Herne. Die Herner CDU wirft der Stadtspitze vor, in der Corona-Krise politische Ziele durch die Hintertür durchsetzen zu wollen. Darum geht es.

Timon Radicke spricht von einem Skandal und fährt schwere Geschütze auf: Der CDU-Vorsitzende wirft der Verwaltung vor, politische Ziele in der Corona-Krise durchsetzen zu wollen, obwohl eine breite Debatte derzeit nicht möglich sei. Anlass ist eine Vorlage der Stadt zur Errichtung eines Radfahrstreifens auf der Bochumer Straße.

CDU-Chef Timon Radicke - hier bei einem Besuch der Herner WAZ-Redaktion - geht hart mit der Stadtspitze ins Gericht.
CDU-Chef Timon Radicke - hier bei einem Besuch der Herner WAZ-Redaktion - geht hart mit der Stadtspitze ins Gericht. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Die Bezirksvertretung Herne-Mitte soll sich in seiner Sitzung am Donnerstag (16 Uhr, großer Sitzungssaal im Rathaus Herne) mit den von der Verwaltung vorgelegten Plänen befassen; der formale Beschluss soll später in einer Sitzung des federführenden Planungsausschusses erfolgen. Was noch vor der Corona-Krise ein ganz normaler Ablauf gewesen wäre, bringt Timon Radicke in der aktuellen Situation auf die Palme.

Appell: Parteien sollen aufschiebbare Anträge zurückziehen

Die Stadt habe am 1. April alle Ratsparteien dazu aufgefordert, auf Anträge und Anfragen, die aufschiebbar und nicht zwingend seien, in Zeiten der Pandemie zu verzichten. Die Sitzungen sollten dadurch möglichst kurz gehalten werden, um Infektionsgefahren zu minimieren. „Ein guter Appell. Die CDU hält sich daran“, so Radicke.

Mit dem aufschiebbaren Vorschlag zur Überplanung einer Radverkehrsanlage breche nun ausgerechnet die Verwaltung aus diesem Konsens aus. „Während 160.000 Menschen sich Schutzmasken nähen und die Stadt sich im Ausnahmezustand befindet, versucht die Stadtspitze, ihre politischen Ziele ohne Beratungsmöglichkeit für die Politik durch die politischen Gremien zu bekommen“, kritisiert der CDU-Chef in seinem Facebook-Format „3 Themen - 3 Minuten“. Und: „Die Krise zu instrumentalisieren und Beschlüsse durch die Hintertür zu bewirken, das gehört sich nicht.“

CDU hört positive Signale aus der SPD

Die Verwaltung signalisierte am Freitag auf Anfrage der WAZ, dass sie keinen Grund sehe, diesen Punkt von der Tagesordnung zu nehmen. Die konkreten Vorwürfe, die Radicke am Samstag öffentlich machte, waren zu diesem Zeitpunkt aber möglicherweise noch nicht bekannt.

Die CDU gehe davon aus, dass auch der Rats-und Bezirkspartner SPD mit diesem Vorgehen der Verwaltung nicht einverstanden sei, sagt Radicke zur WAZ. Sowohl aus der Ratsfraktion als auch aus der Bezirksfraktion der Sozialdemokraten habe es bereits positive Signale in diese Richtung gegeben, so Radicke. Die CDU gehe davon aus, dass Rot-Schwarz den Punkt im Bezirk gemeinsam von der Tagesordnung nehmen wird. Ob dies passieren wird, entscheidet sich am Montagabend: Die SPD werde sich in ihrer Fraktionssitzung mit dem Thema befassen, kündigte Parteichef Alexander Vogt an.

Bürgerversammlung wurde zum Desaster

Und wie steht es um die inhaltliche Dimension der Stadtvorlage, die den Status Quo einer zweispurigen Bochumer Straße manifestiert und den Ausbau des Radweges vorsieht (siehe auch Kasten)? Zur Erinnerung: Im März 2019 hatte die CDU öffentlich die „Rückkehr zu vier Spuren“ (für Autofahrer) auf der Bochumer Straße gefordert. Sie würden nicht eher Ruhe lassen, bis dieses Ziel erreicht sei, so damals das vollmundige Versprechen. Eine zwei Wochen später einberufene Bürgerversammlung geriet für die Union allerdings zum Desaster: Anwohner sprachen sich für die Zweispurigkeit aus..

Die Pläne für die Bochumer Straße

Der Vorschlag der Stadt für die Bochumer Straße: Der zwei Meter breite Schutzstreifen soll durch einen drei Meter breiten Radfahrstreifen mit durchgezogener Linie ersetzt werden, um Radfahrer besser zu schützen und dem Ziel der klimafreundlichen Mobilität gerecht zu werden. Die (sehr breiten) Fahrbahnen sollen entsprechend reduziert werden.

In Abschnitten mit Längsparkstreifen soll zusätzlich ein 0,75 Meter breiter Sicherheitsstreifen aufgebracht werden. Teile des Radfahrstreifens sollen rot eingefärbt werden. Auf eine komplette Einfärbung werde aufgrund negativer Erfahrungen in anderen Kommunen verzichtet. Die Gesamtkosten beziffert die Stadt mit 35.000 Euro; die Maßnahme soll noch 2020 umgesetzt werden.

Die CDU werde sich einer breiten Debatte über die Bochumer Straße nach der Corona-Krise nicht verschließen, sagt Radicke am Sonntag auf Nachfrage der WAZ. Ihnen sei wichtig, alle Seiten an dieser Diskussion zu beteiligen und eine langfristige Lösung für diese wichtige Straße zu finden. Wenn am Ende das Ergebnis stehe, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung für zwei Spuren und einen breiten Radfahrstreifen ausspreche, werde die CDU sich dem nicht verschließen.