Herne. Vor drei Jahren ist er aus Syrien nach Herne geflüchtet, heute studiert Fadi Gris in Bochum Maschinenbau. Deutsch lernte er in zehn Monaten.

Im Gespräch mit Fadi Gris vergisst man schnell, dass man sich mit einem Flüchtling unterhält, der vor gerade einmal drei Jahren nach Deutschland geflohen ist. Deutsch beherrscht der 20-jährige Syrer fast perfekt, bei genauem Hinhören kommt bereits ein Ruhrpott-Dialekt durch. „Nur das mit dem Konjunktiv ist noch etwas kompliziert“, sagt er.

Deutsch hat er im Schnelldurchlauf gelernt – innerhalb von zehn Monaten hatte er die Grundlagen verstanden. Das allerdings an einer privaten Sprachschule in Dortmund, „an der VHS wäre ich wahrscheinlich auch nicht so schnell gewesen“.

Vater lebte bereits zwei Jahre in Deutschland

Doch von vorne: Fadi Gris kommt 2017 mit seiner Mutter und seinem Bruder Joseph nach Herne. Sein Vater Hana Gris wohnt zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren in Deutschland, nun darf er endlich seine Familie nachholen. Die zwei Jahre, in denen der Vater nicht in Syrien lebte, seien schlimm gewesen, sagt Fadi. Nicht nur, dass dieser Tausende Kilometer von ihnen getrennt war, auch das Leben in Syrien sei für den damals 17-Jährigen eine Tortur gewesen. Kontakt hält die Familie zu der Zeit über Skype, abends trinken die Eltern häufig über den Bildschirm gemeinsam ein Glas Wein.

Als sei es vollkommen normal, erzählt Fadi, wie regelmäßig Bomben in Nachbarhäuser einschlugen. „Das kann man sich hier in Deutschland gar nicht vorstellen.“ Auch rausgehen, Freunde treffen und seine Freizeit genießen? So etwas habe er in Syrien nie erlebt, „auf Feiern hätte man Angst haben müssen, dass jemand aus dem Nichts eine Waffe zieht und in die Luft schießt.“

Wechsel von der TU Dortmund an die RUB

Masken aus Dankbarkeit gespendet

Gemeinsam mit seiner Familie, die als asylberechtigt anerkannt ist, lebt Fadi Gris in Wanne-Eickel. Da sein Vater Hana Gris als Händler tätig ist, hatte dieser vor einigen Wochen die Möglichkeit, an OP-Masken aus China zu gelangen. 8000 von diesen Masken spendete er aus Dankbarkeit der Stadt Herne. Gemeinsam mit Fadi überreichte er die Masken im Mai an Oberbürgermeister Frank Dudda.

„Dass sich die Familie Gris in kurzer Zeit so gut integrieren konnte und sich gut in Herne aufgenommen fühlt, ist ein starkes Signal einer funktionierenden Gesellschaft“, so Dudda bei der Übergabe.

Sein Leben damals habe lediglich aus Lernen bestanden, sagt Fadi. Denn ein Abitur sei in Syrien nicht nur wichtig, sondern auch besonders schwierig gewesen. Doch Fadi besteht sein Abi und schafft es damit, sich in Deutschland für einen Studiengang zu bewerben, denn der Abschluss aus Syrien wird auch hier anerkannt.

Also beginnt er, an der TU in Dortmund Maschinenbau zu studieren. Das muss er allerdings nach einigen Monaten abbrechen. „Ich habe gemerkt, dass es doch noch ein bisschen zu kompliziert war.“ Die Zeit sei für ihn hart gewesen. Neben der neuen Sprache und einem komplizierten Studium findet er keine Freunde. Also wechselt er zu Ruhr-Universität in Bochum und studiert dort weiter. Dort klappt es zunächst besser: Das Studium läuft, und er findet endlich Anschluss zu anderen Syrern. Kontakte zu Deutschen zu knüpfen, falle ihm hingegen noch immer schwer. „Und das, obwohl ich die Sprache ja mittlerweile beherrsche.“

Zurück nach Syrien will Fadi Gris nicht

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Doch auch an der Ruhr-Universität zeigen sich die Tücken des Studiums und die Schwierigkeiten der deutschen Sprache. Aufgeben will er trotzdem nicht. Zurzeit lernt er weiter, denn er hat einen neuen Plan: An der Fachhochschule Georg Agricola in Bochum das Studium beenden. Was er danach machen will, weiß er noch nicht sicher. Etwas mit erneuerbaren Energien fände er spannend. „Ich will jetzt aber erstmal mein Studium hinter mich bringen“, sagt er und lacht. „Und dann schaue ich, was danach kommt.“

Eines weiß er allerdings ganz genau: Zurück nach Syrien will er nicht. „Ich habe hier ein besseres Leben als dort“, sagt Fadi. Trotzdem hoffe er, für seine Freunde in Syrien, dass die Situation sich bald beruhigen und „das Leben dort wieder schön wird“.

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