Herne. Den Herner Ärzten fehlen Schutzmasken und Desinfektionsmittel. Sie werfen der Politik Versagen vor. Eine Besserung ist bisher nicht in Sicht.
Das Coronavirus stellt auch die in Herne niedergelassenen Ärzte vor eine große Herausforderung. Gerade dort, wo aufgrund der vielen Viren besonders auf Hygienevorschriften und Sicherheitsmaßnahmen geachtet werden sollte, fehlt es "an allen Ecken und Enden", beschreibt Urologe Gerhard Blum die derzeitige Situation.
Vor allem Schutzmasken seien Mangelware. Die Vorräte seiner Praxis gingen rapide zur Neige. Die nächste Lieferung soll erst in sechs Wochen kommen. "Da frage ich mich: Wo sind die 10 Millionen versprochenen Masken?", fragt Blum. Da diese mehrmals am Tag gewechselt werden müssten, bräuchte er am Tag fünf Masken. "Und das Schlimme ist ja, dass wir noch ganz am Anfang stehen."
"Jede Maske ist besser als keine"
Doch die Not macht erfinderisch: So nähen zurzeit zwei seiner Arzthelferinnen an ihren heimischen Nähmaschinen Schutzmasken für die acht Mitarbeiter. Das Material dafür bekommen sie aus Norddeutschland, das Schnittmuster habe die Stadt Essen vor wenigen Tagen veröffentlicht. Das Material sei nicht hundertprozentig sicher, "aber jede Maske ist besser als keine", so Blum. Und auch für den privaten Gebrauch ließen sich schnell und einfach Masken nähen. "Es gibt im Internet gute Anleitungen für Masken, die man bei 60 Grad waschen kann." So könne jeder auch beim Einkauf eine Maske überziehen, wenn es mal zu eng werden sollte.
Um die Gefahr der Ansteckung zu minimieren, habe Blum sein Team in zwei Gruppen aufgeteilt, sodass nicht immer alle Arzthelferinnen im Kontakt stünden. "Leider liegen die aktuelle Situation und der Satz 'Wir sind vorbereitet' vom Gesundheitsministerium kilometerweit auseinander."
Auch das Desinfektionsmittel geht zur Neige
Von ähnlichen Zuständen berichtet Johann Struckhoff, Allgemeinmediziner in Herne-Mitte. "Wir waren nie ausgestattet und sind es noch immer nicht." Für ihn sei die derzeitige Situation "ein absolutes Versagen der Politik". Schutzmasken habe er keine mehr, nun müssten alte Bestände in Anspruch genommen werden. "Eine Besserung ist leider nicht in Sicht."
Auch er versuche trotzdem, so gut es geht, sich und seine Mitarbeiter zu schützen. So gebe es in der Praxis noch genügend Schutzbrillen und Handschuhe, seinen Tresen habe er mit PVC verkleidet, um sich vor kranken Patienten zu schützen. Im Wartezimmer können nur noch sieben Patienten gleichzeitig Platz nehmen. Bisher hätten sich alle an den Mindestabstand gehalten. "Viele rufen zum Glück auch vorher an und lassen sich telefonisch beraten", sagt Struckhoff. Doch auch das Desinfektionsmittel gehe langsam zur Neige. "In fünf bis sechs Tagen haben wir nichts mehr", befürchtet der Hausarzt. "Es wurde so viel versprochen, doch wir sehen davon leider nichts."
Bei Anton Preißig, ebenfalls Allgemeinmediziner in Herne, sieht die Situation noch etwas entspannter aus. "Es wird zwar auch bei uns immer knapper", sagt er. "Aber für mein Personal habe ich erstmal noch genug Masken." Noch befände er sich im grünen Bereich. Wie lange das anhalten wird, kann er nicht einschätzen.
Grundsätzlicher Mangel und Engpässe
Die kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe ist sich über den derzeitigen Zustand bewusst. "Es gibt einen grundsätzlichen Mangel", bestätigt Vanessa Pudlo, Sprecherin der Vereinigung. Es gebe viele Engpässe, "aber wir arbeiten bereits intensiv daran, Abhilfe zu schaffen." Wie groß der Mangel ist und wie diesem entgegengetreten werde, konnte die Sprecherin am Montagmittag nicht sagen.
>>> Masken selbst nähen
Zu einer virtuellen Werkstatt hat sich die Kreativgruppe des Fördervereins der Palliativstation im EvK Herne und des Ambulanten Hospizdienstes zusammengeschlossen. Im „Homeoffice“ produzieren sie wasch- und wiederverwendbaren Mundschutz für Erwachsene und Kinder. Die genutzten Stoffe und Materialien sind kochfest.
Weit über 100 Masken seien bereits zugeschnitten. Sie sollen kostenlos an Altenheime und pflegende Angehörige verteilt werden. Anfragen nimmt der Ambulante Hospizdienst unter 0173 40 38068 (Annegret Müller) oder per Mail unter info@hospizdienst-herne.de entgegen.
Wer sich, dem Pflegepersonal oder seinen Verwandten eine Maske nähen möchte, findet im Internet Anleitungen dafür. Unter anderem hat die Stadt Essen eine Anleitung mit Muster veröffentlicht unter www.essen.de/gesundheit/coronavirus.