Herne. Dem mutmaßlichen Doppelmörder von Herne droht die Sicherungsverwahrung. Laut Gutachtern ist Marcel Heße voll schuldfähig.

Er schweigt. Wie fast immer im Prozess gegen ihn sagt der mutmaßliche Herner Doppelmörder Marcel Heße kein Wort. Ganz anders als bei der Polizei oder den Sachverständigen, die gestern die Schuldfähigkeit des 20-Jährigen beurteilten. Was er ihnen erzählte – im Plauderton und gerne mit „nicht angemessenen Lächeln“ – zeichnet das Bild eines zutiefst verstörenden und gestörten jungen Mannes.

Zugenommen hat er im Gefängnis, „das Essen ist besser als zu Hause“, hat er den Gutachterinnen erzählt. Überhaupt scheint er sich eingelebt zu haben in der Haft, wo er kaum Kontakt zu anderen Häftlingen hat. Weil er nicht besonders beliebt sei wegen der Morde an dem kleinen Jaden und seinem Kumpel Christopher. „Für den Scheiß, den ich gemacht habe“, wie er es nennt. Und weil sie deshalb „einen dritten Toten befürchten“, wie Heße behauptet. Aber abgesehen von der Sorge ums eigene Leben gehe es ihm ganz gut. Fantasy- und Science-Fiction-Romane schreibe er hinter Gittern und was „über Serien-Killer“. Hin und wieder spiele er Playstation.

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Mehrfach haben die beiden Gutachterinnen mit Heße gesprochen. „Es hat ihn sehr gedrängt, uns alles Mögliche zu erzählen“, erinnert sich Psychologin Sabine Nowara an den ersten Gesprächstermin. Offenbar auch, weil der Angeklagte sich freut, dass sich „eine Ärztin und eine Professorin mit ihm unterhalten. Das erleben andere Gleichaltrige nicht.“

Er halte sich für etwas Besseres, betrachte die Welt wie eine Pyramide, „in der ich ganz weit oben stehe“. Im Gespräch werfe er mit Fachausdrücken um sich, die er nicht verstehe. Ein Narzisst ist er laut Expertinnen, ein „pathologischer Lügner“, der immer abenteuerlichere Geschichten erfindet, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Mal ist er Schwede, mal Literaturpreisträger, dann wieder wurde er angeschossen.

„Familie sind Personen, die Essen bringen“

„Einen trickreichen Blender mit oberflächlichem Charme“, nennt ihn die Psychiaterin Astrid Rudel und bescheinigt Heße „durchschnittliche Intelligenz, aber „starke Selbstüberschätzung“. Geht etwas schief, haben alle Schuld, nur nicht er. Selbst enge Verwandte interessierten ihn kaum. „Familie sind Personen, die Essen bringen“, sage er.

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Bis zu 16 Stunden sitze er an vielen Tagen vor dem Computer. Um zu spielen oder abzutauchen in virtuelle mystische Welten. Er könne es nicht ertragen, berührt zu werden. Sexuell werde er nur von japanischen Zeichentrickpornos im Internet erregt, reiße Insekten die Beine aus oder stecke sie in Brand, übe schreiend japanischen Schwertkampf im Garten.

Viele Merkwürdigkeiten, die nach Einschätzung der Gutachterinnen so wenig Einfluss auf die Schuldfähigkeit haben wie die maximal 1,5 Promille, die Heße bei der ersten Tat im Blut gehabt haben könnte. Ob am Ende des Prozesses eine Verurteilung nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht erfolgt, ist noch offen.

>>> Reifegrad ist ausschlaggebend

  • Angeklagte im Alter von 18 bis 21 Jahren können nach dem Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Ausschlaggebend ist ihr sogenannter Reifegrad.
  • Nach Jugendstrafrecht könnten maximal 15 Jahre Jugendhaft verhängt werden. Der Wanne-Eickeler Marcel Heße war zur Tatzeit 19 Jahre und sechs Monate alt.