Herne. . Die Gäste im Herner Lukas-Hospiz werden jünger. Und so müssen jüngere Kinder Mutter oder Vater dort auf der letzten Lebensstrecke begleiten.
„Papa, kann der Opa im Himmel jetzt auch die Astronauten sehen?“ Diese Frage stellte mein damals dreijähriger Sohn, nachdem mein Vater im Lukas-Hospiz verstorben war. Er hatte ihn zuvor mehrfach besucht. In unserem Fall war es der Großvater, von dem das Kleinkind Abschied nehmen musste, doch in den vergangenen drei Jahren hat Hospizleiterin Anneli Wallbaum registriert, dass zunehmend jüngere Kinder zwischen drei und 14 Jahren entweder Mutter oder Vater auf der letzten Wegstrecke des Lebens begleiten.
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183 Gäste hatte das Lukas-Hospiz im vergangenen Jahr. Etwa ein Drittel seien aus der Altersgruppe zwischen 21 und 60 Jahre gewesen, so Wallbaum. Nüchterne Zahlen - hinter denen sich eine herausforderdende Ausnahmesituation für alle Beteiligten verbirgt.
Kinder geraten beim nahen Tod schnell aus dem Fokus
Wallbaum weiß, dass das Lukas-Hospiz bei jenen Menschen, die es zum ersten Mal betreten, ein mulmiges Gefühl auslöst. Da ist es nur allzu verständlich, dass man Kinder mit dem Thema nicht belasten und sie quasi vor dem Tod schützen möchte. Dieses Beschützende könne auch die Angst der Erwachsenen widerspiegeln, sich mit dem eigenen Ängsten zu beschäftigten, so Martina Hosse-Dolega. Lena (11) rührt mit einem Dankesbrief an das Lukas-HospizMartina Hosse-Dolega. Lena (11) rührt mit einem Dankesbrief an das Lukas-Hospiz
Die Trauerbegleiterin betreut Familien. Sie weiß: „Doch man kann Kindern viel zutrauen, es ist sehr wichtig, dass sie die Wahrheit erfahren und teilhaben dürfen.“ Zwar seien ihnen Fragen der Endlichkeit - je nach Alter - noch nicht bewusst, aber mit Tod und Trauer seien sie wahrscheinlich schon einmal konfrontiert worden. So haben sie vielleicht ein totes Tier gesehen, Trauer erleben sie etwa, wenn ein guter Schulfreund wegzieht.
Die 50-Jährige weiß, dass Kinder beim nahenden Tod eines Elternteils schnell aus dem Fokus geraten, weil die Erwachsenen sehr mit sich selbst und ihren eigenen Gefühlen beschäftigt sind. Damit Kinder dieses Verhalten verstehen, müssten sie einbezogen werden. Bei allen Familienfeiern seien sie dabei, deshalb sollten sie bei der „Rundung“ eines Lebens nicht außen vor bleiben. Wenn Kinder nicht teilhaben dürften, bestehe die Gefahr, dass sie ihr Bauchgefühl verlieren.
Gesellschaftsspiele und Puppenhaus
Das Lukas-Hospiz ist auf den Besuch von Kindern bestens vorbereitet. Wallbaums Border-Collie-Hündin Abby begrüßt Besucher freudig und nimmt schon an der Tür sprichwörtlich Schwellenängste. Im Wohnzimmer stehen Gesellschaftsspiele und ein Puppenhaus bereit, auch das Aquarium ist für Mädchen und Jungen spannend, ebenso seien die Klangschalen sehr beliebt, und im Sommer planschten die Kinder mit dem Brunnen im Atrium. „Wir hatten in den Anfangsjahr auch mal zwei Bobbycars, doch die haben wir angesichts des Ratterns abgeschafft“, so Wallbaum. Was allerdings überhaupt nicht heiße, dass die Gäste und deren Angehörigen ihre Ruhe haben wollen. Im Gegenteil, so Wallbaum: „Die Gäste hören gerne das Leben.“
Im Gegensatz zur Atmosphäre in einem Krankenhaus würden sich selbst Kinder im Hospiz nicht als störend empfinden - was zum Beispiel daran liegt, dass gerade das Lukas-Hospiz die Atmosphäre einer gemütlichen Pension hat.
Spielen öffnet Herzenstüren
Doch weil Kinder gerade im Vorfeld des Aufenthalts oftmals die Unsicherheiten und Ängste der Erwachsenen spüren, fahre sie mit diesen Kindern zur Jean-Vogel-Straße, zeige ihnen die Räume und erkläre ihnen, was ein Hospiz bedeutet, so Hosse-Dolega. Dabei entstehen viele Fotos und Handyvideos - und die Erkenntnis, dass das Hospiz alles andere als schlimm ist. Was sich in der Frage äußere: „Können wir nicht morgen schon hin?“ Andere Kinder wollten wiederkommen, weil es so schön war.
Auch während des Aufenthalts betreut Martina Hosse-Dolega, deren Arbeit auch im Lukas-Hospiz zu hundert Prozent aus Spenden finanziert wird, die Familien. Gerade das Spielen sei wichtig. „Bewegung erzeugt Bewegung im Kopf, öffnet Herzenstüren und fördert Kommunikation.“ Kinder erzählen viel, eine Tochter habe aus dem Spiel heraus mit ihr ein Interview geführt, so Hosse-Dolega.