Herne. . Beim Kohlekompromiss stehen immer die Braunkohlereviere im Mittelpunkt. Doch seine Ergebnisse reichen auch bis nach Herne. Das sind die Gründe.

Als der sogenannte Kohlekompromiss verhandelt wurde, richtete sich die Aufmerksamkeit in erster Linie auf die Braunkohlereviere im Rheinland und in Ostdeutschland. Doch bei näherer Betrachtung reichen die Ergebnisse auch bis nach Herne.

Nicht umsonst hatten die Revier-Oberbürgermeister im Rahmen ihrer Reise nach Berlin darum geworben, dass Mittel auch ins Ruhrgebiet fließen. Hintergrund: Die Umwandlung alter Kraftwerksstandorte verschlingt viel Geld. Die Wirtschaftsförderer der „Metropole Ruhr Business“ haben grob gerechnet, was es kosten würde, ein Kraftwerk abzureißen und es in einen Gewerbestandort zu verwandeln. Das Ergebnis: Allein der Abriss würde mit einer deutlich zweistelligen Millionensumme zu Buche schlagen. Dies ist gerade mit Blick auf das stillgelegte Kraftwerk Shamrock in Wanne-Süd interessant. Es steht auf Blumenthal – der letzten großen Fläche, die in Herne für Gewerbe entwickelt werden kann. Ob Uniper willens ist, diese Summe ohne Förderung in die Hand zu nehmen, ist ungewiss. So ist es auch zu erklären, dass Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski sich ärgerte, als NRW-Ministerpräsident Armin Laschet das Ruhrgebiet als „Fußnote“ im Rahmen des Kohlekompromisses bezeichnet hatte.

Das stillgelegte Kraftwerk Shamrock auf dem Gelände von General Blumenthal in Wanne-Süd.
Das stillgelegte Kraftwerk Shamrock auf dem Gelände von General Blumenthal in Wanne-Süd. © Hans Blossey

Steag-Standort langfristig sicher

Eine weitere offene Frage: Müssen die Herner demnächst mehr Geld für den Strom bezahlen? Nach dem Vorschlag der Kohlekommission sollen bis Ende 2022 drei Gigawatt Leistung in NRW abgeschaltet werden. Zusätzlich gehen die Atommeiler vom Netz. Das würde für den Mechanismus „weniger Angebot = höherer Preis“ sprechen. Hernes Stadtwerke-Chef Ulrich Koch fordert im Gespräch mit der WAZ-Redaktion, dass Strom für den normalen Privatkunden bezahlbar bleiben muss. Er weist darauf hin, dass sich der größte Teil des Strompreis aus Abgaben (zum Beispiel für Erneuerbare Energien), Netzentgelten und Steuern zusammensetzt.

Stadtwerke-Chef Ulrich Koch
Stadtwerke-Chef Ulrich Koch © Stwh

Aus einer anderen Perspektive käme es den Stadtwerken etwas entgegen, wenn auf Grund des Kohlekompromisses der Strompreis steigt. Hintergrund: Die Beteiligung am Kohlekraftwerk in Lünen hat in den vergangenen Jahren nur Verluste produziert, weil es so selten in Betrieb war. Sollte es nun häufiger ans Netz gehen, weil auf Grund des Kohlekompromisses Braunkohle und Kernkraft weggefallen sind, könnten die Verluste geringer ausfallen. Von schwarzen Zahlen sei man jedoch weit entfernt.

Koch hält es für möglich, dass es auf Grund des Kohlekompromisses einen Neubau von Gaskraftwerken geben wird...

Am Kesselhaus in Baukau macht die Steag sichtbar, dass der Standort auf Jahrzehnte gesichert ist.
Am Kesselhaus in Baukau macht die Steag sichtbar, dass der Standort auf Jahrzehnte gesichert ist. © Rainer Raffalski

...und eins der ersten dürfte die Steag in Baukau errichten. „In ganz Europa dürfte es kein Projekt in der Reife geben“, sagt Steag-Sprecher Florian Adamek im Gespräch mit der WAZ. Die vorbereitenden Arbeiten haben bereits begonnen. Ende 2022 könnte das Gas- und Dampfkraftwerk ans Netz gehen. Das bedeute allerdings nicht, dass der Steinkohleblock vom Netz gehe. Die Steag habe bereits in den vergangenen Jahren unrentable Standorte geschlossen. Herne, das gerade für die Fernwärmschiene Ruhr eine hohe Bedeutung habe, arbeite wirtschaftlich und werde voraussichtlich bis 2038 laufen, wenn es weiter wirtschaftlich sei.

Die Zukunft des Standorts Baukau sei über Jahrzehnte gesichert, so Adamek, denn er zähle zu den Energieknotenpunkten und trage zur Netzstabilität bei.

Letzte Kohlemeiler sollen 2038 vom Netz gehen

Die Kohle-Kommission empfiehlt, dass schrittweise immer mehr Kohlemeiler abgeschaltet werden. Der letzte soll spätestens 2038 vom Netz gehen.

Bereits 2022 sollen Kraftwerke mit einer Leistung von 12,5 Gigawatt stillgelegt werden. 2030 sollen noch höchstens 17 Gigawatt am Netz sein. Zum Vergleich: 2017 erbrachten Kohlekraftwerke eine Leistung von 42,6 Gigawatt.