Herne. Besuch verboten! Wie lebt es sich in der Corona-Krise unter all den Einschränkungen in einem Pflegeheim? Einblicke in eine Herner Einrichtung.
„Corona nervt“ und „Bleibt gesund“ steht in Kinderschrift neben bunt gemalten Bildern. Ihre Geschenke versehen die Kleinen mit Namen und Alter und werfen sie in die „Gute Wünsche“-Box, die am Eingang des Seniorenzentrums an der Forellstraße steht. Als Dankeschön dürfen sie sich eine Überraschung mitnehmen. Die gemalten Bilder sind längst nicht alles, was die Senioren dort aktuell erreicht; auch Bastelarbeiten und Deko zaubern den Senioren ein Lächeln ins Gesicht.
Es ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sie zwar keinen Besuch erhalten dürfen, sie aber trotzdem nicht vergessen werden. „Ich bin froh, in diesem Haus zu sein und fühle mich gut versorgt“, sagt Erwin Bertelmann. Die aktuelle Situation beunruhige den 99-Jährigen nicht sonderlich, aber er merke die Einschränkungen: „Ich habe eine Lebensgefährtin. Mit der telefoniere ich jetzt oft, ebenso mit meiner Tochter.“
Ehemaliger Obersteiger sieht die Corona-Krise gelassen
Ab und an fahre er – unter Einhaltung der Abstandsregeln – mit seinem elektrischen Rollstuhl zum Friedhof, um das Grab seiner Frau zu besuchen. Ansonsten vertreibe er sich die Zeit mit Lesen, „aber keinen Kitsch“. „Was fehlt, ist unser wunderbarer Tagesraum, in dem wir sonst zusammen Fußball schauen“, bedauert der ehemalige Obersteiger. Dieser werde zurzeit genutzt, damit Bewohner über die große Leinwand mit ihren Familien videotelefonieren können. „Wir haben den Krieg mitgemacht und jetzt kommt sowas“, sagt er und fügt hinzu, „aber damit müssen wir uns jetzt eben abfinden. Ich sehe das alles eher gelassen.“
Agentur prüft Situation der Aufstocker
Das Problem mit sozialen Betreuern im Pflegeheim Protea Care, die Überstunden als sogenannte Aufstocker nicht oder kaum bezahlt bekommen, ist auch der Agentur für Arbeit und der Stadt Herne übermittelt worden.
Die Arbeitsagentur will diesem Hinweis nachgehen und ermitteln, ob dies in der Corona-Krise auch in anderen Pflegeheimen ein Problem sei, so Agenturchef Frank Neukirchen-Füsers.
Irmgard Zeier wohnt ebenfalls an der Forellstraße. Die 83-Jährige sitzt im Rollstuhl, weil sie in jungen Jahren Kinderlähmung hatte und diese im Alter schrittweise zurück komme. „Ich habe schon Sorge am Virus zu erkranken“, sagt Irmgard Zeier, die sich – bis auf ihren gesundheitlichen Zustand – sehr wohl fühlt. Sie liest viel, schaut fern und spielt mit ihrem Wellensittich.
Auch in Herner ASB-Heimen kommen Tablets zum Einsatz
„Meine Enkelin hat mir ein Smartphone geschenkt“, sagt die Rentnerin und lächelt. Damit halte sie über Videotelefonie Kontakt zu ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln. „Es ist schön, sie zu sehen, aber auch ein bisschen anstrengend, so zu telefonieren“, verrät sie. Das Gefühl alleine zu sein, habe sie nicht. „Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass die Bewohner ihre Angehörigen trotzdem sehen können – bei der Videotelefonie über Tablets oder auf der großen Leinwand“, erklärt Roberto Gentilini, Einrichtungsleiter des Seniorenzentrums.
Auch in den Herner Begegnungs- und Pflegezentren des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) kommen Tablets zum Einsatz. „Es ist einfach etwas anderes, wenn die Enkel der Oma gemalte Bilder zeigen oder ihr zuwinken können“, sagt Martin von Berswordt, Sprecher der ASB. Die Möglichkeit der virtuellen Begegnung werde gut angenommen.
Oberstes Ziel: Minimierung von Kontakten
Eine solch einfache Lösung gebe es für den Einsatz von externen Therapeuten, die ebenfalls von der Besuchssperre betroffen sind, nicht. „Die Gesundheit der Bewohner steht an oberster Stelle“, betont Martin von Berswordt. Deshalb sei die Minimierung von Kontakten oberstes Ziel. „Wir ermöglichen alles, was medizinisch notwendig ist“, betont der ASB-Sprecher. „Durch unseren sozialtherapeutischen Dienst haben wir eigene Ergo- und Altentherapeuten im Haus. Das hilft sehr und mildert die Situation etwas ab.“
Hier finden Sie die interaktive NRW-Karte mit den aktuellen Fallzahlen.
Ähnlich sei es im Seniorenzentrum an der Forellstraße, so Leiter Roberto Gentilini. Medizinisch absolut Notwendiges finde statt, Maßnahmen zur Vorbeugung werden nicht von externen Therapeuten durchgeführt. „Unsere Mitarbeiter sind speziell im Bereich der Kontrakturprophylaxe ausgebildet, so dass sie Übungen mit den Bewohnern machen können.“
Sozialbetreuer müssen Überstundengeld abgeben
Ein größeres Problem sei der Ausgleich in der sozialen Betreuung – denn alle, die sonst zu Besuch kommen und den Tag gestalten, dürfen dies zurzeit nicht. Hinzu komme, dass Beschäftigungen für die Bewohner unter den Vorgaben des RKI stattfinden müssen. Sitzgymnastik, Singen, Bingo, Gedächtnistraining, Backen, Kochen und Basteln muss unter Einhaltung der Sicherheitsabstände stattfinden.
In Einzelgesprächen können Bewohner über Sorgen und Ängste sprechen. „Wir mussten die soziale Betreuung massiv hochfahren, gerade am Wochenende, wo sonst Angehörige kommen“, sagt Roberto Gentilini. Ungefähr die Hälfte derer, die in der sozialen Betreuung tätig sind, seien sogenannte Aufstocker und erhielten zusätzliche Unterstützung von der Arbeitsagentur.
Agentur prüft Situation der Aufstocker
Das Problem mit sozialen Betreuern im Pflegeheim Protea Care, die Überstunden als sogenannte Aufstocker nicht oder kaum bezahlt bekommen, ist auch der Agentur für Arbeit und der Stadt Herne übermittelt worden.
Die Arbeitsagentur will diesem Hinweis nachgehen und ermitteln, ob dies in der Corona-Krise auch in anderen Pflegeheimen ein Problem sei, so Agenturchef Frank Neukirchen-Füsers.
„Die können nicht mal eben Überstunden machen, weil sie zusätzlich verdientes Geld wieder abgeben müssen“, ärgert sich Gentilini über die Situation. Das müsse geändert werden – „schließlich können wir nicht verlangen, dass sie umsonst arbeiten“.
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