Herne. Das Land hat die Präsenzpflicht in Schulen ab Montag aufgehoben. Diese kurzfristige Entscheidung hat in Herne große Verärgerung ausgelöst.
Nun also doch: Nachdem NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer in den vergangenen Wochen eisern am Präsenzunterricht festgehalten hatte, entschied die Landesregierung, die Präsenzpflicht in den Schulen ab Montag aufzuheben. Die WAZ hat Stimmen gesammelt - und die klingen angesichts der Kurzfristigkeit sehr verärgert.
Abseits der eigentlichen Entscheidung hört man bei den Gesprächen mit Beteiligten heraus, dass sie alles andere als erfreut sind, dass die Mail des Ministeriums mit den Regelungen die Schulen erneut an einem Freitag nach Unterrichtsschluss erreicht hat.
„Da fehlen einem die Worte“, bringt Schulamtsleiter Andreas Merkendorf die Stimmung auf den Punkt. Das Agieren des Landes sei ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Wenn das Ministerium seit August seine Hausaufgaben gemacht und vernünftige Modelle entwickelt hätte, hätte man nicht in dieser brutalen Weise handeln müssen. Alle Versuche, mit guten Ideen im Ministerium durchzudringen seien gescheitert. Die Entscheidung von Freitag sei ein Schlag in den Nacken der Schulen, Eltern und Kinder.
Die Kinder, die kommen, werden betreut
Andrea Christoph-Martini, als Schulamtsdirektorin für die Grundschulen verantwortlich, hat die Schulleitungen gebeten, die Eltern zu informieren, dass die Kinder am Montag in die Schule kommen. Das sei nötig, um Materialien, Aufgaben und Wochenpläne abzuholen. Sie rechnet damit, dass recht viele Schüler trotz der Befreiung von der Präsenzpflicht kommen werden - hier dürfte die Betreuungsfrage eine Rolle spielen. Die Lehrer würden auf jeden Fall präsent sein, um mit jenen Kinder, die kommen, Unterricht durchzuführen. „Wir machen das, was das Land sagt“, sagt sie mit einem leicht bitteren Unterton.
Was die Information des Landes am Freitagmittag ausgelöst hat, schildert Sylke Reimann-Perez, Leiterin der Gesamtschule Mont-Cenis und Sprecherin der Gesamtschulen. Seit die Nachricht bekannt geworden wäre, hätten die Telefone geglüht. Da gar nicht absehbar sei, wie viele Schüler am Montag erscheinen, würden alle Kollegen vor Ort sein. Dazu muss man wissen, dass in der Mail des Ministeriums steht: „In den Jahrgangsstufen 1 bis 7 können Eltern bzw. Erziehungsberechtigte ihre Kinder vom Präsenzunterricht befreien lassen. Um das Verfahren angesichts der Kürze der Zeit zu vereinfachen, zeigen die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten der Schule gegenüber schriftlich an, wenn sie von dieser Befreiung Gebrauch machen wollen.“ Doch am Wochenende ist in der Schule niemand zu erreichen.
Auch deshalb ist Nicole Nowak, Leiterin des Haranni-Gymnasiums und Sprecherin der Herner Gymnasien, äußerst verärgert. „So geht das nicht.“ Die Tragweite dieser Anordnung sei viel größer als beim Lockdown im Frühjahr. Diesmal seien die Regelungen uneinheitlich und ließen viele Fragen offen, etwa mit Blick auf Klausuren.
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Carsten Piechnik, Herner Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fällt ein vernichtendes Urteil. Die Maßnahme sei zwar auf Grund der hohen Coronafallzahlen unabdingbar, und es sei höchste Zeit, dass sie komme. Sie sei aber gleichzeitig mehr als bitter, weil die Maßnahmen im Vorfeld ungeeignet gewesen seien, das schlimmste Szenario, das jetzt drohe, zu verhindern. „Wir haben seit Monaten Vorschläge gemacht, gefleht, gebeten und angeregt. Wir haben sinnvollere Lösungen vorgeschlagen, die jedoch alle abgeschmettert worden sind.“ Es gebe Chaos an den Schulen, weil erneut an einem Freitagnachmittag etwas verkündet worden sei.
Viele Kollegen hätten den Eindruck, dass die Befreiung von der Präsenzpflicht der Versuch der Ministerin sei, politisch ihren Kopf zu retten, nachdem sie noch in den vergangenen Tagen vollmundig verkündet habe, was mit ihr alles nicht zu machen sei.
>> DIE WICHTIGSTEN REGELUNGEN AUF EINEN BLICK
■ In den Jahrgangsstufen 8 bis 13 wird Unterricht grundsätzlich nur als Distanzunterricht erteilt. Für Schülerinnen und Schüler mit einem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung, der eine besondere Betreuung erfordert, muss diese in Absprache mit den Eltern oder Erziehungsberechtigten sichergestellt werden.
■ Die Befreiung vom Präsenzunterricht in den Klassen 1 bis 7 und der obligatorische Distanzunterricht sind nicht mit einem Aussetzen der Schulpflicht gleichzusetzen. Das Lernen und Arbeiten zu Hause, wie es von vielen Schülerinnen und Schülern im Frühjahr erstmals praktiziert wurde und für das es von den Schulen fortgeschriebene Konzepte gibt, gilt auch für diese besondere Woche zwischen dem 14. und dem 18. Dezember.
■ An den beiden Werktagen unmittelbar im Anschluss an das Ende der Weihnachtsferien (7. und 8. Januar 2021) findet kein Unterricht statt. Es gelten die gleichen Regeln wie für die unterrichtsfreien Tage am 21.und 22. Dezember.