Herne. Im Shamrockpark in Herne soll ein bundesweit einmaliges Konzept für die Wärme- und Kälteversorgung umgesetzt werden. Das zeichnet es aus.

Der Shamrockpark - dort wurden bis vor einigen Jahren die Geschäfte der RAG gelenkt. Er stand quasi für den „alten“ Energieträger Kohle. Im Zuge der Revitalisierung will sich die Fakt AG als Eigentümer allerdings nicht darauf beschränken, die vorhandenen Flächen zu vermieten. Sie möchte darüber hinaus eine neue und zukunftsweisende Energieversorgung aufbauen.

Gemeinsam mit den Herner Stadtwerken und der Eon Energy Solutions GmbH soll das sogenannte Ectogrid geknüpft werden. Dabei handelt es sich um ein Energiesystem, das Gebäude mit Wärme und Kälte versorgt.

Das benachbarte Ineos-Werk liefert Abwärme

Zurzeit wird der Shamrockpark über das normale Fernwärmenetz gespeist. Doch das soll abgelöst werden durch Abwärme. Und die wird vom direkten Nachbarn geliefert: Bei den Produktionsprozessen im Ineos-Werk entsteht Wärme, die bislang ungenutzt in die Umwelt abgegeben wird. Diese Abwärme soll angezapft werden, um sie im Shamrockpark für die Wärme-, aber auch Kälteversorgung zu nutzen. Mit Ineos habe man bereits eine Absichtserklärung unterzeichnet, berichten Jochen Handke (Eon) und Jürgen Bock (Technischer Leiter Stadtwerke Herne) im Gespräch mit der WAZ-Redaktion.

Für Bundesförderung nominiert

Das neue Energiekonzept ist bereits für ein Förderprogramm der Bundesregierung nominiert worden: den Ideenwettbewerb „Reallabore der Energiewende“.

Das Förderprogramm wurde vom Wirtschaftsministerium als neue Fördersäule etabliert, um den Technologie- und Innovationstransfer von der Forschung in die Praxis zu beschleunigen. Von 2019 bis 2022 sind dazu Fördermittel in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen.

Im Rahmen des Programms wird die Erprobung von zukunftsfähigen Energietechnologien unter realen Bedingungen und im industriellen Maßstab gefördert.

Was Laien erstaunen mag: Bei der Abwärme reichen schon Temperaturen von 22 bis 25 Grad, um Räume zu erwärmen. Bei Bedarf werden Wärmepumpen, die in den Gebäuden installiert werden, hinzugeschaltet. Um das komplette Netz zu knüpfen, sind allerdings weit mehr Details zu beachten, weshalb es Sinn mache, mit einem starken Partner wie Eon zu kooperieren, so Jürgen Bock.

Aus dem benachbarten Ineos-Werk soll die Abwärme, die sonst ungenutzt in die Umwelt gelassen würde, angezapft werden.
Aus dem benachbarten Ineos-Werk soll die Abwärme, die sonst ungenutzt in die Umwelt gelassen würde, angezapft werden. © WAZ FotoPool | Franz Luthe

Mit dem Konzept wird fossile Energieversorgung vermieden

In der schwedischen Stadt Lund hat Eon dieses Konzept bereits umgesetzt, allerdings in einem Neubauprojekt. In Deutschland sei der Herner Ectogrid-Ansatz bislang einmalig, weil er in bestehenden Gebäuden realisiert werden soll. „Das ist die große Herausforderung“, so Jochen Handke.

Ist das Niedrigtemperatur-Netz erst einmal in Betrieb, sei der Shamrockpark in Hinblick auf die Wärme- und Kälteversorgung autark. Auch unter Klimaschutzgesichtspunkten überzeuge es, so Christoph Schulte-Kemper (Fakt), weil es fossile Energieversorgung vermeide und dazu beitrage, die Klimaziele zu erreichen. Und dies alles zu wettbewerbsfähigen Preisen. Janina Wrobel, Fakt-Projektleiterin für den Shamrockpark, sieht einen weiteren Nutzen darin, dass über diese Art der Versorgung auch alte Gebäude energetisch vorzeigbar gemacht werden könnten. „Man muss nicht immer abreißen.“

Erste Arbeiten könnten im kommenden Jahr starten

Für Oberbürgermeister Frank Dudda hat das Pilotprojekt eine Strahlkraft, die die Wahrnehmung Hernes positiv beeinflussen könne. Es könne auch eine Art Showroom für den Forschungsverbund Ruhr Valley werden, der sich mit neuen Formen der Energieversorgung beschäftigt. Nicht ausgeschlossen, dass die Umsetzung später auch wissenschaftlich begleitet wird.

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Die planerischen Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, die Arbeiten - zum Beispiel die Verlegung der Leitungen - könnten im kommenden Jahr starten. Die Realisierung könne bis zu drei Jahre in Anspruch nehmen, so Schulte-Kemper. Für die Errichtung der Infrastruktur sind bis zu sieben Millionen Euro veranschlagt. Zur Umsetzung sollen auch Fördergelder beitragen.