herne. . Der Aufruf zum Widerstand gegen die Erweiterung der Mülldeponie ist auf große Resonanz gestoßen. Was die neue Bürgerinitiative nun plant.
Nicht nur den Gründern der Bürgerinitiative stinkt die Zentraldeponie Emscherbruch: Knapp 100 Menschen aus Herne und Gelsenkirchen sind am Mittwochabend der Einladung der neuen BI „Uns stinkt’s“ ins evangelische Gemeindehaus an der Unser-Fritz-Straße gefolgt.
„Es reicht uns“, sagte BI-Mitgründer und Moderator Hans Peter Jäkel. „Wir wollen nicht länger neben der Kloake des Ruhrgebiets wohnen. Diesen Ruf hat die Deponie in NRW“, berichtete der 67-Jährige. Zunächst gehe es aber darum, die von der AGR geplante Erweiterung der Mülldeponie an der Stadtgrenze Herne/Gelsenkirchen zu verhindern.
Bürgerinitiative will die Verantwortlichen nerven
Umso größer die BI sei, desto größer seien die Erfolgschancen. Stadtspitze, Bezirksregierung, Landesregierung – „die müssen wir erreichen. Wir müssen sie so sehr nerven, damit sie anfangen zu überlegen“, so Jäkel. Der ständige Rhythmus von Antrag und Genehmigung müsse durchbrochen werden. „Wir können aber nur etwas erreichen, wenn Sie uns helfen.“
Wie Bürger das konkret tun könnten, darüber informierte Jörg Göritz, Vermessungsingenieur, Mitglied des Naturschutzbundes (Nabu) und zuletzt aktiv beim Verfahren zur Errichtung einer Schadstoffdeponie auf der Halde Brinkfortsheide in Marl (siehe unten). Auch die für die Linke im Rat sitzende Klaudia Scholz gab konkrete Tipps. Das Umweltinformationsgesetz und das Informationsfreiheitsgesetz eröffneten einige Möglichkeiten, sagte die parteilose Stadtverordnete. Die für die Genehmigung zuständige Bezirksregierung Münster müsse „jeden Tag einen Berg an Briefen“ bekommen. Bürger und BI müssten ganz viele Informationen zusammentragen. Vor Inbetriebnahme der Deponie habe es 553 Einwendungen von Bürgern aus Herne und 284 aus Gelsenkirchen gegeben: „Diese Zahl müssen wir toppen“, so die Mitgründerin der BI.
Scholz kündige an, dass der Deponiebetreiber Abfallgesellschaft Ruhr (AGR) - eine Tochter des RVR - am 21. November auf Einladung der Stadt im Herner Umweltausschuss ein neues Brandschutzkonzept vorstellen werde. Wie berichtet, hatte es zuletzt in einem Deponiezwischenlager fünf Brände in nur sieben Monaten gegeben. „Kommen Sie zum Umweltausschuss und machen Sie ein böses Gesicht“, empfahl Ausschussmitglied Scholz den Bürgern. Sie werde auch das Rederecht für Anwohner beantragen.
Anwohner macht seinen Ängsten und Sorgen Luft
Auch die Politik will die BI in die Pflicht nehmen: „Wir erwarten von allen Parteien, dass sie uns unterstützen und nicht alle Anträge der AGR durchwinken“, sagte Hans Peter Jäkel. Die BI werde das Gespräch mit der AGR, der Stadt und der Bezirksregierung suchen. „Bisher hatten wir dazu keine Zeit“, so Jäkel auf Nachfrage eines Bürgers. Die zehn Gründer der BI hätten sich ja praktisch erst vor drei Wochen kennengelernt.
Zu Beginn des Abends hatte BI-Mitgründer Henning T. Mettge in einem emotionalen Vortrag über seine Erfahrungen mit der Halde, der AGR und der Politik berichtet - und seinen Sorgen und Ängsten Ausdruck verliehen. Sein Fazit auch mit Blick auf die Brände: „Mein Vertrauen ist in Flammen aufgegangen. Ich will endlich den einst versprochenen Landschaftspark“, so der Anwohner der Dannekamp-Siedlung. BI-Mitgründerin Inge Behring-Meinberger beschloss die 105-minütige Veranstaltung mit dieser Botschaft an Behörden und Politik: „Wir sind nicht mehr zehn, wir sind viele.“
Einige der 100 Besucher hatten zu diesem Zeitpunkt bereits den Heimweg angetreten. Der sperrige Fachvortrag von Göritz und auch eine fünfminütige Unterbrechung der Veranstaltung für eine Live-Schalte der WDR-Lokalzeit Ruhr kam nicht bei allen gut an.
Experte empfiehlt Einwendungen gegen die Pläne
Über Risiken und Gefahren einer Mülldeponie, den Ablauf eines Genehmigungsverfahren für eine Erweiterung sowie über Möglichkeiten des Widerstands informierte Jörg Göritz.
Eine solche Deponie berge zahlreiche Gefahren für Anwohner, so der Umweltschützer unter Verweis unter anderem auf die Statik der „lebenden“ Halde, entstehende Gase, fehlende Sicherheitsvorkehrungen und gefährliche Stoffe. Mehrere Schutzgüter würden bei einem Verfahren berücksichtigt: „Die Güter Mensch und Gesundheit gehören nicht unbedingt dazu“, kritisierte der Geologe.
Stichwort Genehmigungsverfahren: Nach dem Einreichen aller Antragsunterlagen durch die AGR - damit sei wohl noch 2018 zu rechnen - hätten betroffen Bürger, Vereine, Unternehmen etc. drei Monate Zeit, um schriftliche Stellungnahmen einzureichen. Anschließend prüfe die Bezirksregierung „mit normalen Verstand“ die Berechtigung. Falls nötig, könne die Behörde auch neue Gutachten erstellen lassen.
Kleingärtner setzten Änderung von Lkw-Route durch
Hohe formale Hürden gebe es nicht für die Einwendungen. So habe es beispielsweise ein Kleingartenverein durch eine einseitige handschriftliche Eingabe mal erreicht, dass eine zunächst an mehreren Schulen vorbeiführende Deponie-Route von 58 Lkw in der Stunde geändert worden sei.
Nach Ende der dreimonatigen Einwendungsfrist gebe es einen Erörterungstermin, zu dem alle Einwender eingeladen würden, so Göritz. Nach Prüfung aller Unterlagen und Einwendungen erfolge am Ende ein Planfeststellungsbeschluss durch die Bezirksregierung. Auch nach Genehmigung einer Erweiterung hätten Bürger rechtliche Möglichkeiten, im Falle unzumutbarer Belastungen Ansprüche auf Entschädigung geltend zu machen.