Herne. Anwohner in Herne sind wütend: Der Verkehr nehme immer mehr zu, es werde gerast. Nachts könnten sie kaum noch schlafen. Sie wollen Hilfe.
Anwohner der Von-Waldthausen-Straße in Herne gehen auf die Barrikaden. Der Lärm durch Lastwagen, aber auch durch Autos und Busse vor der eigenen Haustür sei unerträglich geworden, klagen sie. Sie fordern Hilfe von der Stadt.
Die Von-Waldthausen-Straße sei zwischen Landwehrbach und A 42 schon immer eine kleine Rennstrecke gewesen, berichtet Anwohnerin Brigitte Fern. Dass dort seit zwei, drei Jahren Tempo 30 gilt, habe die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil: Der Verkehr nehme stetig zu, gerast werde weiter. Es sei vor allem der Verkehr zum und vom Gewerbegebiet Friedrich der Große, der die Menschen langsam in den Wahnsinn treibe.
Herne: Gewerbegebiet wird über zwei Straßen angefahren
Das Gewerbegebiet Friedrich der Große wird in der Regel über zwei Straßen angefahren: die Sodinger Straße oder die Von-Waldthausen-Straße. Offenbar, sagt Fern, führen immer mehr Menschen über die Von-Waldthausen-Straße – auch wenn sie die A 42 nutzen, obwohl die Anschlussstelle Horsthausen weiter weg sei als die in Börnig. Vielleicht, mutmaßt sie, liege das am noch verhältnismäßig neuen Blitzer auf der Sodinger Straße, den die Verkehrsteilnehmer meiden.
Wie auch immer: Der Verkehr sei so schlimm geworden, dass es oft nicht mehr zum Aushalten sei. Fahrzeuge hielten sich nicht ans Tempo 30 und rasten durch die Straße, klagt die 57-Jährige. Am schlimmsten sei es, wenn Lkw-Fahrer die Containerverriegelung nicht fest machten: Es scheppere dann laut, wenn die Lastwagen durch die Löcher in der Fahrbahn führen. Dieser Krach, stellt sie klar, gehe weit über Mitternacht hinaus: „Obwohl ich mittlerweile nachts Ohrenstöpsel trage, erschrecke ich mich jedes Mal, und mein Herz rast wie verrückt.“
Anwohner: Es ist so, als wäre auf der Straße eine Bombe eingeschlagen
Nach der Zeche kam das Gewerbegebiet
Die Zeche Friedrich der Große in Horsthausen – im Volksmund Piepenfritz – wurde 1978 stillgelegt. Auf weiten Teilen des Zechengeländes wurde anschließend ein Gewerbegebiet angelegt. Großer Vorteil des Areals ist die Anbindung an die A 42 über die Anschlussstellen Börnig und Horsthausen.
Deshalb siedelten sich dort große Logistik-Firmen an, darunter Dachser Lebensmittellogistik, UPS Paketdienst oder Phönix Arzneimittelvertrieb, außerdem Industriebetriebe, Handwerker und Dienstleister.
Ähnliches berichten ihre Nachbarn. „Schrecklich“ nennt Hans-Jürgen Burk (71) das Leben an der Straße. Seit 35 Jahren wohne er dort, aber so schlimm wie jetzt sei es noch nie gewesen. Er habe sein Schlafzimmer deswegen nun nach hinten verlegt, genutzt habe das aber wenig: „Regelmäßig gehe ich im Bett senkrecht hoch, es ist so, als wäre auf der Straße eine Bombe eingeschlagen“, erzählt er. Die Lkw zum Gewerbegebiet seien am schlimmsten, aber auch Pkw, Linienbusse oder städtische Fahrzeuge hielten sich nicht ans vorgegebene Tempo. Der 71-Jährige sagt: „Wer das mal erleben will, dem stelle ich eine Woche mein Schlafzimmer zur Verfügung.“ Auch die Stadt, die sich nicht kümmere, könne den Krach so mal testen.
Christiane Rath muss nach vorne raus schlafen. Von der Straße her knalle es ununterbrochen, die Häuser rappelten, berichtet sie. Ein Schlafzimmerfenster aufmachen, etwa im heißen Sommer, „das ist gar nicht möglich“, so die 50-Jährige. Gleiches Bild bei Manuela Schneiders: „Es scheppert dermaßen, da fällt man aus dem Bett, so die 53-Jährige.
Stadt Herne kann Besserung „nicht in Aussicht stellen“
Was tun? Die Stadt müsse zumindest dafür sorgen, dass sich die Fahrer an die vorgeschriebene Geschwindigkeit halten, fordern die Nachbarn. Heißt: Es soll mehr geblitzt werden – „und zwar auch mal rund um die Uhr“, fordert etwa Schneiders. Und: Ist es möglich, den Verkehr verstärkt auf die Sodinger Straße zu verlagern? Auch diese Frage wird laut. Einen Brief ans Ordnungsamt, klagt Brigitte Fern, habe die Verwaltung erst gar nicht beantwortet.
Dass die Beschwerde von Brigitte Fern noch nicht beantwortet worden sei, bedauere die Stadt sehr, sagt Stadtsprecherin Anja Gladisch auf Anfrage der WAZ. Die Verwaltung wolle nun aber mit der Anwohnerin sprechen. Allein: Eine Besserung der geschilderten Situation könne die Stadt den Anwohnern nicht in Aussicht stellen. Das Gewerbegebiet sei lediglich von der Von-Waldthausen-Straße oder der Sodinger Straße anzufahren, und beide Straßen führten zur A 42 mit besagten zwei Anschlussstellen. „Welche Anschlussstelle letztendlich von den jeweiligen Fahrern gewählt wird, kann seitens der Stadt nicht reglementiert werden“, so Gladisch.
Im Übrigen sei es häufig so, dass die Geschwindigkeiten fahrender Fahrzeuge, besonders von Lkw, überschätzt würden, wenn man sie nur höre: „Aufgrund ihrer Lautstärke erscheinen sie einem schneller, als sie tatsächlich fahren.“ Der städtische Fachbereich Öffentliche Ordnung habe auf der Straße mehrere Messstellen zu unterschiedlichen Uhrzeiten eingerichtet. „Es können dort bisher keine nennenswerten Geschwindigkeitsüberschreitungen festgestellt werden“, bilanziert die Stadtsprecherin. Für ein generelles Durchfahrtsverbot für Lkw gebe es weder eine rechtliche noch eine sachliche Begründung, fügt sie an.
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