Herne. Dem Herner Hans-Jürgen Baranowski fehlten 50 Cent für das Straßenbahnticket. Doch er konnte einsteigen, weil der Bahn-Fahrer hilfsbereit war.

Man hört in diesen Tagen oft, dass die Gesellschaft durch die Pandemie abstumpfe, der Ton werde rauer. Doch es gibt auch die schönen Geschichten, die glücklich machen, so wie diese hier: „In dieser Art und Weise ist mir noch nie geholfen worden – noch dazu von einem Fremden“, sagt der Herner Hans-Jürgen Baranowski überwältigt.

Im ersten Moment klingt der Grund dafür unerheblich, denn es geht nur um 50 Cent. „Aber die Hilfsbereitschaft, die dahinter steckt, die ist viel mehr wert“, erklärt der Rentner.

Fahrgast hatte nur einen 50-Euro-Schein

Der Reihe nach: Am 14. Mai wollte der Rentner in Unna ein Moped abholen. „Weil ich damit wieder zurück nach Wanne-Eickel fahren wollte, musste ich ausnahmsweise mal die Bahn nutzen.“ Also stieg er in die Linie 306 in Richtung Wanne-Eickel Hauptbahnhof und wollte beim Fahrer ein Ticket kaufen: Sechs Euro kostete das. Der ehemalige Pharmareferent griff tief in die Taschen, zählte jedoch nur 5,54 Euro.

„Ich hatte zwar noch einen 50-Euro-Schein dabei, aber mir fiel ein, dass große Scheine gar nicht angenommen werden müssen.“ Diese Regelung sei nachvollziehbar, da das Personal sonst Unmengen an Wechselgeld vorhalten müsste. Baranowski entschuldigte sich und erklärte dem Fahrer Jürgen Schröer sein Dilemma. „Ich rechnete fest damit, die Straßenbahn verlassen zu müssen“, so Baranowski.

Der Herner Hans-Jürgen Baranowski mit dem Ticket, das er nur lösen konnte, weil der Bogestra-Fahrer ihm 50 Cent schenkte.
Der Herner Hans-Jürgen Baranowski mit dem Ticket, das er nur lösen konnte, weil der Bogestra-Fahrer ihm 50 Cent schenkte. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Konsequenz: Geld wechseln, nächste Bahn nehmen, Zug verpassen. „Das wäre natürlich ärgerlich gewesen, auch wenn ich nur auf mich selbst hätte böse sein können, denn es war einzig und allein mein Fehler.“ Doch der Fahrer habe völlig unerwartet reagiert: „Er nahm meine 5,50 Euro und gab ungefragt die fehlenden 50 Cent von sich aus dazu, er sagte, die könne ich ihm ja irgendwann wiedergeben, wenn man sich noch mal sieht.“

Doch das sei mehr als unwahrscheinlich: „Schon allein, weil ich sonst praktisch nur mit dem Auto unterwegs bin.“ Die Hilfsbereitschaft des Bahnfahrers sei ihm aber nicht mehr aus dem Kopf gegangen, deshalb habe er die Bogestra angeschrieben. Die organisierte ein Treffen zwischen den Männern, am 20. Mai am Hauptbahnhof Wanne-Eickel. Baranowski bezahlte als erstes die ausgelegten 50 Cent-„Ehrenschulden“, obendrauf legt er zehn Euro Trinkgeld. „Damit soll Herr Schröer mit seiner Frau etwas trinken gehen“, wünscht sich Baranowski.

Die zehn Euro Trinkgeld wandern in die Personal-Kaffeekasse der Bogestra

Aber der nimmt es erst nach weiteren Überlegungen an, und auch nicht für sich selbst: „Ich stecke es in unsere Personal-Kaffeekasse, auch wenn ich selbst keinen Kaffee trinke.“ Von der Bogestra wünscht sich Baranowski für die Hilfsbereitschaft eine Ehrung für Schröer, „vielleicht als Mitarbeiter des Monats?“ Doch so eine Einrichtung gebe es aktuell nicht, sagt Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann. „Aber dass sich ein Kunde mit so einem Lob zurückmeldet, macht uns alle glücklich und wird natürlich auch vom Vorgesetzten gesehen und bei Entscheidungen bezüglich der Karriereleiter berücksichtigt.“

Doch sein Platz sei in der Bahn, entgegnet Schröer. „Bahnfahren, mit den Kunden sprechen und auch ein Späßchen zu machen. Das ist mein Ding.“ Über das Lob freue er sich aber, sei aber auch sehr überrascht: „So etwas kommt bei mir drei, viermal im Jahr vor, und ich bin seit 34 Jahren als Bahnfahrer dabei, aber bei meinem Arbeitgeber hat sich bisher noch keiner gemeldet.“

>> PERSONAL MUSS SCHEINE NUR BIS ZEHN EURO ANNEHMEN

■ Das Personal muss Geldscheine nur bis zu zehn Euro annehmen, das ist NRW-weit in den Beförderungsbedingungen geregelt. Man kann zwar auch mit einem größeren Geldschein bezahlen, erhält dann das Wechselgeld aber im Kunden-Center in Bochum, Gelsenkirchen, Hattingen oder Witten. www.bogestra.de/ueber-uns/kundencenter.html

■ Tickets im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr sowie NRW-Tickets sind auch bargeldlos über die Bogestra-App „Mutti“ (Mobil-unterwegs-Tickets-Tarife-Information) erhältlich – zahlbar mit Paypal, Amazon Pay, Lastschrift, Kreditkarte oder registrierungsfrei über die Handyrechnung. www.keine-ist-wie-mutti.de/

■ Einmal im Jahr werden Kundenbefragungen im Nahverkehr durchgeführt, auch bezüglich der Freundlichkeit des Personals. Hierbei erreichten die Kooperationspartner HCR und Bogestra zuletzt durchgängig gute bis sehr gute Noten, sagt Sprecher Christoph Kollmann. Kunden-Feedback sei auch via Email willkommen: dialog@bogestra.de