Herne. Die „besorgten Bürger“ durften nicht durch Herne laufen. Unter ihnen: ein bekannter Neonazi. Über 300 Menschen stellten sich in den Weg.

Der geplante Gang von „besorgten Bürgern“ durch die Herner Innenstadt ist am Dienstagabend in Absprache mit Verantwortlichen aus der Gruppe kurzfristig von der Polizei verboten worden.

Nach offiziellen Schätzungen der Polizei hatten sich etwa 110 Menschen an der Kreuzkirche zu dem Gang versammelt, darunter der Dortmunder Neonazi Siegfried Borchardt, besser bekannt unter dem Spitznamen „SS Siggi“. Auf dem Robert-Brauner-Platz in Herne-Mitte versammelten sich derweil 300 Menschen zu einem „Gegenprotest“. Das Motto: „Keine rechte Bürgerwehr in Herne!“

Laut Polizei hatten sich an der Kreuzkirche 110 Menschen versammelt, um durch Herne zu gehen.
Laut Polizei hatten sich an der Kreuzkirche 110 Menschen versammelt, um durch Herne zu gehen. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

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Gegen 19 Uhr löste die Polizei die nicht angemeldete Versammlung an der Kreuzkirche friedlich auf. Die „Spaziergänger“ wären bei ihrem Gang über die Bahnhofstraße auf die angemeldete Kundgebung auf dem Robert-Brauner-Platz getroffen. „Das können wir polizeilich nicht bewerkstelligen“, sagte Polizeisprecher Frank Lemanis. In der Zwischenzeit waren schon einige Gegendemonstranten bis zur Polizeikette vor der Kreuzkirche gekommen. Auch eine Antifa-Gruppe aus Bochum war nach Einschätzung der Polizei vor Ort.

„Von den ,besorgten Bürgern’ sind nach meiner Einschätzung 70 Prozent dem rechten Spektrum zuzurechnen“, sagte Arnold Plickert, ehemaliger NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei; auch der Eickeler war zu der Gegendemonstration erschienen. Etwa 50 Mitglieder der evangelischen Kirche hatten sich teils mit bunten Tüchern zum Spontan-Gottesdienst auf dem Europaplatz vor „ihrer“ Kreuzkirche verabredet. „Wir wollen diesen Spaziergang nicht unkommentiert stehen lassen und ein Zeichen setzen“, sagte Pfarrer Arnd Röbbelen.

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DGB-Chef: Wir sind besorgt

Das taten auch die Menschen auf dem Robert-Brauner-Platz. Er war am frühen Abend prall gefüllt. „Wir sind besorgt“, sagte Eric Lobach, Stadtverbandsvorsitzender des DGB. Die Gewerkschaften hatten zu der Demo eingeladen, genauso wie Vertreter von vielen Parteien, Organisationen und Gruppen. DGB-Chef Lobach befürchtet, dass die so genannten Spaziergänge „die Anfänge einer rechten Bürgerwehr sind“. Dagegen müsse man Flagge zeigen.

Einige Menschen hatten Plakate mitgebracht.
Einige Menschen hatten Plakate mitgebracht. © WAZ | Michael Muscheid

Menschen trugen Plakate wie „In Herne sind nur Lebkuchen-Herzen braun“ oder „Make love not Wehr“, die Grünen verteilten Rosen, die Linken Flugblätter, außerdem schmierten sie an einem Tisch Käsebrötchen: „Das ist Käse, was die Rechten machen“, begründete Linke-Ratsfrau Klaudia Scholz die Aktion.

Beifall am Ende

Dass die „Spaziergänger“ am Ende nicht über die Bahnhofstraße laufen durften, quittierten die Teilnehmer der Gegendemo mit Beifall. Jacob Liedtke, Mitglied des Grünen-Kreisvorstands und einer der Organisatoren des „Gegenprotests“, sprach gegen 18.45 Uhr zu den Demonstranten und erklärte die Veranstaltung für beendet. „Wir freuen uns wahnsinnig, dass so viele da sind“, rief er in die jubelnde Menge. Wenn nötig, sagte er später zur WAZ, werde man wiederkommen: Man dürfe die Straße nicht den Rechten überlassen.

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Neben vielen Ratsmitgliedern reihten sich auch die Spitzen der großen Parteien ein, darunter SPD-Chef Alexander Vogt und SPD-Fraktionschef Udo Sobieski, aber auch CDU-Fraktionschefin Bettina Szelag. Sie freue sich, dass auch die bürgerliche Mitte „gut präsent“ sei, sagte sie.