Berlin. Merkel und Scholz meisterten schon die Bankenkrise gemeinsam, Söder und Spahn trumpfen auf, ohne den Rat zweier Experten läuft nichts.

Angela Merkel sagte es selbst: Seit dem zweiten Weltkrieg war die Lage in Deutschland nicht mehr so ernst wie jetzt. Das Land kämpft gegen das Coronavirus. Noch nie mussten sich Politiker so sehr auf den Rat von Wissenschaftlern verlassen. Darauf basieren ihre Entscheidungen – und die greifen maximal in die Freiheit der Deutschen ein.

Bislang wurden die Maßnahmen der Politik öffentlich kaum infrage gestellt, abgesehen von einzelnen Virologen. Die Parteien im Bundestag tragen die drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens bislang klaglos und als geboten mit.

Wie schlagen sich die Experten, die die Bundesregierung beraten, welche Politiker drücken dem Krisenmanagement ihren Stempel auf? Eine Übersicht:

Angela Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel. © AFP | Steffen Kugler

Nach einigem Zögern ist sie jetzt die oberste Krisenmanagerin. Angela Merkels dramatischer Appell via TV-Ansprache an die Bevölkerung war ein Mittel, das sie in ihrer langen Amtszeit noch nie genutzt hat. Es war der Versuch, die Bevölkerung vor Ausgangssperren zu bewahren und die Deutschen zum vernünftigen Verhalten und Meiden sozialer Kontakte aufzufordern.

Die „New York Times“ schrieb, die „Anführerin der freien Welt“ habe den richtigen Ton getroffen. Doch angesichts steigender Zahlen von Infizierten mehren sich Stimmen, die noch mehr fordern.

So sagte Saarlands-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) unserer Redaktion: „Die Lage ist ernst. Jeder muss sein Leben einschränken. Sollten sich weiterhin viele nicht an unsere Auflagen halten, bleibt nur eine schnelle und harte Ausgangssperre als Instrument. Wir müssen Strenge zeigen zum Schutz der gesamten Bevölkerung, insbesondere zum Schutz unserer Alten und Kranken.“

Auch Merkel arbeitet nun verstärkt mit Video- und Telefonkonferenzen, an ihrer Seite ist vor allem Kanzleramtsminister Helge Braun, selbst Notfallmediziner. Die Krise ist für die Kanzlerin, wie bei den Banken 2008 und den Flüchtlingen 2015, Gefahr und Chance zugleich. Kann sie mit ihrer großen Koalition und den Ministerpräsidenten die Folgen der Pandemie eingrenzen, wird die 65-Jährige als „Krisenbezwingerin“ in die Geschichte eingehen. Gelingt das nicht, droht ein riesiger Vertrauensverlust.

Coronavirus- Die komplette Ansprache von Merkel im Video

weitere Videos

    Olaf Scholz

    Finanzminister Olaf Scholz.
    Finanzminister Olaf Scholz. © images/Jürgen Heinrich

    Nicht zu unterschätzen ist der Vorteil, dass die Kanzlerin und ihr Vize sich fast blind vertrauen. Merkel und Scholz meisterten schon einmal eine große Krise. Als 2008 der Banken-Tsunami auch über Deutschland hereinbrach, war Scholz Arbeitsminister und rettete mit dem Kurzarbeitergeld viele Jobs. Corona ist schlimmer. Als Finanzminister hat Scholz keine Sekunde gezögert, um größtmögliche Geschütze („Das ist die Bazooka“) zum Schutz von Wirtschaft und Arbeitsplätzen aufzufahren.

    Geld wird absehbar keine Rolle spielen. Als klug stellt sich heraus, dass er Milliardenüberschüsse gebunkert und nicht für Steuersenkungen ausgegeben hat. In der SPD dürfte mancher es bereuen, den oft drögen, aber blitzgescheiten Scholz als Vorsitzenden verhindert zu haben. Überlebt der Standort „Made in Germany“ unter seiner Regie die Krise, könnte der 61-Jährige als SPD-Kanzlerkandidat 2021 ein Comeback erleben.

    Jens Spahn

    Gesundheitsminister Jens Spahn.
    Gesundheitsminister Jens Spahn. © AFP | Tobias Schwarz

    Zu Anfang gab es zwei Chefs im Corona-Krisenstab: Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Schon nach den ersten Tagen war deutlich: Der eine ist sichtbar und will sichtbar sein – der andere bleibt im Hintergrund. Doch anders als früher geht es Spahn nicht mehr in erster Linie um politische Aufmerksamkeitsduelle. Diese Krise ist größer als das größte politische Ego.

    Deshalb zeigt sich der 39-Jährige jetzt so oft mit Experten an seiner Seite: Mit den Virologen, mit den Vertretern der Ärzteschaft, mit seinem Pflegebeauftragten. Bislang funktioniert das gut: Spahn hat erkennbar noch keine größeren Fehler gemacht und bekommt selbst von der Opposition Lob.

