Herne. . Die Oberbürgermeister von Herne und Gelsenkirchen haben Sorge, dass keine neuen Sozialwohnungen mehr entstehen. Das ist der Grund dafür.

Oberbürgermeister Frank Dudda und sein Gelsenkirchener Amtskollege Frank Baranowski schlagen Alarm: Sie befürchten, dass keine neuen Sozialwohnungen mehr gebaut werden. Dabei stünden in Herne interessierte Investoren parat, und ohnehin müsste nach Expertenmeinung solcher Wohnraum dringend geschaffen werden – vor allem in eher strukturschwachen Regionen.

Sozialwohnungen sind Bürgern vorbehalten, die einen Wohnberechtigungsschein (WBS) haben. Wenn nun Wohnungsbaugesellschaften oder Privatleute solche Häuser errichten wollen, stehen ihnen öffentliche Gelder zur Verfügung. In NRW wird dazu alle vier Jahre ein millionenschweres Programm aufgelegt.

Das neue Finanzpaket, das das NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichberechtigung nun geschnürt hat, bringt allerdings erhebliche Nachteile für Herne und die Nachbarkommune mit sich, kritisieren Dudda und Baranowski.

Mietgrenzen dürfen nicht überschreiten werden

Wie so oft steckt der Teufel im Detail. Wollen Bauherren Fördergelder erhalten, müssen sie Darlehen beantragen und sich im Gegenzug verpflichten, bestimmte Mietgrenzen nicht zu überschreiten. Die Zinssätze für das Darlehen, die Regeln für die Tilgung der Schulden und auch das Mietlimit sind allerdings nicht NRW-weit einheitlich, sondern von Kreis zu Kreis und von einer kreisfreien Stadt zur anderen unterschiedlich. Und genau an diesen Stellschrauben hat das Land gedreht.

Wohnungsbau-Fachleute Peter Weichmann-Jäger und Kirsten Schwertfeger: Herne ist in eine niedrige Stufe eingeordnet worden.
Wohnungsbau-Fachleute Peter Weichmann-Jäger und Kirsten Schwertfeger: Herne ist in eine niedrige Stufe eingeordnet worden.

Herne und auch Gelsenkirchen wurden im Vergleich zum vorherigen Programm in eine niedrige Stufe eingeordnet. Konnte ein Investor in beiden Kommunen bislang einen Mietpreis bis zu 5,25 Euro pro Quadratmeter festlegen, liegt die Grenze nun bei fünf Euro, erläutern Kirsten Schwertfeger, Koordinatorin Wohnungswesen bei der Stadt Herne, und Peter Weichmann, stv. Fachbereichsleiter Umwelt und Stadtplanung.

Baukosten amortisieren sich langsamer

Die Absenkung mag aus Sicht von Mietern als Vorteil erscheinen, der Bauherr hat das Problem, dass sich die Baukosten angesichts geringerer Mieteinnahmen langsamer amortisieren. Im Übrigen müssen Investoren 20 oder auch 25 Jahre an dem Mietpreis festhalten und dürfen ihn pro Jahr lediglich um 1,5 Prozent erhöhen.

Nun mag der Unterschied von 25 Cent auch eher gering erscheinen, aber wenn man beispielsweise mit Wohnungen kalkuliert, die 70 oder 80 Quadratmeter haben, dann liegt die Differenz zwischen früher und heute schon bei 17,50 oder 20 Euro monatlich.

Stadt fürchtet, dass Investoren abspringen

Die neuen Vorgaben führen darüber hinaus dazu, dass der Bauherr einen Zinssatz von 0,5 Prozent zahlen muss. In der bisherigen Stufe fielen innerhalb der ersten zehn Jahre überhaupt keine Zinsen an. Schließlich verändert sich auch der Tilgungsnachlass: Mussten Investoren bislang 15 Prozent der Summe nicht mehr zurückzahlen, sind es jetzt nur zehn Prozent.

Die Stadt weiß, wie Kirsten Schwertfeger berichtet, dass heimische Wohnungsbauunternehmen schon konkrete Pläne gefasst haben, weitere Sozialwohnungen zu bauen. Das Finanzvolumen für die Projekte soll bei fast sechs Millionen Euro liegen. Als fraglich gilt jetzt, ob sie angesichts der neuen Bedingungen an ihren Vorhaben festhalten wollen.

Höhere Förderung in anderen Städten im Umkreis

In ihrer Kritik betonen Dudda und Baranowski, dass für die angrenzenden Kommunen wie Castrop-Rauxel, Bochum oder Dortmund, noch „die höhere Förderung“ gelte. Somit entstehe ein Ungleichgewicht mit „fatalen Folgen“ für die beiden Kommunen.

Auf Anfrage der WAZ teilte die Pressestelle des Ministeriums zur Begründung der neuen Regeln mit, dass die Zuordnung zu den Mietenstufen durch einen externen Gutachter – auf der Grundlage von landesweit vergleichbaren Daten und nach transparenten Kriterien – erfolgt sei.

>>> WEITERE INFORMATIONEN: Der soziale Wohnungsbau

  • Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichberechtigung des Landes NRW stellt 800 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen bereit. Die Summe ist ähnlich hoch wie in vergangenen Förderprogrammen.
  • Eine Ausnahme bildeten die beiden zurückliegenden Jahre, als zusätzliche Gelder für die Unterkunft von Flüchtlingen bereitgestellt wurden.Die Vergabe der Darlehen erfolgt über die NRW.Bank, die Förderbank für das Land Nordrhein-Westfalen, hervorgegangen aus der Westdeutschen Landesbank. In Herne sind während des vergangenen Jahres rund 100 neue Sozialwohnungen geschaffen worden.
  • Allerdings ist der Bestand an Sozialwohnungen rückläufig und liegt in Herne mittlerweile unter 5000. Der Status „Sozialwohnung“ geht verloren, wenn die Häuser ein entsprechendes Alter erreicht haben (zum Beispiel 25 Jahre) und die Mietpreisbindung dann nicht mehr gilt. Der Bestandsverlust wird aber eben nicht durch neuen Wohnraum ausgeglichen.