Herne. Das KAZ hat eine neue Chefin, aber ein altes Ziel: eigene Räume in Herne-Mitte. Was der Verein plant und wie er schon bald Corona trotzen will.
Wenn jemand ein neues Amt übernimmt, räumt man ihm oder ihr in der Regel eine 100-Tage-Frist ein, bevor eine erste Bilanz gezogen wird. Bei der Hernerin Sandra Grande könnten sich diese 100 Tage um sechs Monate, ein Jahr oder sogar noch mehr verlängern. Die 35-Jährige ist kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie und des damit verbundenen Stillstands zur Vorsitzenden des Kulturell-Alternativen Zentrums (KAZ) gewählt worden. An ihren Ideen und Zielen kann man sie allerdings schon jetzt messen. Und vielleicht findet ja sogar schon bald wieder eine KAZ-Veranstaltung statt …
Knapper Sieg in der Kampfabstimmung
Mit der Wahl von Sandra „Rio“ Grande endete nicht weniger als eine Ära: Ihr Vorgänger Kai Nordemann ist Gründungsvorsitzender des 2007 ins Leben gerufenen Zusammenschlusses kulturschaffender und -interessierter Menschen, der vor allem die alternative (Jugend-)Kultur fördern will. In einer Kampfabstimmung um den Vorsitz ging er Anfang des Jahres knapp als Verlierer hervor, gehört aber weiterhin zum harten Kern des derzeit rund 70 Mitglieder zählenden Vereins.
Neue Vorsitzende, neue Schwerpunkte? Das bejaht Grande, die auch schon mal als (ehrenamtliche) KAZ-Geschäftsführerin aktiv war, im Gespräch mit der WAZ. Die Dominanz der Konzertveranstaltungen solle aufgebrochen werden: „Wir versuchen, uns ein wenig umzuorientieren“, sagt die Projektassistentin eines großes Unternehmens aus dem Ruhrgebiet.
Ein festes Domizil in Herne-Mitte bleibt das Ziel
So sei ein Podcast in Vorbereitung, in dem unter anderem gleichgesinnte Organisationen aus dem linken Spektrum wie zum Beispiel das in Wanne-Eickel gegründete Queere Jugendforum zu Wort kommen sollen. Auch Lesungen und Poetry Slams sowie Veranstaltungen oder Workshop-Reihen zu politischen und gesellschaftlichen Themen sollen eine größere Rolle spielen. An einem seit 13 Jahren - bisher ohne Erfolg verfolgten Ziel will Sandra Grande dagegen festhalten: Das KAZ sucht Räume in Herne-Mitte, um endlich eine feste Anlaufstelle einrichten zu können.
Akne Kid Joe und die Palmöllüge
Das Programm fürs 12. KAZ Open Air soll wegen Corona ein wenig abgespeckt werden. Sechs Bands sollen am 12. September auf der Bühne am Skatepark Hibernia auftreten.
Headliner soll die deutsche Punk-Band Akne Kid Joe sein. Die Gruppe aus Nürnberg hat jüngst mit ihrem Album „Die große Palmöllüge“ und Songs „What AfD Thinks We Do“ oder „Sarah (Frau., auch in ner Band)“ in der Szene für Aufsehen gesorgt. Der Name ist eine Anspielung auf die US-Hardrock-Band „Ugly Kid Joe“. Als zweiter Headliner gebucht: die Metal-Punk-Band Die Dorks („Duschen auf Staatskosten“).
„Es ist nicht so einfach, in Herne etwas zu finden“, sagt der amtierende KAZ-Geschäftsführer Mark Köhler. Häufig seien Hauseigentümer nicht ansprechbar oder sie wollten keine öffentlichen Veranstaltungen in ihren Immobilien. Und auch der finanzielle Spielraum sei nicht unendlich. Das habe beispielsweise dazu geführt, dass der Bunker an der Schulstraße nicht in Frage gekommen sei - die Sicherung des Brandschutzes und die Herstellung eines Notausgangs wären nicht zu bezahlen gewesen.
Weiter im Einsatz gegen Rechts
Optimistisch sind Grande, Nordemann, Köhler & Co. bei einer anderen Großbaustelle: Trotz der Corona-Beschränkungen wollen sie das jährliche KAZ Open-Air am Skatepark Hibernia unbedingt in diesem Jahr durchführen. Auf Samstag, 12. September, ist dieses auch über die Stadtgrenzen hinaus beliebte Sommer-Festival verschoben worden. Damit soll die Durchführung doch noch möglich gemacht werden - wenn auch nur für eine beschränkte Zahl von bis zu 500 Besuchern, die zudem (ausnahmsweise) einen kleinen Obulus entrichten müssten. Sie hofften, dass die Behörden grünes Licht geben, sagt Kai Nordemann, der für die Veranstaltung federführende KAZler.
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Kein ausgesprochenes Ziel, sondern eher eine Selbstverständlichkeit ist für das Kulturell-Alternative Zentrum die Fortsetzung der Beteiligung am „Bündnis Herne“. Bei den Veranstaltungen dieses breiten gesellschaftlichen Zusammenschlusses gegen Rechts und die selbsternannten „besorgten Bürger“ war das KAZ im vergangenen Jahr ein Aktivposten. Auch ohne Anlässe wie rechte Aufmärsche oder AfD-Parteitage wolle man hier Farbe bekennen: „Wir wollen nicht nur reagieren, sondern agieren“, so Sandra Grande.
Und auch diese Botschaft will sie fürs KAZ gerne noch loswerden: „Wer Bock auf Kulturelles hat, ist jederzeit bei uns willkommen.“
Weitere Infos über das KAZ auf www.kaz-herne-de sowie auf Facebook.