Herne. Ein neues Gesetz zu Planungsverfahren könnte direkte Auswirkungen auf die umstrittene Erweiterung der Herner Zentraldeponie haben. Darum geht es.
Ein neues Gesetz soll Planungsverfahren in der Corona-Krise vereinfachen. Die Herner Bürgerinitiative Uns Stinkt's befürchtet, dass die bereits am Freitag, 15. Mai, im Bundesrat zur Abstimmung stehende Reform erhebliche Auswirkungen auf das aktuelle Verfahren zur Erweiterung der Zentraldeponie Emscherbruch haben würde. Kurz vor der Abstimmung hat die BI die beiden Herner Bundestagsabgeordneten alarmiert: In ihrem Brief warnt die Initiative vor einer Aushöhlung von Bürger- und Beteiligungsrechten und fordert das Recht auf Schutz der Gesundheit ein.
Online-Konsultationen sollen mündliche Erörterungen ersetzen
Der Entwurf der schwarz-roten Bundesregierung für ein sogenanntes Planungssicherstellungsgesetz sieht vor, dass mündliche Erörterungstermine in Verfahren mindestens bis zum 31. März durch "Online-Konsultationen" ersetzt werden. Alternativ sollen auch Telefon- bzw. Videokonferenzen möglich sein.
"Vor dem Hintergrund der Corona-Krise sollen die Behörden geradezu gesetzlich ermutigt werden, Erörterungstermine in eine völlig wirkungslose Online-Konsultation umzuwandeln oder - je nach Gesetz - ganz entfallen zu lassen", schreibt BI-Sprecher Heinz-Peter Jäkel in seinem Brief an die Abgeordneten Michelle Müntefering (SPD) und Paul Ziemiak (CDU). Im Windschatten der Pandemie könnten auf diese Weise Großprojekte genehmigt werden, ohne dass die von den geplanten Maßnahmen betroffene Öffentlichkeit und Umweltverbände darauf Einfluss nehmen könnten.
BI: Deponiebetreiberin wurde entlarvt
Auf das Herner Deponie-Verfahren - wegen eines Formfehlers der Bezirksregierung Münster wird es einen zweiten Erörterungstermin mit neuen Einwendungen geben - würde sich diese Reform direkt auswirken. Schon der erste Termin habe gezeigt, wie wichtig eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei einem Vorhaben in dieser Dimension sei, so Jäkel.
Für die Deponiebetreiberin Abfallbeseitigungsgesellschaft Ruhr (AGR) sei die erste Anhörung im Juli 2019 ein Desaster gewesen. "Die Fehler, Täuschungen und das Fehlen der für den Antrag kritischen Unterlagen sind öffentlich geworden", erklärt der BI-Sprecher. Und: Das lange gepflegte Bild der AGR als "Dienstleister zum Wohle der Bevölkerung" sei in der dreitägigen Anhörung mit über 1100 Einwendungen als Desinformationsstrategie entlarvt worden.
Wichtiges Instrument für Bürger
Für die beteiligten Anwohner der ZDE sei dieser Termin ein ganz wichtiger Schritt gewesen, um die Komplexität des Antrags zu verstehen und die Gefährdungen besser abzuschätzen. Die BI bereite sich derzeit intensiv auf die (bisher noch nicht terminierte) zweite Anhörung vor. Durch das neue Gesetz würde dem Antragsteller jedoch die Möglichkeit geboten, nach einer Offenlegung seiner Unterlagen im Internet von der Behörde die sofortige Genehmigung zu verlangen, da eine Online-Erörterung in dieser Größenordnung nicht durchzuführen sei.
"Bei allem Verständnis für bestehende Koalitionszwänge ruiniert die SPD, sollte sie im Bundesrat und Bundestag diesem Gesetz zustimmen, im Ruhrgebiet ihren noch vorhandenen Ruf als Schutzwall vor einer weiteren Zerstörung der bürgerlichen Rechte zugunsten der gewinnorientierten Industrie", schreibt Jäkel an die Abgeordnete Michelle Müntefering, die als Staatsministerin auch der Bundesregierung angehört.
Müntefering verweist auf Veränderungen
Die ausführliche Antwort Münteferings erfolgte nur wenige Stunden nach Erhalt der BI-Mail - versehen mit der Kritik, dass ein so kurzfristiger Hinweis es unmöglich mache, jegliche Änderungen noch in ein Verfahren einzubringen. In der Sache verweist die Sozialdemokratin darauf, dass ihre Fraktion den Entwurf bereits in einem wichtigen Punkt verändert habe: Eine im Gesetz theoretisch eingeräumte Aussetzung der Bürgerbeteiligung bis 2025 werde es nicht geben, die Änderungen seien bis zum 31. März 2021 befristet.
"Mit dem Planungssicherstellungsgesetz soll eine vernünftige BürgerInnenbeteiligung nicht verhindert werden, sondern wir wollen diese sicherstellen", so Müntefering. Die konkrete Ausgestaltung der Online-Konsultationen sei deshalb bewusst nicht konkret geregelt worden. Vielmehr werde den Behörden vor Ort der nötige Spielraum überlassen, um so passende Beteiligungsformen zu finden und möglichst viele Bürger einzubinden. Und: Durch einen Änderungsantrag habe die SPD im Sinne des Wunsches der BI erreicht, "dass Verfahren bei Bedarf ausgesetzt werden können".
Kritik auch von anderen Initiativen
>>> Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (34) hat den Gesetzentwurf ebenfalls scharf kritisiert. Der 34 große Initiativen zählende Verband fordert, alle Genehmigungsverfahren mit Erörterungstermin bis zum 30. September komplett auszusetzen.
>>> Dieser Forderung schließt sich auch die Herner Bürgerinitiative Dicke Luft an, die aktuell gegen die Erweiterung der Suez-Anlage an der Südstraße kämpft. Hier steht allerdings kein Erörterungstermin, sondern eine Verhandlung an: Der BUND hat mit Unterstützung dieser BI gegen die Genehmigung der Suez-Erweiterung durch die Bezirksregierung Arnsberg vor dem Oberverwaltungsgericht Münster geklagt.