Herne. Da summt und brummt nichts mehr: Immer mehr Vorgärten in Herne werden zugepflastert. Die Kritik an den „Steinwüsten“ wird immer lauter.

Mit Schubkarren rollen Hausbesitzer in ihre Vorgärten, kippen Steine ab, manchmal kommt noch eine Folie übers Erdreich und ein Felsblock, eine Buddha-Figur oder eine Konifere zur Zierde dazu – fertig ist der pflegeleichte Vorgarten. Steinwüsten greifen immer mehr um sich in Herne. Sehr zum Verdruss von Stadt und Umweltschützern.

Ob die versteinerten Vorgärten nun schön sind oder nicht, das sei eine Frage des Betrachters, sagt Heinz-Jürgen Kuhl, Chef von Stadtgrün. Klar aber sei: „Klimatechnisch gesehen sind sie eine Katastrophe.“ Steine ersetzten Pflanzen, die gerade in der Stadt dringend benötigt würden. Grün aber sorge für Feuchtigkeit, biete Lebensraum für Tiere. Außerdem: Steine heizten im Sommer die Umgebung unnötig auf. „Besonders schlimm“ findet es der Stadtgrün-Chef, wenn die Steinwüsten noch mit Gabionen, also den Begrenzungen aus Steinen in Käfigen, umgeben sind. Sein Eindruck: Versteinerte Vorgärten „sieht man immer mehr“.

Stadt Herne kann „versteinerte Vorgärten“ nicht verbieten

Typische Zierde in Steingärten sind Figuren, Türmchen oder Einzelbäume.
Typische Zierde in Steingärten sind Figuren, Türmchen oder Einzelbäume. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Allein: Eine Handhabe gegen die Versiegelung von Vorgärten habe die Stadt nicht. Grundstücksbesitzer seien frei in der Gestaltung ihres Areals, „verbieten können wir die Steine nicht“. Anders sei es bei künftigen Bauvorhaben. Möglich sei ein „Steinwüsten-Verbot“ beispielsweise über eine Festlegungen in den Bebauungsplänen oder über eine Gestaltungssatzung für Quartiere. So geschehen im Neubaugebiet an der Courrièresstraße in Sodingen, sagt der Stadtgrün-Chef. Dort sei Grün in Vorgärten Pflicht. Ansonsten helfe nur der Appell an die Hausbesitzer.

Appellieren, das macht auch Hiltrud Buddemeier, Chefin des Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Herne. Immer wieder. Ihr sind die Steinwüsten seit langem ein Dorn im Auge, ein Umdenken habe aber (noch) nicht eingesetzt: „Bei Hauseigentümern läuft es gar nicht rund“, beklagt sie. Vor allem vor Einfamilienhäusern gäben die Besitzer „Schotter drauf“, sprich: pflasterten alles vor der Haustür zu, was irgendwie eine Pflege nach sich ziehen könnte. „Fürchterlich“ sehe das „Grau in Grau“ aus, und: Es habe „schlimme Konsequenzen“: „Das Ganze Bodenleben wird vernichtet.“ Kleinstlebewesen, Insekten, Vögel, sie alle hätten dort keinen Lebensraum mehr. Hinzu komme: Wenn doch mal Unkraut sprieße zwischen den Steinen, „dann kommen die Hausbesitzer mit der Giftspritze“.

Kritik an „Steinwüste“ vor der Akademie Mont Cenis

Buddemeier kennt viele Stellen in der Stadt, die auf diese Weise verschandelt worden seien, und listet sie aus dem Gedächtnis nach und nach auf. Darunter etwa die Hénin-Beaumont-Straße in Sodingen: In der kleinen Anwohnerstraße seien viele Vorgärten zugepflastert und deshalb „schäbig“, mehr noch: „Man muss schon einen Vorgarten suchen, der nicht mit Steinen zugeballert wurde.“

Klimawandel trifft Herne mit Wucht

Der Klimawandel trifft Herne mit voller Wucht: Ab dem Jahr 2050, so berichtete eine Klima-Expertin im September der Politik, gebe es in Herne im Sommer an Dutzenden Tagen über 40, ja 45 Grad.

Auch die Hausbesitzer seien in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen: „Der Klimawandel geht uns alle an“, betonte die Expertin. Sie präsentierte ein Foto mit zugepflasterten Vorgärten und Zufahrten, abgegrenzt von Steingabionen, den Steinen in Käfigen. Weniger Steine, dafür etwa Hecken, würden schon einiges bewirken, so ihr Appell.

Aber nicht nur Hauseigentümer kritisiert sie. Ein Dorn im Auge ist ihr etwa auch ein Bereich vor dem Kleingartenverein Auf der Wenge in Eickel. Vor dem Eingang an der Eickeler Straße gebe es ein großes Schotterbeet. Der Bereich, gerade für die Kleingärtner eigentlich ein Vorzeigebereich, sei „gründlich verschandelt“ worden, kritisiert sie. Und nicht zu vergessen: die Akademie Mont Cenis. Die Steinwüste rund um Hernes Vorzeigeprojekt nennt die BUND-Chefin schlicht „grauenhaft“.

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