    Nun erhob aber ein Unternehmer im „Spiegel“ den Vorwurf, Spahn habe den absehbaren Mangel an Hygienebekleidung, Mundschutz und Atemschutzmasken für Krankenhäuser und Ärzte verschlafen.

    „Wir haben gemahnt, und keiner hat uns gehört“, sagte ein Firmenchef, der Anfang Februar eine Warnmail ans Ministerium schrieb. Die Behörden seien über Wochen untätig geblieben. „Das ist grob fahrlässig und verschärft die Krise unnötig.“ Am Donnerstag startete Spahn mit der Auslieferung von zehn Millionen Atemschutzmasken.

    Und es bleiben noch zwei Probleme. Nummer eins: Spahn hat wenig Gestaltungsmacht – die meisten Entscheidungen treffen die Behörden vor Ort. Problem Nummer zwei: Wenn aus der Krise eine humanitäre Großlage wird, ist es Spahn, der gefragt wird, warum er das nicht verhindert hat.

    Markus Söder

    Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern.
    Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern. © dpa | Sven Hoppe

    Es ist die Stunde des bayerischen Ministerpräsidenten. Der 53-Jährige tritt als Macher auf. Markus Söder hat gerade den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz, deswegen saß er mit Merkel im Kanzleramt auf dem Podium. In Bayern handelt er konsequenter als andere Landesfürsten (Schulen zu, Katastrophenfall) – getrieben von fast 2300 Fällen im Freistaat.

    Am Donnerstag hielt Söder im Landtag eine dramatische Ansprache. Er drohte mit einer Ausgangssperre für das ganze Bundesland. Söder sprach bestimmt, aber eher leise. Danach applaudierte ihm der Landtag, auch die Opposition. Manchmal scheint es so, als ob im Bund erst Tage später das umgesetzt wird, was Markus Söder in Bayern schon vollzogen hat.

    Am Montag tagt das Bundeskabinett mit den Ministerpräsidenten per Videoschalte. Sind Ausgangssperren dann ein Thema? Noch offen. Söder jedenfalls wird nicht zögern. Er wird die Balance halten müssen, zwischen Aktion und Aktionismus. Gelingt ihm das, wird das die Debatte um den nächsten Kanzlerkandidaten der Union stark beeinflussen.

    Christian Drosten

    Virologe Christian Drosten.
    Virologe Christian Drosten. © FUNKE FotoServices | Maurizio Gambarini

    Seit 2017 ist er an der Charité Direktor des Instituts für Virologie. Sein Team entwickelte einen Corona-Test. Drosten (48) spricht im eigenen NDR-Podcast zur Bevölkerung – und berät die Regierung. Er fällt durch seine bodenständige Art auf, erklärt medizinische Sachverhalte für den Laien verständlich. Er gibt auch Fehleinschätzungen zu, weil sich die Lage täglich ändern kann. Wiederholt kritisierte er Medien für verkürzte Darstellungen seiner Aussagen.

    Kritik, er mache mit dem von ihm entwickelten Testverfahren Geld, wies er zurück: „Wir verdienen keinen Cent, im Gegenteil: Wir zahlen sehr viel drauf.“ Schon 2003 bei der Sars-Epidemie war Drosten gefragt und präsentierte schnell einen Virustest, der als Meilenstein für die Sars-Eindämmung galt. Damals wie heute teilte er weltweit sein Wissen. Merkel schätzt die uneitle Art des Mediziners. Drosten erhielt 2005 für seine Verdienste während der Sars-Epidemie das Bundesverdienstkreuz. Das erwartet Experte Drosten in den nächsten Pandemie-Wochen.

    Lothar Wieler

    RKI-Präsident Lothar Wieler.
    RKI-Präsident Lothar Wieler. © imago images/Xinhua | Shan Yuqi via www.imago-images.de

    Als RKI-Präsident ist der 59-Jährige der oberste Infektionsbekämpfer der Nation. Der Veterinärmediziner und Mikrobiologe aus Königswinter bei Bonn ist bei Auftritten die Ruhe selbst. Nüchtern, aber auch nicht vor unbequemen Botschaften zurückschreckend, beschreibt der Spitzenbeamte die Lage. Mit einem Impfstoff rechnet der Professor erst im Frühjahr 2021.

    Sein Spezialgebiet ist die Übertragung von Infektionskrankheiten zwischen Tier und Mensch. Wieler warnt vor einer Überlastung der Intensivkapazitäten in Kliniken. Diese müssten mindestens verdoppelt werden. Zwar hat der Großteil der Infizierten nur milde Symptome. Bei einer großen Zahl Infizierter innerhalb kurzer Zeit könnte aber selbst der geringe Anteil schwer Erkrankter zu einer Belastungsprobe für das Gesundheitssystem werden.