Herne. . Zum Tag des Gedenkens an die Opfer der Nazi-Diktatur zeichnete Schüler des Gymnasiums Eickel das Schicksal von zwei Herner Opfern nach.

Es geschah mitten am Tag, mitten in Herne, einer Stadt, der sich der Arzt Dr. Gustav Wertheim über viele Jahrzehnte so eng verbunden gefühlt hatte. Doch an diesem 18. November 1941 konnte der Mediziner jüdischen Glaubens die Verfolgung durch die Nazis, die Ausgrenzung im Alltag und den Hass, der ihm entgegenschlug, nicht mehr ertragen. Der einstige Sanitätsoffizier im 1. Weltkrieg nahm sich das Leben - mit Zyankalikapseln, die er sich aus seiner Praxis aufbewahrt hatte. Diese hatte er schon fünf Jahre zuvor schließen müssen.

Oberstufenschüler des Gymnasiums Eickel erzählen szenisch die erschütternde Lebensgeschichte von Martha und Dr. Gustav Wertheim
Oberstufenschüler des Gymnasiums Eickel erzählen szenisch die erschütternde Lebensgeschichte von Martha und Dr. Gustav Wertheim

Kein Platz für Antisemitismus

Die Lebensgeschichte des gebürtigen Göttingers zeichneten bei der gestrigen Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus Schülerinnen und Schüler des Geschichtszusatzkurses der Q2 am Gymnasium Eickel nach - eindrucksvoll mit prägnanten Texten und historischen Fotos. Vor mehreren Hundert Teilnehmern beschrieben die Jugendlichen im Kulturzentrum die Folgen der Machtergreifung durch die Nazis 1933. Sie zitierten aus Briefen von Gustav Wertheim und seiner Frau, als sie noch geschätzte Persönlichkeiten in Herne waren. In den Aufzeichnungen ist oft von Hoffnung auf eine gute Zukunft die Rede. Stolz war das Paar auf das eigene Gotteshaus, die 1911 eröffnete Synagoge. Hatten die Wertheims anfangs noch die Nazis für einen bösen Spuk gehalten, wandelte sich ihr Denken schon bald in traurige Gewissheit. Wie der Kurs durch intensive Recherche in Archiven herausfand, wurde Gustav Wertheim bereits 1938 nach der Reichspogromnacht in das KZ Sachsenhausen verschleppt, kam jedoch nach einiger Zeit wieder frei. Als er aber wieder in Herne war, stand für ihn und seine Frau fest: Sollte man sie eines Tages deportieren wollen, begehen sie vorher Selbstmord.

Henryk Banski von der Jüdischen Gemeinde Bochum/Herne, OB DFrank Dudda, Superintendent Reiner Rimkus und Dechant Norbert-Johannes Walter (von links) sprachen vor dem Shoah-Mahnmal.
Henryk Banski von der Jüdischen Gemeinde Bochum/Herne, OB DFrank Dudda, Superintendent Reiner Rimkus und Dechant Norbert-Johannes Walter (von links) sprachen vor dem Shoah-Mahnmal.

Für OB Frank Dudda zeigte der Vortrag der Jugendlichen beispielhaft auf, welchen Qualen die Verfolgten des Nazi-Regimes ausgesetzt waren. „Die kritische Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel unserer deutschen Geschichte bleibt eine fortwährende Aufgabe.“ Der Oberbürgermeister betonte aber auch, dass heute „zunehmend mehr Menschen rechtspopulistischen Akteuren blind folgen“. Die Veranstaltung zeige „einmal mehr, dass in unserer Stadt kein Platz für Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Antisemitismus ist“. Beim anschließenden Gedenken am Shoah-Mahnmal sprachen Henryk Banski, Mitglied der jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen, Reiner Rimkus, Superintendent des Ev. Kirchenkreises Herne, und der katholische Dechant Norbert-Johannes Walter.

>>>>Info

Der 27. Januar ist gesetzlich verankerter Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. An diesem Tag wurde vor 73 Jahren das KZ-Auschwitz befreit.

Schon seit mehreren Jahren gibt es in Herne an diesem Tag selbst oder zeitlicher Nähe eine Gedenkveranstaltung, die meistens Schulen vorbereiten.