Herne. Auf dem früheren Sportplatz an der Schaeferstraße entstehen 22 Eigenheime in Bestlage. Passanten bedauern den Verlust von 37 Bäumen.
Kurz vor Weihnachten war es soweit: Am Rande des Stadtgartens in Herne fielen 37 Bäume. Nicht überraschend, denn dass die Herner Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) an der Schaeferstraße auf dem ehemaligen Sportplatz "Hippenwiese" ein exklusives Wohngebiet mit 22 Eigenheimen plant, ist lange bekannt. Nach einer Modifizierung des ursprünglichen Entwurfs, verbunden mit der Rettung einiger Bäume, nun also der angekündigte Projektstart. Für viele Spaziergänger trotzdem ein Schock.
Spaziergänger: "Jeder Baum ist wertvoll"
"Geht gar nicht", ist der Kommentar von Jürgen und Martina Rindfleisch aus Börnig, die mit ihrem Enkelsohn im Kinderwagen unterwegs sind. "Jeder Baum ist wertvoll. Wir sind total entsetzt". Das sehe man bei der Stadt wohl anders: Zur Geburt des Kleinen habe man einen "Taufbaum" pflanzen wollen, was die Stadt abgelehnt habe. Herne sei zu eng besiedelt. Nun stehe der Baum in Marl.
Bei zwei Schwestern aus dem Viertel weckt der verschwundene Sportplatz Erinnerungen an ihre Kindheit. "Unser Vater hat hier Fußball gespielt." sagen Heike Neumann und Elke Przybylski. Den Kindern sei nun die letzte Möglichkeit zum Bolzen genommen worden. Dass an der Schaeferstraße und am Hölkeskampring so viel "weggeholzt" worden ist, stimme sie traurig. Die entstehenden Eigenheime könne sich Otto Normalverbraucher sowieso nicht erlauben.
Rodungen auch am Ostbachtal
Das kritisieren auch zwei Freundinnen mit Hund: Die Grundstücke würden "höchstbietend verhökert", weil die Wohnlage am Stadtgarten optimal sei. "Dafür müssen Bäume weichen", bedauern sie, "sehr schade". Die beiden sind überhaupt nicht mit der Rodung einverstanden, zumal auch wenige hundert Meter weiter am Ostbachtal viele Bäume gefällt wurden. "Ich war irritiert", sagt auch eine weitere Hundebesitzerin. Die angekündigten Ersatzpflanzungen der Eigenheimbesitzer könnten den Verlust des alten Baumbestands nicht ausgleichen. Richtig sauer wird ein anderer Spaziergänger. "Eine Frechheit" nennt er das Bauprojekt und erinnert an den Herner Slogan "Mit Grün. Mit Wasser. Mittendrin."
Erschüttert zeigt sich auch Wilfried Kohs, parteiloser Bezirksverordneter in Herne-Mitte. Er spricht von einem "Verbrechen an der Natur." Baumfällungen am Neumarkt und am Europaplatz, jetzt am Stadtgarten und demnächst in Baukau am Lackmannshof: "Man kann nur immer wieder darauf hinweisen, dass es so nicht weiter gehen kann", sagt Kohs. Die Grünen, denen Kohs damals noch angehörte, allerdings als Bezirksvertreter in Wanne, hatten gegen das Bauvorhaben gestimmt.
Alle Grundstücke sind vergeben
Die SEG meldet unterdessen, dass für alle 22 Grundstücke im Zuge eines Bieterverfahrens Gebote eingegangen seien. Das Mindestgebot lag bei 450 Euro pro Quadratmeter erschlossenes Wohnbauland. "Die Unterzeichnung der Kaufverträge wird zeitnah stattfinden", sagt Achim Wixforth, Geschäftsführer der SEG. Im ersten Quartal des Jahres steht der Rückbau des Sportplatzes an, nachdem die Baumfällungen nach Plan verlaufen seien. Erste Bauaktivitäten auf dem 1,5 Hektar großen Gelände sollen laut früheren Meldungen im Herbst 2021 starten.
30 Bäume seien stehen geblieben, so Wixforth: eine Baumgruppe im Nord-Westen, eine Baumgruppe im Süd-Westen und den Baumstreifen entlang der östlichen Grundstücksgrenze Richtung Stadtgarten. Reaktionen von Anwohnern - 2019 hatte sich die BI Hippenwiese gegründet - habe es in jüngster Zeit nicht mehr gegeben.
Als einziger der zufällig befragten Passanten ist Michael Nolte mit dem Bauprojekt einverstanden. Die nicht gerade reiche Stadt Herne müsse zusehen, "dass sie über die Runden kommt", meint er. Für den früheren Fußballplatz sei gegenüber ein neuer entstanden. Und bei der Planung sei die Stadt den Bürgern entgegen gekommen.
> Die Bezirksvertretung Herne-Mitte hatte Ende April 2020 mit den Stimmen von SPD, CDU und AfD für den überarbeiteten Entwurf gestimmt.
> Grüne und vereinzelte Vertreter von Rot-Schwarz hatten Zweifel an der Fällung der Bäume geäußert. Auch die Linke stimmte dagegen.
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