Herne. Noch gut sechs Wochen, dann zieht das Herner Frauenhaus um. Team und Bewohnerinnen haben die Corona-Zeit gut überstanden.
Abstand halten, desinfizieren, keine Gruppentreffen, dafür Einzelgespräche beim Spazierengehen. „Wir sind froh, dass wir es coronafrei geschafft haben“, sagt Beate Kaupen, Mitarbeiterin des Herner Frauenhauses, über die Wochen des Lockdowns, der auch das voll besetzte Haus in Herne nicht unberührt ließ.
Auf der einen Seite Stillstand für das Team, mit wenigen Anrufen und Mailkontakten, aber auch für die Bewohnerinnen ging es nicht voran, weil Ämtergänge und Wohnungsbesichtigungen ausfielen. Was sich in den Familien abgespielt hat, die sich für Wochen nicht aus dem Weg gehen konnten, können die Mitarbeiterinnen nur ahnen.
15 Prozent weniger Taten während des Lockdowns
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Zahlen über häusliche Gewalt gibt es nur für den gesamten Bereich des Polizeipräsidiums Bochum, also für Herne, Bochum und Witten. „Für den Zeitraum vom 9. März bis 24. Juni haben wir gut 15 Prozent weniger angezeigte Taten als im vergangenen Jahr“, erklärt Polizeihauptkommissar Volker Schütte. Erfasst werde damit häusliche Gewalt gegen Frauen wie gegen Kinder oder Männer. Ob weniger Taten bekannt wurden, weil die Frauen zu Hause stärker unter Kontrolle waren und niemand die Kinder in der Schule oder der Kita zu Gesicht bekam, verraten die Zahlen nicht.
Festgestellt haben Beate Kaupen und ihre Kollegin Olga Kornev: Mit den Lockerungen stieg die Nachfrage nach Plätzen deutlich an, was vermuten lässt, dass viele sich während des Lockdowns nicht melden konnten. „Vor einigen Wochen sind zwei Zimmer frei geworden“, berichten die Frauenhausmitarbeiterinnen. „Da hatten wir innerhalb von zwei Stunden um die 40 Anrufe.“ Freie Plätze werden von den Frauenhäusern online auf einem gemeinsamen Portal gemeldet. Seitdem seien vermehrt wieder Plätze und Beratungen angefragt worden.
Studie aus München zu Gewalt in der Corona-Zeit
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Über das Ausmaß familiärer Gewalt an Frauen und Kindern während der Covid-19-bedingten Ausgangsbeschränkungen gibt erstmals auch eine Studie von Wissenschaftlerinnen u.a. der TU München Auskunft. Demnach erlebten 3,1 Prozent der online befragten Frauen in dieser Zeit körperliche Gewalt. In 4,6 Prozent der Fälle habe der Partner die Kontakte der Frauen reguliert. Wenn die Familie in Quarantäne war, stieg das Gewaltrisiko für die Frauen auf 7,5 Prozent, wenn es finanziell eng wurde, sogar auf 8,4 Prozent. „Einen eklatanten Anstieg wie in Spanien oder Italien haben wir hier nicht“, so Beate Kaupens Fazit. In diesen Ländern sei von plus 30 Prozent die Rede gewesen.
Neubau liegt in der Zeit
15 Frauen und Kinder leben momentan im Frauenhaus, und die meisten von ihnen werden wohl dabei sein, wenn der Umzug in das neue Haus ansteht. Die Herner Gesellschaft für Wohnungsbau (HGW) zieht in Wanne-Eickel einen Neubau hoch, mit doppelt soviel Platz und mehr Komfort für Frauen und Kinder. „Wir hoffen auf eine Schlüsselübergabe Ende August“, sagt Beate Kaupen. Bisher sei man trotz Corona in der Zeit. Das Haus sei gestrichen und die Wände seien tapeziert, Fenster, Elektrik und Fliesen eingebaut. Wie der Garten angelegt werden soll, wollen Mitarbeiterinnen und Bewohnerinnen überlegen, wenn sie eingezogen sind. Wenn möglich, soll eine Gartentherapeutin eingestellt werden.
Minijob für Gartenarbeit
Für die Neugestaltung des Gartengrundstücks und die Garten-Arbeit mit Frauen und Kindern im Frauenhaus sucht der Verein eine „tatkräftige, naturverbundene Frau möglichst mit fundierten Kenntnissen“ auf Minijob-Basis. Beginn: 1. September 2020. Kontakt 02325 49875 oder Frauenhaus-Herne@t-online.de
Spendenkonto Frauenhaus Herne e.V.: Herner Sparkasse IBAN: DE70 4325 0030 0045 0097 84, BIC: WELADED1HRN.
Weitere Informationen unter www.frauenhaus-herne.de
Doch erst einmal muss das neue Haus mit seinen 500 Quadratmetern eingerichtet werden. Das Team ist gerade dabei, neues Mobiliar auszusuchen, das zumindest teilweise das alte ersetzen soll. Die eine oder andere Finanzspritze ist dabei willkommen, denn: „Auch die Spenden sind weniger geworden“.