnoten ausgewirkt? Herner Schulleiter ziehen Bilanz.

Es ist die Woche der Wahrheit: Wenn vor Beginn der Sommerferien die Schülerinnen und Schüler in Herne ihre Zeugnisse erhalten, wird schwarz auf weiß eine Bilanz unter ein Schuljahr gesetzt, das es in der Form in Deutschland noch nie gegeben hat. Die Schüler erhalten eine Note für das Erlernte, dass sie sich viel mehr als sonst vor allem selbst beibringen mussten – sofern die Eltern nicht helfen konnten. Aber wie haben sich diese besonderen Bedingungen nun wirklich auf die Noten ausgewirkt?

„Insgesamt ist das Noten-Niveau stabil geblieben“, sagt Lothar Heistermann, Schulleiter der Hans-Tilkowski-Hauptschule. „Es war erstaunlich, dass einige Schüler vom Distanzunterricht sogar profitiert haben“, freut und wundert er sich zugleich. Vor allem Schüler, die sonst stiller und schüchterner sind, habe das Lernen zu Hause offenbar sogar gut getan. Es gebe aber genauso Schülerinnen und Schüler, die ihre Stärke eher im Klassenverband ausspielen könnten. Generell habe der Bereich Fleiß eine größere Rolle gespielt.

Herne: Etwa gleiche Zahl an Sitzenbleibern

Lothar Heistermann, Schulleiter der Hans-Tilkowski-Schule, freut sich, dass sich manche Schüler im Distanzunterricht sogar verbessert haben.
Lothar Heistermann, Schulleiter der Hans-Tilkowski-Schule, freut sich, dass sich manche Schüler im Distanzunterricht sogar verbessert haben. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Insgesamt gebe es bei den Noten „vielleicht eine leichte Tendenz nach unten“, aber es halte sich in etwa die Waage, so Heistermann weiter. „Es gibt jedenfalls nicht nur Verlierer.“ Die Zahl der Sitzenbleiber pendele sich an seiner Schule weitestgehend auf dem Niveau der Vorjahre ein, so Heistermann. Es würden aber fast alle Schüler, auch die mit Defiziten, in dem ihnen bekannten Klassenverbund ins neue Schuljahr genommen und dort im kommenden Jahr gefördert. Dieses Konzept verfolge die Schule aus pädagogischen Gründen aber unabhängig von Corona schon seit einigen Jahren, so der Schulleiter der letzten in Herne verbliebenen Hauptschule.

Über die Fairness von Noten könne jedes Jahr diskutiert werden. Im Corona-Jahr bestünde sie vor allem auch darin, dass alle Schüler gleich behandelt würden und frühzeitig die Kriterien für die Notenvergabe feststanden. „Dass eine Note aus dem Distanzunterricht nicht genauso ist, wie im Präsenzunterricht, ist aber auch klar.“ Im Zweifel sei aber immer für den Schüler gewertet worden, was bei den Ausgangsbedingungen auch nur richtig sei.

Fülle an Nachprüfungen erwartet

„Die Kollegen sind schon sehr wohlwollend vorgegangen“, sagt auch Schulleiter Stefan Lindemann. So habe die Pandemie nicht zu mehr Sitzenbleibern an der Realschule an der Burg geführt. Etwa 25 Schülerinnen und Schüler würden nicht versetzt – ein Schnitt wie in den Vorjahren. Das könnte sich - rein theoretisch - aber noch ändern, da es „eine Fülle an Nachprüfungen geben werde“, so seine Prognose. Denn in diesem Jahr dürfen sich Schüler auch in mehreren Fächern freiwillig nachprüfen lassen. „Das ist ein Wahnsinn, was da auf uns zukommt“, so Lindemann.

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„Durch Corona haben sich deutlichere Notenbilder aufgezeigt“, sagt der Sprecher der Herner Realschulen. „Bei Schülern, die vorher schon Defizite hatten, hat es sich durch Corona noch verstärkt. Schüler, die vorher knapp versetzt wurden, werden jetzt deutlich nicht versetzt.“ Es liege dann nicht nur an ein oder zwei Fächern, sondern an einem breiten Spektrum. Teilweise ließen sich Schüler in fünf oder sechs Fächern nachprüfen in der Hoffnung, die Versetzung doch noch zu schaffen.

Manche Schüler konnten sich sogar verbessern

Nach einem anstrengenden Schuljahr zeigt sich Sylke Reimann-Pérez, Schulleiterin der Gesamtschule Mont-Cenis, zufrieden mit den Leistungsendständen der meisten Schülerinnen und Schülern. „Bei manchen Kindern haben sie sich sogar verbessert“, hat auch sie beobachtet. Auch der Trend, dass Schüler, die auch im Präsenzunterricht schon große Probleme hatten, im Distanzunterricht völlig abgetaucht sind und von der Note 5 auf 6 gerutscht sind, bestätigt sie.

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Insgesamt sei der Notendurchschnitt aber etwa wie in den Vorjahren und es gebe auch nicht mehr Sitzenbleiber, so Reimann-Pérez. Jedoch müsse auch berücksichtigt werden, dass zwei Klassenarbeiten weniger geschrieben worden seien und die genauen Defizite sich wohl erst in den kommenden Jahren zeigten.

Ein komplett verlorenes Schuljahr sei es nicht gewesen, sagt Lothar Heistermann. „Aber noch ein weiteres solches Jahr brauchen wir definitiv nicht.“ Für seine Schüler sei es auf jeden Fall das bessere Modell, wieder in der Schule zu sein. Und damit spricht er wohl für alle Schulleiter, Schüler und Eltern.

>>>WIE ES WEITERGEHT

Am Freitag, 2. Juli, ist der letzte Schultag vor den Sommerferien. Das neue Schuljahr beginnt am Mittwoch, 18. August. Nur die Einschulungen sind noch einen Tag später. Einschulungsfeiern dürfen stattfinden.

• NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer hat bereits angekündigt, dass es zum Schulstart innerhalb der Schulgebäude zunächst weiterhin eine Maskenpflicht geben solle. Nach etwa eineinhalb Wochen wolle sie Bilanz ziehen, ob die Masken fallen können.

• Schüler sollen weiterhin zweimal die Woche getestet werden. Der Unterricht soll nach der Stundentafel im vollen Umfang in allen Fächern stattfinden. Klassenfahrten und Schüleraustausche sollen wieder stattfinden können, so die Pläne Gebauers.