Herne. . Für die Einschulung gilt als Stichtag der 30. September. Eine Rückstellung von fünfjährigen Kindern ist für Eltern fast unmöglich.

Die starre Umsetzung der Schulpflicht in Herner Grundschulen sorgt für Unmut bei einigen Eltern. Denn Kinder, die bis zum 30. September sechs Jahre alt werden, müssen bereits im Sommer davor in die Schule, also mit fünf Jahren. Für Eltern ist es fast unmöglich, ihr Kind erst ein Jahr später einzuschulen, auch wenn sie glauben, dass es noch nicht „schulreif“ ist. Nur bei „erheblichen gesundheitlichen Gründen“ kann die Schulpflicht um ein Jahr aufgeschoben werden.

Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini erlebt immer wieder verzweifelte Eltern, die sagen, ihr Kind sei einfach noch nicht soweit. „Sie kennen mein Kind nicht“, habe ihr erst kürzlich eine Mutter vorgeworfen, doch ihr seien die Hände gebunden. „Das ist Erlasslage“, sagt die Schulamtsdirektorin und verweist auf ein Schreiben des NRW-Schulministeriums. Darin heißt es: „Schulpflichtige Kinder können aus erheblichen gesundheitlichen Gründen für ein Jahr zurückgestellt werden.“

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Das könne etwa eine Krebserkrankung sein oder wenn bei minderwüchsigen Kindern absehbar viele Operationen im nächsten Jahr anstünden. Nicht jedoch, das betont sie, wenn ein Kind geistig noch nicht weit genug sei. „Wer vor dem 30. September geboren ist, für den gilt die Schulpflicht, und der wird eingeschult“, sagt sie.

Defizite ziehen sich durch die ganze Schulzeit

Bei Eltern sorgt das für Diskussionen. Während die einen berichten, dass ihr Kind trotz der Einschulung mit fünf Jahren ohne Probleme die Schule bewältige, spricht etwa Tanja Kerlin von einer „absoluten Katastrophe“, die sich auch in den folgenden Jahren weiter durch die Schulzeit ziehe.

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Diese Erfahrung macht auch Kirsten Midik, Schulleiterin der Grundschule Jürgens Hof in Horsthausen. „Es gibt viele Fälle, da sehen wir, es wäre besser, wenn sie noch ein Jahr mehr hätten.“ Es sei vorhersehbar, dass sich das Defizit die ganze Schulzeit fortsetze. Trotzdem müsse sie Wünsche aufgrund der Erlasslage meistens ablehnen, bedauert sie. Denn im Erlass wird zwar der Leitung die letzte Entscheidung zugebilligt, diese jedoch im nächsten Absatz direkt „insoweit beschränkt“, dass nur erhebliche gesundheitliche Bedenken des Amtsarztes geltend gemacht werden könnten.

Frühere Einschulung viel leichter

Die Herner SPD hat sich vor knapp zwei Jahren für ein „flexibles Schuleingangsalter“ ausgesprochen, sagt Theres Boneberger, Mitglied der SPD im Schulausschuss. Mit der Arbeitsgemeinschaft für Bildung (AfB) habe sie durchgesetzt, dass die Prüfung des individuellen Schuleingangsalters ins Wahlprogramm der NRW-SPD aufgenommen wurde. Das sei schwierig gewesen, da das Einschulungsalter „in anderen Kommunen wohl etwas flexibler gehandhabt wird“.

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„Man kann sich darüber streiten, ob der 30. September als Stichtag sinnvoll ist“, räumt die Schulamtsdirektorin ein. Das seien willkürlich gezogene Grenzen. Wie viele Eltern ihr Kind 2017 zurückstellen wollten, wird von der Stadt nicht erhoben. Für das Schuljahr 2018/2019 wurden in Herne zehn Zurückstellungen bewilligt.

Sicherlich sei bei einigen Kindern eine Einschulung mit fünf Jahren gar kein Problem, sagt AfB-Vize Theres Boneberger. „Aber es ist doch seltsam, dass andersherum eine frühere Einschulung so einfach ist“, gibt sie zu bedenken. „Der Elternwille wird sonst immer so hervorgehoben, hier wird er einfach ignoriert“, ärgert sie sich. Schließlich sei das Problem der verfrühten Einschulung eines, das die Politik so schnell lösen könne.