Herne. Der Aderlass bei der Polizei geht weiter. Das Polizeipräsidium Bochum, auch für Herne zuständig, könnte 25 Beamte verlieren. Das ist der Grund.
Das Polizeipräsidium Bochum, das auch für Herne verantwortlich ist, könnte zum 1. September weitere 25 Polizeibeamte verlieren. Das geht aus den Zahlen der aktuellen „Belastungsbezogene Kräfteverteilung (BKV)“ hervor, die der WAZ vorliegen.
Diese Kräfteverteilung für die so genannten Polizeivollzugsbeamten muss man erklären: Die Verteilung der Polizistinnen und Polizisten im Land erfolgt nach der Anzahl der vorhandenen Straftaten und Verkehrsunfälle in den jeweiligen Behörden, wobei manche Delikte (zum Beispiel Schwarzfahren) nicht berücksichtig werden. Andere Delikte wie Straßenkriminalität oder Wohnungseinbrüche werden wiederum mit einem Faktor von 1,5 multipliziert. Das Problem an diesem Berechnungsmodell ist, dass die Behörden, die in ihrem Bereich die Straftaten und Unfälle reduzieren, im nächsten Jahr dafür weniger Personal zugewiesen bekommen.
Personalabbau setzt sich fort
Durch den Wegfall von 25 weiteren Stellen setzt sich der Personalabbau beim Polizeipräsidium Bochum fort. Nach Recherchen der WAZ hat das Polizeipräsidium Bochum in den vergangenen drei Jahren 66 Polizeibeamte verloren, beim Blick auf die Entwicklung seit dem Jahr 2000 beläuft sich die Zahl der verloren gegangenen Stellen auf fast 200.
Mehr Straftaten in Herne
Nach Angaben der Polizei war die Zahl der Straftaten im Bereich des Polizeipräsidiums Bochum, zu dem neben Bochum und Herne auch Witten gehört, im vergangenen Jahr so gering wie zuletzt 1990. Kripochef Andreas Dickel stellte deshalb noch im Februar fest: „Es ist objektiv ziemlich sicher in Bochum, Herne und Witten.“
In Herne freilich zeigte sich noch 2018 ein etwas anderes Bild: Die Zahl der Straftaten stieg im vergangenen Jahr von 13.189 auf 13.548 an.
Dieses Personal fehlt dann zwangsläufig im Streifendienst, in den Kommissariaten und beim Verkehrsdienst. Das Polizeipräsidium Bochum erhält zwar nach den Zahlen der Kräfteverteilung zusätzlich 18 Angestelltenstellen, diese können jedoch keine operativen Tätigkeiten wahrnehmen. Hinzu kommt, dass es Monate dauern wird, bis diese Stellen überhaupt besetzt werden können.
Verstärkt wird dieser Trend durch zwei andere Entwicklungen: Die starken Jahrgänge, also jene Polizeibeamte, die in den 70er-Jahren eingestellt wurden, gehen nun in Pension. Auf der anderen Seite steigt nach Informationen der WAZ-Redaktionen die Durchfallquote der Polizeianwärter drastisch. Lag sie in der Vergangenheit bei rund zehn Prozent, so ist sie in diesem Jahr auf etwa 16 Prozent gestiegen. Die Folge: Fast 320 Polizeibeamte, die vor drei Jahren eingestellt wurden, kommen nicht in den Behörden als dringend benötigte Verstärkung an.
Polizei: Personalsituation nach wie vor angespannt
Das Polizeipräsidium rechnet anders: Der Rückgang in der Belastungsbezogenen Kräfteverteilung resultiere im Wesentlichen aus der Reduzierung um 22 Planstellen, die in der Bereitschaftspolizei in diesem Jahr nicht besetzt werden müssten. Für die sonstigen Aufgaben der Behörde seien also nur drei Planstellen abgezogen worden.
Dennoch räumt man im Polizeipräsidium ein, dass die Personalsituation nach wie vor angespannt sei. Auf diese Situation habe man sich aber seit 2012 vorbereitet. „Wir werden die vorgesehene Anzahl der Bezirksbeamtinnen und Bezirksbeamten weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger auf unseren Straßen einsetzen“, sagt Polizei-Sprecher Frank Lemanis. Der Streifendienst sei zur Erledigung aller anfallenden Aufgaben in immer noch ausreichender Stärke ausgestattet. Auch alle anderen Aufgaben würden weiterhin zuverlässig erledigt.
Arnold Plickert, ehemaliger NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei und als Herner Bürger bestens mit der Situation vertraut, sieht eine bedenkliche Entwicklung: „Die aktuellen Zahlen und Prognosen machen deutlich, dass es trotz Mehreinstellungen bei der Polizei bis zum Jahr 2022 zu keiner nennenswerten personellen Verstärkung in den Behörden kommen wird und sich die Überstunden und der Arbeitsdruck für die Polizisten weiter erhöhen wird.“