Herne. Das Frauenhaus zieht im nächsten Sommer um. Dann verdoppelt sich nicht nur die Wohnfläche: Die Bewohnerinnen kümmern sich auch um einen Garten.

Noch ein knappes Jahr, dann beginnt für das Herner Frauenhaus eine neue Ära. Nach fast vier Jahrzehnten am gleichen Ort zieht es voraussichtlich im Sommer 2020 um. „Größer, sicherer, barrierefrei“ werde das neue Domizil, freut sich Beate Kaupen vom Frauenhaus-Team. Und grün: Denn ergänzend zu den ursprünglichen Planungen bekommt das Haus nun auch einen Garten.

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Gebaut wird das Frauenhaus von der Herner Gesellschaft für Wohnungsbau (HGW). Zeitlich laufe alles nach Plan, erklärt deren Geschäftsführer Thomas Bruns auf Anfrage. In der Gartenidee trafen sich die Interessen von HGW und Frauenhaus. Der Garten entsteht auf einem angrenzenden Grundstück der Wohnungsbaugesellschaft, das ursprünglich veräußert werden sollte. „Aber uns hat das gestört, das Grundstück aus wirtschaftlichen Gründen verkaufen zu müssen“, sagt Thomas Bruns. Zumal das Frauenhaus-Team von diesem Plan nicht begeistert war: Zu nah, befürchtete man, rücke man damit an die Nachbarschaft heran. Nun soll die Fläche an den Förderverein des Frauenhauses verpachtet werden, was HGW wie Frauenhaus zufriedenstellt.

270 Quadratmeter-Grundstück für den Garten

Ein Modell des Gartens mit Hochbeeten und Spielgeräten.
Ein Modell des Gartens mit Hochbeeten und Spielgeräten. © OH

Das Gebäude wird ein Stück zur Seite versetzt und macht so Platz für etwa 270 Quadratmeter Garten. Hier sollen die oft traumatisierten Bewohnerinnen „gemeinsam die Natur erleben und die Sinne stärken“, wie es in einem frisch gedruckten Flyer heißt. In Hochbeeten können sie Gemüse und Kräuter anbauen, angeleitet von Gartenexpertinnen, vielleicht sogar Gartentherapeutinnen, sagt Beate Kaupen. „Das ist eine gelungene Ergänzung. Ich glaube, die Frauen werden das lieben.“

Für einige sei Gartenarbeit auch eine Verknüpfung mit der Vergangenheit. Gerade zugewanderte Bewohnerinnen hätten oft in ihren Heimatländern gegärtnert. Auch Beerensträucher und Bäume könnten in dem Garten gedeihen. „Das ist ein einmaliges Projekt, es gibt kein Frauenhaus, das so etwas hat.“ Die Wanne-Eickeler Fotografin Brigitte Kraemer betreut das Gartenprojekt. Sie hat das Frauenhaus und seine wechselnden Bewohnerinnen über die Jahre immer wieder mit der Kamera begleitet.

Bewegungsspielzeug für die Kinder

Förderkreis des Frauenhauses freut sich über Unterstützung

Der Förderkreis „Ein Garten für das Frauenhaus“ sucht noch Unterstützer.

Interessierte können sich per Einzugsermächtigung zu einem jährlichen Beitrag verpflichten - vorgeschlagen werden 100 Euro - oder einen selbst gewählten Beitrag spenden.

Konto: Verein zur Förderung des Frauenhauses, Herner Sparkasse. IBAN: DE70 432500300045009784. BIC: WELADED1HRN. Stichwort: Frauenhausgarten.

Kontakt WAN 49875

Neben den Pflanzen soll Bewegungsspielzeug in dem Frauenhausgarten einen Platz finden. Beate Kaupen: „Wir arbeiten mit der Bewegungswerkstatt Essen zusammen. Die konstruieren besondere Spielmöbel.“ Auch an eine Kreativhütte, einen Sandkasten mit Matschküche, einen Teamplatz und vieles mehr ist gedacht.

Zur Straße und zur Nachbarschaft hin schirmt ein Zaun und ein Sichtschutz das Frauenhaus ab. Dessen Adresse wird aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht. Sicher sollen sich die Bewohnerinnen auch durch eine Kamera am Eingang und Gegensprechanlagen mit Bildschirm auf den Etagen fühlen.

Beate Kaupen aus dem Frauenhaus-Team mit einem Modell des neuen Frauenhauses beim „symbolischen Spatenstich“ im Rathaus.
Beate Kaupen aus dem Frauenhaus-Team mit einem Modell des neuen Frauenhauses beim „symbolischen Spatenstich“ im Rathaus. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Den Frauen stehen demnächst 517 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Vier Wohnungen werden eingerichtet, eine davon barrierefrei für maximal zwei Personen. Nach barrierefreiem Wohnraum gebe es eine große Nachfrage, sagt Beate Kaupen. Für dieses Apartment versucht das Frauenhaus eine Förderung über die Aktion Mensch zu bekommen.

Die anderen drei Wohnungen haben jeweils mehrere Zimmer, dazu gehört eine Küche und ein Bad. Frauen und Kinder werden hier in Wohngemeinschaften leben. Ein Gemeinschaftsraum ist für alle Bewohnerinnen des Hauses gedacht. Kinderbereich, Seminarraum und Büros ergänzen das Raumprogramm.

Platz für zwei Frauen mehr

Aktuelle Zahlen zum Frauenhaus

Im Jahr 2018 haben 46 Frauen und 39 Kinder im Frauenhaus Herne gelebt.

78 Prozent der Frauen sind vor einem gewalttätigen Partner geflohen. 20 Prozent vor Eltern, Kindern oder Verwandten. Eine Frau war von Zwangsheirat bedroht.

85 Prozent der Frauen waren zwischen 18 und 40 Jahre alt, 15 Prozent älter als 40. Drei Viertel der Kinder waren unter fünf Jahre alt.

Die Hälfte der Frauen wohnte bis zu drei Monaten im Frauenhaus, ein Viertel länger, ein Viertel unter einer Woche.

Bis Mitte 2019 haben 2778 Frauen und 3076 Kinder Zuflucht erhalten.

Doppelt so viel Wohnfläche wie heute: Allein darauf freut sich das Frauenhaus-Team. „Wir werden zwei Plätze mehr für Frauen haben“, sagt Beate Kaupen. Insgesamt können dann zehn Frauen und zehn Kinder untergebracht werden. Was für die Bewohnerinnen wichtig sei: „Sie können sich stärker zurückziehen.“ Nicht alle teilten sich gerne mit acht anderen Frauen die Küche. „Das wird sich etwas entspannen.“