Herne. Die Corona-Pandemie zeigt Spuren auf dem Herner Ausbildungsmarkt. Die Zahl der gemeldeten Lehrstellen sank deutlich. Arbeitsagentur appelliert.
Die Corona-Krise wird nicht nur auf dem Arbeits-, sondern auch auf dem Ausbildungsmarkt tiefe Spuren hinterlassen. Die Zahlen der Agentur für Arbeit offenbaren aktuell einen deutlichen Negativtrend. Doch es gibt auch Lichtblicke: Unternehmen, die trotz der Krise Nachwuchs suchen.
Mehr unversorgte Bewerber, weniger unbesetzte Stellen
Zunächst zu den Zahlen: Seit Beginn des Berufsberatungsjahres im Oktober 2019 meldeten sich 1303 Bewerber bei der Agentur - 7,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Zugleich gab es 608 Meldungen für Berufsausbildungsstellen, das entspricht einem Minus von 22,5 Prozent. Ende April waren 786 Bewerber noch unversorgt und 383 Ausbildungsstellen noch unbesetzt. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es mehr unversorgte Bewerber für Berufsausbildungsstellen (plus 2,2 Prozent), die Zahl der unbesetzten Berufsausbildungsstellen war kleiner (minus 21,0 Prozent). Zum offiziellen Abschluss des vergangenen Ausbildungsjahrs am 30. September 2019 hatte es noch deutlich positive Signale gegeben.
In vielen Betrieben hätten die Auswahlgespräche für neue Auszubildende bereits stattgefunden, so Frank Neukirchen-Füsers, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit. Wegen der Corona-Pandemie haderten Arbeitgeber jedoch, Entscheidungen zu fällen und die Jugendlichen zu informieren. Dabei gehe es um die Frage, ob angesichts der neuen Umstände weiter an Ausbildung gedacht wird.
„Der Gedanke ist legitim und nachvollziehbar“, so Frank Neukirchen-Füsers. „Dennoch gilt es dabei zu berücksichtigen, dass es eine Zeit vor Corona gab und sicher auch eine danach.“ Umso wichtiger bleibe die Frage: „Wo wollen wir mit unserem Unternehmen hin?“ Er betont: Es werde eine Zeit nach Corona geben und die dürften die Unternehmen nicht aus den Augen verlieren, erst recht nicht, wenn es um den Nachwuchs gehe. Die jungen Menschen dürften jetzt nicht auf das nächste Ausbildungsjahr vertröstet werden.
IHK: Corona hat die Notwendigkeit zur Ausbildung nicht zerstört
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit dem Stand des Vorjahres zu vergleichen, hält Jörg A. Linden, Sprecher der IHK Mittleres Ruhrgebiet, für absolut nicht aussagekräftig. „In den sechs bis acht Wochen des Shutdowns hat sich auf dem Ausbildungsmarkt nichts bewegt, für die Unternehmen gab es ja dringendere Probleme.“
Doch es stehe auch fest: Corona habe die Notwendigkeit zur Ausbildung nicht zerstört, es werde auch in Zukunft einen Bedarf an Nachwuchs und Fachkräften geben. Linden ist sich sicher, dass jene Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit ausgebildet haben, auch in Zukunft ausbilden werden. Wenn Firmen, die ausgebildet haben, die Krise aber nicht überleben sollten, werde man das in der Bilanz spüren.
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Aus den Unternehmen höre die IHK, dass mit der schrittweisen Rückkehr zur Normalität auch das Thema Ausbildung wieder an Bedeutung gewinne. Personalplanung habe damit zu tun, wie man seine Zukunft sieht. Die Firmen wüssten, dass sie Nachwuchs brauchen.
„Man kann den jungen Menschen nicht die Zukunft nehmen“
Die Herner WAZ hat mit verschiedenen Unternehmen darüber gesprochen, wie sie durch die Zeit des Lockdowns gekommen sind und welche Pläne in Sachen Ausbildung haben.
Besonders hart getroffen hat es Friseurmeister Thomas Fryder. Er musste sein Geschäft in Eickel fünf Wochen lang schließen. Umsatz also gleich Null bei weiterlaufenden Kosten. Er hat seine Mitarbeiterinnen nicht in Kurzarbeit geschickt, sondern weiter den Lohn gezahlt und „negative Überstunden“ aufgebaut. Die würden beim jetzigen Andrang wieder ausgeglichen. „Wir haben alle eine Sechs-Tage-Woche.“ In der Zeit der Schließung sei er allerdings sehr aktiv in Sachen Ausbildung und Fachkraft gewesen, so Fryder. Er suche eine ausgebildete Friseurin und einen Azubi. Nachdem die Resonanz zunächst sehr verhalten gewesen sein, habe er nun einige Bewerbungen.
Gänzlich anders hat Kevin Zoremba die Zeit der Krise erlebt. Sein Unternehmen, das in den Bereichen Sanierung, Elektro und Reinigung aktiv ist, hatte und hat alle Hände voll zu tun. Einer der Gründe: Zu Zorembas Kunden zählen Wohnungsunternehmen, die verschiedene Maßnahmen beauftragt hätten. So ist es kein Wunder, dass Zoremba Nachwuchs sucht: zwei Maler- und zwei Elektriker-Lehrstellen will er noch besetzen. Auf die Noten der Schulabschlüsse schaue er nicht, die Azubis könnten zeigen, was sie können. Übrigens: Die Azubis, die schon im Betrieb sind, hatten während der Schließung der Berufskollegs nicht „schulfrei“. Sie mussten ihren Stoff im Büro des Unternehmens pauken.
Reifen Stiebling ist bislang mit einem blauen Auge durch die Krise gekommen. Firmenchef Christian Stiebling rechnet damit, dass er 15 Prozent seines Umsatzes eingebüßt hat. Doch deshalb auf Ausbildung zu verzichten? Das käme ihm nicht in den Sinn. Sechs Auszubildende will er einstellen - so viele wie in den vergangenen Jahren. Man könne den jungen Menschen nicht die Zukunft nehmen, nur weil das Virus da ist. Ein minimales Problem sieht Stiebling: Es hätten keine Praktika mit Kandidaten stattfinden können, um zu sehen, ob man wirklich zueinander passt.
Pieper Profilbau hatte in den vergangenen Wochen ebenfalls gut zu tun. Firmenchef Jörg Pieper nennt einen Grund: Weil viele Menschen nicht in den Urlaub fahren könnten, würden sie dieses Geld anders investieren, zum Beispiel in Markisen oder Vordächer für das eigene Haus. Auch Pieper sucht Azubis, aktuell einen Metallbauer und eine Kauffrau oder für Büromanagement. Voraussetzung für den Metallbauer: Haupt- oder Realschulabschluss, mindestens ein befriedigend in den Hauptfächern. Auch auf Facebook hat er die Lehrstelle gepostet. Eine Bewerbung gebe es noch nicht. Piepers Beobachtung: Vielen Bewerbern fehle die Eignung.