Herne. Christoph Biele führt eine Fortbildung durch, die das mibeg-Institut und der Physiotherapeutenverbund bene+ gemeinsam entwickelt haben.

Die Gesundheitsbranche zählt in Herne zu den größten Arbeitgebern und besteht dementsprechend aus zahlreichen Facetten. Eine der ungewöhnlichen besetzt Physiotherapeut Christoph Biele. Er bietet eine Fortbildung, die er gemeinsam mit dem Kölner mibeg-Institut in Herne durchführt.

Biele, der an sechs Standorten in Herne und in Recklinghausen unter seinem Namen beteiligt ist, bildet ausländische Physiotherapeuten fort, damit sie in Deutschland ihre staatliche Anerkennung erhalten und hier arbeiten können. So trägt er ein wenig dazu bei, den auch in diesem Bereich gravierenden Fachkräftemangel zumindest abzumildern.

Ausländische Physiotherapeuten verheddern sich oft im deutschen Paragrafen-Dickicht

Den Impuls, sich überhaupt mit dieser Thematik zu beschäftigen, habe eine eigene Erfahrung gegeben, erzählt Biele: Vor rund zehn Jahren habe sich ein junger Libanese bei ihm beworben, der in Rom studiert hatte. Biele hätte ihn gerne als Physiotherapeut in sein Team geholt, doch das sei nicht möglich gewesen - wegen der fehlenden staatlichen Anerkennung. Biele: „Wir haben ihm damals mit viel Mühen zur Anerkennung verholfen, so entstanden auch erste Kontakte zur Landesregierung.“ Der Libanese arbeite noch heute im Unternehmen.

In anderen Ländern sei die Physiotherapie ein Studienfach, erläutert Christoph Biele, der mit seinem Team eine Weiterbildung des mibeg-Instituts und des Physiotherapeutenverbunds bene+ zur Vorbereitung auf die berufliche Anerkennung in Deutschland durchführt.
In anderen Ländern sei die Physiotherapie ein Studienfach, erläutert Christoph Biele, der mit seinem Team eine Weiterbildung des mibeg-Instituts und des Physiotherapeutenverbunds bene+ zur Vorbereitung auf die berufliche Anerkennung in Deutschland durchführt. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Die staatliche Anerkennung zu erhalten, scheint im Dickicht von Paragrafen und Bestimmungen alles andere als leicht, gerade für jene ausländischen Kräfte, die sich mit dem deutschen Gesundheitssystem und seinen zahlreichen und zerklüfteten Zuständigkeiten nicht auskennen. In anderen Ländern sei die Physiotherapie ein Studienfach, „doch der Bachelorabschluss wird hier nicht anerkannt“, so Biele im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Das hat Folgen: Allein in NRW gebe es rund 1500 „Physios“, die nicht nach deutschen Maßstäben anerkannt seien und deshalb deutlich unter ihren Möglichkeiten arbeiteten. Manche würden putzen - andere gar illegal in irgendwelchen Praxen oder Krankenhäusern arbeiten.

mibeg-Institut und bene+ haben den Lehrplan gemeinsam entwickelt und mit dem Landesprüfungsamt abgestimmt

Physiotherapeuten aus dem Ausland haben per Gesetz die Möglichkeit, einen Anpassungslehrgang zu machen, der mit einem Fachgespräch abschließt. Sie können auch direkt eine Kenntnisprüfung absolvieren. Er selbst habe diese Kenntnisprüfungen abgenommen und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die meisten Kandidaten nicht in der Lage seien, in Deutschland als Physiotherapeut zu arbeiten, auch wenn diese in der Heimat studiert haben. Was nicht heiße, dass sie schlechter seien. Ein Grund sei vielmehr, dass sich die Patienten und deren Krankheitsbilder deutlich von jenen in Deutschland unterschieden. Man denke zum Beispiel an Verletzungen in Kriegsgebieten.

Biele begann, sich ein Bild zu machen, was den ausländischen Kandidaten fehlt, um ins deutsche System zu kommen. Ergebnis: Er führt nun gemeinsam mit dem mibeg-Institut Medizin das Praxisseminar Physiotherapie durch. Das Konzept wurde durch die Bezirksregierung Düsseldorf und das Landesprüfungsamt beraten und genehmigt. Dazu muss man wissen, dass Biele nach einigen Zusatzausbildungen 2010 den Bachelortitel erlangt hat und dann noch den Master draufgesetzt hat.

Alle Teilnehmer haben ihre Prüfungen bestanden und sind in Praxen übernommen worden

Inzwischen ist der dritte Weiterbildungslehrgang gestartet - die Teilnehmer kommen aus einer Vielzahl von Ländern: Tunesien, Kanada, fast alle Balkanstaaten, Brasilien, Chile, Litauen oder Syrien. Sie kommen aus ganz NRW nach Herne, um im extra eingerichteten Fortbildungsinstitut an der Berliner Straße in Wanne über drei Monate Vollzeitunterricht zu nehmen. Danach müssen sie unter Anleitung in Praxen an Patienten arbeiten. Biele vermittelt den Teilnehmern an deren Wohnorten Kooperationspraxen. Zum Abschluss des Anpassungslehrgangs steht ebenfalls eine Prüfung.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Alle Kandidaten hätten ihre staatliche Anerkennung erhalten. „Die Praxen haben bisher alle Kandidaten, die wir ihnen vermittelt haben, übernommen“, so Biele. Er selbst habe bislang zehn Teilnehmer eingestellt.

>>> STELLEN BLEIBEN LANGE UNBESETZT

■ Wie stark der Fachkräftemangel bei den Physio- und Ergotherapeuten ist, darauf hatte die Branche Ende 2018 in einer konzertierten Aktion aufmerksam gemacht.

■ Freie Stellen könnten erst nach rund 300 Tagen besetzt werden, sagte damals Björn Pfadenhauer, Geschäftsführer des Bundesverbandes selbstständiger Physiotherapeuten, im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.

■ Als einen Grund nannten Pfadenhauer und Christoph Biele seinerzeit die vergleichsweise geringe Entlohnung.