Herne. Die „besorgten Bürger“ spenden unfreiwillig Geld für Flüchtlinge. Dahinter steckt eine Aktion der Herner Gruppe „Schirme gegen rechts“.

Seit vergangenem Sommer ziehen die selbsternannten „besorgten Bürger“ (fast) wöchentlich durch Herne-Mitte. Kirchen, Parteien, Vereine und Organisationen stellen sich ihnen in jeder Woche entgegen. Darunter auch die „Schirme gegen rechts“. Diese Gruppe hat nun eine ungewöhnliche Aktion gestartet: „Besorgte Bürger“ finanzieren die Integrationsarbeit in Herne – unfreiwillig.

Die „Schirme gegen rechts“, eine Gruppe von etwa 40 Mitstreitern, hat über Wochen bei den so genannten „Spaziergängen“ an der Bebelstraße gestanden. Dort habe sie beim Vorbeimarsch der „besorgten Bürger“ das Mahnmal für die Opfer des Widerstandes gegen die Nazi-Diktatur „bewacht“, so die Gruppe über ihren Standort. Dabei wurde auch schon mal Chopins Trauermarsch gespielt, und Schirme wurden aufgespannt – damit sie sich abschirmen könnten gegen Nazis, so hieß es. Nun, da die „Besorgten“ auf einer neuen Strecke unterwegs sind, stehen auch die „Schirme“ an anderen Stellen – und haben jetzt eine neue Spendenaktion ins Leben gerufen.

Herne: Sponsor zahlt Geld für jeden „besorgten Bürger“

Die Gruppe „Schirme gegen rechts“ nimmt an den wöchentlichen Kundgebungen gegen die „besorgten Bürger“ teil. Hier zeigte sie den „Spaziergängern“ im Oktober am Herner Bahnhof die Rote Karte.
Die Gruppe „Schirme gegen rechts“ nimmt an den wöchentlichen Kundgebungen gegen die „besorgten Bürger“ teil. Hier zeigte sie den „Spaziergängern“ im Oktober am Herner Bahnhof die Rote Karte. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Und die funktioniert so: Für jeden „Spaziergänger“ zahlt ein Sponsor den „Schirmen“ 1,50 Euro. Das Geld komme der Gfi, der Gesellschaft zur Förderung der Integrationsarbeit in Herne, zu Gute, sagt ein Sprecher von „Schirme gegen rechts“ zur WAZ. „Die Faschos laufen gegen Menschen mit Migrationshintergrund, wir drehen das um“, erklärt er. Nun liefen die „besorgten Bürger“, seit ein paar Wochen unter dem Motto „Stark für Herne“ unterwegs, eben für Menschen mit Migrationshintergrund: „So machen wir etwas Positives aus einem hasserfüllten Lauf.“ Dazu zählten die „Schirme“ wöchentlich die Teilnehmerzahl bei den „Spaziergängen“, anschließend werde das entsprechende Geld an die Gfi überwiesen. Unter dem Motto: „Faschos for Refugees“.

Bei der Premiere der Spenden-Aktion vor einer Woche, als 40 „besorgte Bürger“ unterwegs waren und etwa 400 Menschen gegenüberstanden, seien auf diese Weise 60 Euro zusammengekommen. Aber nicht nur so wollten die „Schirme“ Geld für die Gfi sammeln, sagt der Sprecher, der seinen Namen nicht öffentlich nennen will, weil er gewaltsame Reaktionen gegen sich von Rechts befürchte. Sie wollten auch mit Spendendosen an den Kundgebungen am Donnerstag teilnehmen und zusätzliches Geld einnehmen. Außerdem wollten sie Spendendosen für die Gfi im Einzelhandel aufstellen; die ersten Geschäftsleute hätten schon zugestimmt, zudem sei ein Spendenkonto eingerichtet worden.

Und nicht zuletzt machen die „Schirme“ mit einem Transparent auf ihre Spenden-Aktion aufmerksam. „,Stark für Herne’ spendet gerne“ heißt es darauf und: „Gemeinsam für ein buntes Stadtbild“. Daneben zu sehen ist eine Karikatur des bekannten Cartoonisten Martin Perscheid, die einen Nazi zeigen soll.

Gfi will Geld Geflüchteten zukommen lassen

Bündnis Herne lädt zum historischen Stadtrundgang

Auch für diesen Donnerstag, 30. Januar, haben die „besorgten Bürger“, darunter Mitglieder der Rechtsextremen-, Hooligan- und Rocker-Szene, einen ihrer selbsternannten „Spaziergänge“ angekündigt. Start ist um 18.30 Uhr am Herner Bahnhof.

Das überparteiliche „Bündnis Herne“, dem unter anderem Kirchen, Parteien, Vereine und Organisationen angehören, lädt zu einem historischen Stadtrundgang zur jüdischen Geschichte ein. Hintergrund ist die Befreiung des KZ Auschwitz vor 75 Jahren. „Dieses Geschehen darf nicht vergessen werden und es wichtig, sich dieser Zeit zu erinnern“, so das Bündnis. Ziele des etwa einstündigen Rundgangs unter der Führung der Historikers Ralf Piorr sind Bahnhofstraße, Rathaus Herne und Shoah-Mahnmal. Treffpunkt ist um 18 Uhr der Robert-Brauner-Platz, los geht’s um 18.30 Uhr.

Bereits um 17.30 Uhr startet der 30-minütige ökumenische Open-Air-Gottesdienst von evangelischer und katholischer Kirche vor der Kreuzkirche am Europaplatz.

Die Gesellschaft zur Förderung der Integrationsarbeit (Gfi) begrüßt die Aktion. Natürlich sei es „immer schlecht“, wenn „besorgte Bürger“ durch die Stadt liefen, wenn man den Spieß aber umdrehe, und die Integration werde gefördert, dann habe das Ganze doch noch etwas Gutes, sagt ein Sprecher zur WAZ.

Das „erlaufene“ Geld wolle die Gfi zunächst in ihr CaféO stecken, ein Beratungscafé, das die Gesellschaft mit anderen Trägern dreimal wöchentlich im Kulturzentrum DasO an der Overwegstraße anbietet. Zudem sollen die Spenden in die Sachkosten fließen, also etwa für Bewerbungsmappen für Flüchtlinge genutzt werden, heißt es.