Herne. Ein modernes Haus mit Garten ersetzt das in die Jahre gekommene Herner Frauenhaus: Bewohnerinnen und Team sind nach dem Umzug glücklich.

Die Rollos sind halb heruntergelassen. Blicke in das Haus sind unerwünscht. Anonymität ist das A und O eines Frauenhauses, das gilt auch für den Neubau irgendwo im Herner Stadtgebiet, den Mitarbeiterinnen und Bewohnerinnen Mitte September bezogen haben, ohne großes Aufsehen zu erregen. „Für Gardinen hatten wir erstmal kein Geld mehr“, erklärt Beate Kaupen vom Team beim Rundgang durch die drei Etagen. Wer das alte Frauenhaus kannte mit seinen beengten Verhältnissen, weiß: Auch ohne Gardinen und Bilder an den Wänden hat sich hier ein Quantensprung vollzogen.

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Zehn Frauen und sieben Kinder haben nicht nur eine geschützte Bleibe gefunden, sondern ein von der Herner Gesellschaft für Wohnungsbau (HGW) gebautes und modern eingerichtetes Zuhause auf Zeit, fern ihres gewalttätigen Umfeldes. So langsam finden sie sich ein in ihren neuen Alltag. Nur drei Bewohnerinnen und vier Kinder sind mit umgezogen, für alle anderen hatte sich vorher eine andere Lösung ergeben. „Ab dem 1. Oktober haben wir dann neue Frauen aufgenommen“, berichtet Beate Kaupen. „Innerhalb von ein paar Tagen waren alle Zimmer belegt.“

Ein Schlafzimmer im Frauenhaus: Im Etagenbett können Mutter und Kinder auch zusammen schlafen.
Ein Schlafzimmer im Frauenhaus: Im Etagenbett können Mutter und Kinder auch zusammen schlafen. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Gemeinschaftswohnungen auf zwei Etagen

Die Frauen leben hier in Gemeinschaftswohnungen, je zwei Appartements mit schicken Bädern liegen in der ersten und der zweiten Etage, eine Wohnung ist sogar barrierefrei. Die Zimmer, in denen die Frauen mit ihren Kindern schlafen, sind nicht groß, dafür gibt es viel Platz in den Küchen und Wohnräumen. Am großen Küchentisch in der Parterre sitzen gerade zwei Bewohnerinnen, die sich freuen, dass wieder Leben ins Haus kommt.

Sechs neue Mitbewohnerinnen in einer Woche - kein Problem, finden die beiden „alten“ Bewohnerinnen, aus Kenia die eine, die andere aus Belarus. „Die Küche ist super und der Kinderbereich ist viel größer“, freut sich die 43-jährige Afrikanerin, die auch die Ruhe und den Blick ins Grün genießt. Sie hat eine kleine Tochter, 16 Monate alt, mitgebracht. Die „komfortable Küche“ lobt auch ihre Mitbewohnerin aus Belarus (42), Mutter eines Sohnes. „Aber ich vermisse auch das alte Frauenhaus.“

Beate Kaupen, Mitarbeiterin im Frauenhaus, mit einem der künftigen Hochbeete.
Beate Kaupen, Mitarbeiterin im Frauenhaus, mit einem der künftigen Hochbeete. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Große Pläne für den Garten

Ihr Sohn hat gerade seinen zehnten Geburtstag gefeiert, drinnen und draußen. Denn zum Haus gehört auch ein Garten, der allerdings noch im Werden ist. Die Bewohnerinnen und ihre Kinder sollen ihn beackern. Beate Kaupen zeigt die noch leeren Hochbeete, gebaut von der Bewegungswerkstatt Essen. Sie sollen im Frühjahr bepflanzt werden mit Tomaten, Gurken, Kräutern und Gemüse.

Das Frauenhaus hat für gärtnerische Arbeiten eine ehemalige Lehrerin engagiert, die auch noch Sträucher als „Naschhecke“ und Kletterpflanzen zum Sichtschutz pflanzen will. Auch eine Quitte und andere Obstbäume sollen irgendwann mal in dem Garten Früchte tragen. In einer Ecke steht bereits ein Holzpavillon als „Treffpunkt“, auch große Spielgeräte aus Holz sind schon aufgebaut. Ein Sinnesparcours ist ebenfalls noch geplant.

Zahlen und Fakten

Die Herner Gesellschaft für Wohnungsbau (HGW) hat das neue Frauenhaus für knapp zwei Millionen Euro gebaut.

Es ersetzt mit 517 Quadratmeter Wohnfläche das alte, halb so große Frauenhaus, das 1981 eingerichtet wurde.

Der angrenzende Garten ist 270 Quadratmeter groß.

Im Jahr 2019 haben 46 Frauen und 70 Kinder im Frauenhaus Herne gelebt.

46 Prozent wohnten dort zwischen einer Woche und drei Monaten.

Danach bezogen 39 Prozent eine eigene Wohnung.

Mit seinen vielen Räumen von diversen Besprechungszimmern und Büros über Wohnzimmer bis zu den acht Küchen sei das über 500 Quadratmeter große Haus doch sehr anders als das gewohnte, geben Beate Kaupen und ihre Kollegin Olga Kornev zu. „Wir haben uns am Anfang etwas verloren gefühlt. Aber die Frauen haben sich sehr um uns gekümmert.“ Erstaunt sind sie fast, dass alles so gut geklappt hat. „Wir sind mit dem Geld ausgekommen und die Handwerker haben super gearbeitet.“ Nur die Telekommunikation, Internet und Telefon, macht momentan noch ein paar Probleme. Bei einem Besuch von Frauenhaus-Kolleginnen aus anderen Städten sei noch einmal deutlich geworden: „Wir haben ein sehr hochwertiges und großzügiges Gebäude. Darauf kann die Stadt stolz sein.“

Karolina Lengling und Heike Klee (v.l.), Mitarbeiterinnen im Frauenhaus, im großzügigen Spielzimmer mit zwei Kindern von Bewohnerinnen.
Karolina Lengling und Heike Klee (v.l.), Mitarbeiterinnen im Frauenhaus, im großzügigen Spielzimmer mit zwei Kindern von Bewohnerinnen. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Haus soll noch wohnlicher werden

Nach und nach soll nun das neue Domizil noch wohnlicher werden, wenn wieder Geld in der Kasse ist. Allein die Küchen haben 90.000 Euro gekostet. „Wir haben etwa 150.000 Euro investiert“, so Beate Kaupen. 69.000 Euro lagen auf dem Sparkonto, 50.000 kamen von der Fernsehlotterie und 30.000 Euro durch Spenden zusammen. „Es haben wirklich viele Menschen gespendet“, freut sich Kaupen, dass ihr Aufruf Gehör fand. Verbände wie der Arbeitersamariterbund (ASB) und viele Kirchengemeinden, aber auch Einzelspender hätten sich großzügig gezeigt.

Alles andere müsse sich einspielen, sagen die Mitarbeiterin, inhaltlich und konzeptionell. Erst einmal müssen sie nun angesichts der steigenden Coronainfektionen wieder mehr auf die Schutzmaßnahmen schauen, obwohl sie als ein Haushalt gelten. „Wir laufen im Haus jetzt wieder mit Mundschutz herum und achten auf das Händewaschen.“ https://cms.cloud.funkedigital.de/esc-pub-tools/methode/search.jsp?publication=nrw-multiconfig#