Herne. . Der Burkini-Kauf eines Herner Gymnasiums sorgt bundesweit für Aufsehen. Der Schulleiter verteidigt sich gegen Kritik. Das sind die Argumente.
Die Tatsache, dass das Pestalozzi-Gymnasium Burkinis für den Schwimmunterricht mit muslimischen Schülerinnen angeschafft hat, hat bundesweit hohe Wellen geschlagen.
So zeigt sich die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner verwundert über den Vorstoß von Pestalozzi-Schulleiter Volker Gößling. „Damit zementiert eine Schule ein frauendiskriminierendes Rollenverständnis an einem Ort, an dem Kinder und Jugendliche gerade das Gegenteil lernen und sich frei entfalten sollten“, so Klöckner. Gerade in Schulen müssten Mädchen und Jungen in einem gesunden Geschlechterbild und dem Gefühl der Gleichwertigkeit bestärkt werden.
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Auch NRW-Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) übt Kritik: „Während in Saudi-Arabien Frauen für ein bisschen Freiheit ihr Leben riskieren, sollten wir nicht in Deutschland auf Burkinis für Mädchen setzen.“ Güler hält den Burkinis-Kauf für das falsche Signal und für völlig falsch verstandene Toleranz. Er sei fatal vor allem aus emanzipatorischer Sicht.
Burkinis bereits 2016 angeschafft
Schulleiter Volker Gößling wehrt sich gegen die Kritik: „Damit werden ich und die Schule zu Unrecht in Misskredit gebracht.“ Seit die Burkinis im Jahr 2016 angeschafft wurden, habe es keine Probleme gegeben. Die bereitgestellten Burkinis würden selten genutzt, und jene Schülerinnen, die beim Unterricht einen körperumhüllenden Badeanzug tragen wollen, hätten sich diesen auch selbst gekauft. Mit der Anschaffung sei weder eine politische Aussage verbunden noch religiöse Zugeständnisse. Die Maßnahme sei völlig unschädlich. Gößling: „Wir wollen Teilhabe im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ermöglichen.“
Auch Egon Steinkamp, Sprecher der Gymnasien in Herne, verweist auf die Gesetzeslage, nach der auch strenggläubigen muslimischen Schülerinnen das Tragen einer den islamischen Bekleidungsvorschriften entsprechenden Schwimmkleidung in aller Regel zumutbar sei. Dennoch sei die Leitlinie an allen Schulen in Herne, die Kinder anzuhalten, in normaler Schwimmkleidung am Unterricht teilzunehmen – im Sinne der Integration.
Keine Begehrlichkeiten wecken
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Steinkamp, Schulleiter des Otto-Hahn-Gymnasiums, würde keine Burkinis anschaffen. „Dass er das gemacht hat, war löblich, aber vielleicht nicht geschickt“, sagt Steinkamp. So würden Begehrlichkeiten geweckt, die aus dem Schuletat nicht bewerkstelligt werden könnten: „Eltern kaufen die Schwimmbekleidung natürlich selbst.“
Unter seinen Schülern sei das Thema Burkini aber auch kein Großes. „In der Jahrgangsstufe 5 sind das vielleicht zwei Mädchen von 120 Schülern“, betont Steinkamp. Und Probleme hätten bisher weder die Burkini tragenden Kinder noch die anderen Schüler damit gehabt. Ähnlich wie am Pestalozzi-Gymnasium.
Hilfe für sozial Schwache
Gößling weist darauf hin, dass das Pestalozzi-Gymnasium einzelnen Schülern pragmatische Hilfe anbiete, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft, ihres familiären Umfelds oder ihres kulturellen Hintergrunds Schwierigkeiten hätten, am Sportunterricht oder am gesamten Schulleben, zum Beispiel an Klassenfahrten, teilzunehmen. Schüler würden mit Schreibmaterialien, Sportsachen oder Badebekleidung versorgt.
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Diese Hilfen seien 2016, als die ersten Flüchtlinge an die Schule kamen, durch Initiativen den Schülern als Teil ihres sozialen Engagements ausgeweitet worden. In diesem Zusammenhang seien Burkinis zum Ausleihen angeschafft worden. Sie seien also nur Teil eines umfassenden Hilfsangebots zur Teilhabe am Schulleben. Die Finanzierung sei über Fördergelder für Integration oder aus Spenden geschehen, nicht aus dem allgemeinen Schultopf und keinesfalls mit Steuergeldern, betont Gößling.
Rückendeckung der Bezirksregierung
Rückendeckung erhält Gößling von der Bezirksregierung in Arnsberg. Die Schule habe sich korrekt verhalten. Schwimmen sei Pflicht, und wenn mit der Anschaffung das Ziel erreicht werde, dass der Lehrplan umgesetzt wird, sei dies in Ordnung, sagte ein Sprecher auf Anfrage der WAZ-Redaktion.
NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) geht auf Distanz. Zu den Aufgaben von eigenverantwortlichen Schulen gehöre es auch, vor Ort auf verschiedene Herausforderungen lebenspraktisch zu reagieren, „aber die Beschaffung von Burkinis gehört nicht zu den Grundaufgaben einer Schule“, stellte Gebauer klar.
Aus schulpolitischer Sicht nachvollziehbar
Von der Herner Stadtverwaltung gab es auf Anfrage eine Stellungnahme ihres Pressesprechers Christoph Hüsken: „Die Schulen müssen selbst entscheiden, wie sie mit dem Thema Burkinis im Schwimmunterricht umgehen.“
Kai Gera, der Sportausschussvorsitzende, stellt fest: „Das ist zunächst einmal ein reines Schulthema. Aus schulsportlicher Sicht ist es für mich nachvollziehbar, und wenn die Schule es schafft, dass diese Schülerinnen am Schwimmunterricht teilnehmen, dann ist das zunächst einmal grundsätzlich positiv. Ob es allerdings der Integration insgesamt dient, kann man sicherlich mit einem Fragezeichen versehen.“
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