Herne. Händlerin Nehle Rieter-Gies hat ihre Kleidung während des Lockdowns auf Instagram präsentiert. Doch nur von Likes kann die Hernerin nicht leben.

Kleine Tresen in der Ladentür, nummerierte Kleider im Schaufenster oder Bücher, die in einer Tüte vor die Tür gestellt werden – lange Monate schränkte der Lockdown den Handel ein. Eine Herner Boutique-Besitzerin erzählt, wie sie diese Zeit überbrückte und warum sie zuversichtlich für die Zukunft ist.

Für Nehle Reiter-Gies bedeuten die jüngsten weitgehenden Lockerungen ein Aufatmen. Die Kunden kämen gerne wieder und hätten Spaß, Hosen, T-Shirts oder Jacken selbst anzuprobieren. „Wir sind zufrieden, so wie es ist.“

Das war im vergangenen Jahr, als der erste Shutdown zu einer Schließung der Geschäfte führte, naturgemäß ganz anders. Reiter-Gies und ihr Bruder, mit dem sie eine weitere Boutique in Castrop-Rauxel betreibt, fragten sich: „Wie erreichen wir nun unsere Kundschaft?“ Und kamen auf die Idee, ihre Mode in den sozialen Netzwerken anzupreisen. Um Kunden anzulocken, veröffentlichen sie seitdem Bilder von Hosen, Kleidern oder sogar ganzen Outfits auf Facebook und Instagram. Doch von „Click and Collect“ allein könnten die Einzelhändler längst nicht leben, sagt Nehle Reiter-Gies im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.

Händlerin aus Herne: „Ich sitze nicht den ganzen Tag auf der Couch“

Die 46-Jährige hat seit Beginn des zweiten harten Lockdowns im Dezember jeden Tag gearbeitet, ist nahezu jeden Tag im Geschäft. „Wenn ich das erzähle, kriege ich erst einmal komische Blicke.“ Doch neben alle den anderen Dingen, die sie als Geschäftsführerin zu erledigen habe, sei auch ein Instagram- oder Facebook-Kanal „ein riesiger Aufwand“. Reiter-Gies: „Ich sitze nicht, wie viele denken, den ganzen Tag auf der Couch.“

Nehle Reiter-Gies, Mitinhaberin von Reiter Fashion in Herne, postet Bilder ihrer Kleidungsstücke auf Instagram.
Nehle Reiter-Gies, Mitinhaberin von Reiter Fashion in Herne, postet Bilder ihrer Kleidungsstücke auf Instagram. © Privat

So müssten die Outfits für die Fotos zusammengestellt werden, idealerweise zeige sie selbst oder eine ihrer Mitarbeiterinnen die Kleidung. „So kann man sich viel besser vorstellen, wie zum Beispiel eine Hose sitzt.“ Anschließend müssten die Bilder bearbeitet, hochgeladen und mit einer kurzen Beschreibung versehen werden. „Manchmal schreibe ich die Preise dazu, manchmal nicht“, so Reiter-Gies.

Damit nicht genug: Auch Fragen, die unter den Fashion-Posts auftauchen, wollen beantwortet werden. So möchten die Kundinnen zum Beispiel wissen, ob es das T-Shirt oder die Hose auch in anderen Farben gibt. „Oft kommen die Farben auf den Bildern auch gar nicht richtig rüber“, erklärt die Inhaberin von Reiter Fashion. Auch deshalb sei der Verkauf ihrer Ware über Instagram oder Facebook nur eine Übergangslösung. Doch auch nach dem Ende des Lockdowns stellt Reiter-Gies weiter Fotos ein.

„Das konnte keine Dauerlösung sein“, sagt die Geschäftsfrau. „Nur von den Likes habe ich nichts.“ Wenn Usern die Outfits gefielen, sei das zwar ein Kompliment für ihren guten Geschmack, die Miete für die Filiale an der Bahnhofstraße oder das Gehalt für ihre Mitarbeiterinnen könne die 46-Jährige damit aber nicht bezahlen. Und: „Unsere Kleidung ist nicht einzigartig“, sagt Nehle Reiter-Gies. Jeder könne die Teile oder ganze Outfits einfach woanders online bestellen. Einen eigenen Online-Shop möchten die Geschwister nicht aufbauen. „Gegen die Großen kommt man sowieso nicht an.“

Einzelhändlerin Nehle Reiter-Gies postet regelmäßig Bilder auf ihrem Instagram-Account.
Einzelhändlerin Nehle Reiter-Gies postet regelmäßig Bilder auf ihrem Instagram-Account. © Privat

Händlerin aus Herne: „Auf diese Art und Weise können wir nicht überleben“

Zwar komme „der ein oder andere Kunde“ auch wegen der auf Instagram gezeigten Kleidungsstücke, die allermeisten Klamotten habe sie im Lockdown jedoch an ihre Stammkunden verkauft. Ihnen habe sie auch mal ein Tüte vor die Haustür gestellt – vorausgesetzt, sie wohnen im Herner Stadtgebiet oder auf dem Heimweg in Richtung Dortmund. Und: „Wenn ich ein Teil sehe, das einer meiner Kundinnen gefallen könnte, schicke ich ihnen ein Bild per Whatsapp.“

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Warum die Einzelhändlerin ihren Laden lange Zeit geschlossen halten musste, während Kunden die Discounter und Drogeriemärkte stürmten, versteht sie nicht. Ein Belüftungssystem, Umkleidekabinen an beiden Enden des Geschäfts und eine begrenzte Anzahl an Kunden hielten das Infektionsrisiko gering – ohne, dass das Einkaufserlebnis auf der Strecke bleibe.

Es sei vor allem das persönliche Gespräch, das der Händlerin so gefehlt habe. „Wir wollen unsere Ware präsentieren, die Kunden beraten“, sagt die 46-Jährige. Allerdings führe sie die Präsentation auf Facebook und Instagram fort, wenn auch nicht in dem Maß wie im Lockdown.

Insgesamt schaut Nehle Reiter-Gies mit Zuversicht in die Zukunft. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Neuen Höfe gegenüber wieder mit Leben - und somit mit potenziellen Kunden - gefüllt haben und am wiederbelebten Robert-Brauner-Platz.

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■ Nicht nur Facebook und Instagram, sondern auch das Schaufenster-Shopping sei in der Corona-Pandemie eine Alternative zum Einkaufen im Geschäft, sagt Einzelhändlerin Nehle Reiter-Gies. So seien die Innenstädte auch während eines Lockdowns nicht leer gefegt. Es lohne sich durchaus, neue Teile ins Schaufenster zu hängen.

■ Gerade Hosen kauften viele Menschen aber nicht, ohne zwei oder drei Modelle anprobiert zu haben. Oberteile und Jacken dagegen habe die Inhaberin von Reiter Fashion in den vergangenen Monaten häufiger an der Ladentür verkauft.