Herne. Mit Talentscouts möchte die neue Schulleiterin der Realschule Crange ihre Schüler fördern. Kultur ist ihr so wichtig wie Mathe und Deutsch.
Seit Ende November hat die Realschule Crange eine neue Schulleiterin. Doch Wiltrud Zimmermann, die Nachfolgerin von Reiner Jorczik, ist vor Ort keine Unbekannte, sondern war bereits seit rund zehn Jahren erste Konrektorin an der Semlerstraße. Im Gespräch mit WAZ-Redakteurin Kathrin Meinke verrät die 61-Jährige, welche Ziele sie hat und wie es mit ihr an der Realschule weitergehen soll.
Frau Zimmermann, seit vielen Jahren sind Sie bereits mit der Schule verbunden. War es immer Ihr Ziel, hier Schulleiterin zu werden?
Wiltrud Zimmermann: (lacht) Nein. Als offenkundig wurde, dass Herr Jorzcik zurücktritt, war für mich erst klar, dass jemand anderes den Posten übernimmt. Ich hätte mir auch gut vorstellen können, als Konrektorin in der zweiten Reihe zu bleiben.
Wieso haben Sie sich dann doch umentschieden?
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Bereits vor einigen Jahren hatte ich mal die Absicht, Schulleiterin zu werden. Damals bin ich schwer erkrankt und habe mich dazu entschieden, lieber Stress zu vermeiden. Aber in Gesprächen mit Herrn Jorczik und nach einer Familienratssitzung habe ich nun doch beschlossen, die Verantwortung zu übernehmen. Es wäre unheimlich viel verloren gegangen, wenn jemand Fremdes von außen gekommen wäre, der sich erst in das Konzept einarbeiten muss.
Realschule Crange: von der Kulturschule zur Talentschule
Das Konzept, dass Schule mehr ist als Mathe, Deutsch und Englisch?
Genau. Die Schule hat schon lange ein kulturelles Profil. Wir haben damals nach Feldern gesucht, wie man die Sprachkompetenz der Schüler fördern kann und sind auf die Kultur gekommen. Jedes Jahr wird ein Thema gestellt und dazu wird in Kulturstunden getanzt, es wird gemalt, dazu wird geschrieben und es werden Exkursionen gemacht. Dieses Jahr ist das Thema der Klimaschutz. Das mündet dann vor den Sommerferien in den Kulturtagen.
Und aus der Kulturschule ist eine Talentschule geworden?
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Aus der Kulturschule ist die Idee entstanden, dass wir uns auf die Ausschreibung als Talentschule überhaupt bewerben. Wir haben gemerkt, dass es unseren Schülern was bringt. Wir wissen, dass Talente nicht unbedingt in dem Fächerkanon liegen, sondern es gibt verborgene Kompetenzen. Und die muss man erkennen und da brauchten wir auch ein bisschen Input und haben mit dem „Letter of Intent“ bei der Bewerbung wohl den Nerv getroffen, denn wir sind ja schon bei der ersten Runde der Talentschulen gewesen – als einzige Schule in Herne.
Was bringt Ihnen die Aufnahme in das Programm?
Wir rechnen mit mehr Hilfen und Unterstützung im Bereich der Digitalisierung, im Bereich der sächlichen aber auch personellen Ausstattung. Dass man zusätzliche Stellen schafft, die nicht unbedingt Lehrerstellen sein müssen. Das hat uns brennend interessiert, zumal wir viele Kontakte in die Bereiche Tanz, Literatur und Malerei haben. Das sind nicht unbedingt Kompetenzen von Lehrern. Da haben wir eine große Chance gesehen. Das ist nun fast ein Jahr her.
Talentscouts fördern einzelne Schüler
Was hat sich seitdem getan?
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Wir haben jetzt an einem Projekt „Gemeinsam Ganztag“ teilgenommen. Da werden Lehrer ausgebildet, alle Klassenleitungen und Deutschlehrer der neuen Klassen 5, um Kinder bei der Sprachförderung und beim selbstständigen Lernen zu unterstützen. Darüber hinaus suchen wir mit Talentscouts nach Schülern mit Talenten, damit sie eine besondere Förderung bekommen, die sie sonst so von zuhause nicht bekommen würden. Sie können beispielsweise an Seminaren teilnehmen und erhalten Einladungen zu kulturellen Angeboten, von denen die Eltern gar keine Kenntnis haben. Eine Kollegin wird zudem eine Ausbildung zum Talentscout machen.
Sicherlich gibt es auch Kritiker, die sagen, die Kinder sollen in der Schule lieber gut Deutsch, Mathe und Englisch lernen.
Ja, diese Fächer sind Grundlagen, um in der Gesellschaft Fuß zu fassen und einen vernünftigen Beruf zu erlernen. Die Sache, die wir einstielen, ist bisher nie wissenschaftlich belegt worden. Wir nehmen selber wahr, dass sich bei den Kindern eine Persönlichkeit herausbildet, die sich vielleicht mit dem normalen Fächerkanon so gar nicht gezeigt hätte. Es gibt Menschen, die haben eine Dyskalkulie und werden nie Mathematiker, aber die haben ganz andere Talente und dadurch können sie ihre Persönlichkeit stärken.
Und das soll nun wissenschaftlich belegt werden?
Durch Talentschule haben wir die Möglichkeit, einer wissenschaftlichen Begleitung. Demnächst werden wissenschaftliche Mitarbeiter zu uns in die Schule kommen. Dann soll der Ist-Stand erhoben werden, um im Laufe der Zeit zu gucken, ob ein Effekt messbar ist. Darauf bin ich sehr gespannt. Denn Schule kann sehr viel mehr tun, um Kinder fit zu machen fürs Leben.