Vor über einem Jahr hat der Rat bei der Verwaltung Handlungsempfehlungen für Wanne-Mitte in Auftrag gegeben. Ergebnis bislang: keins.
- Die Verwaltung gibt als Grund für deutliche Verzögerung personelle Engpässe an
- Situation des Einzelhandels hat sich mit Weggang von Fachhändlern und Leerständen verschlechtert
- Parteien sind selbst auf der Suche nach Rezepten, um die Entwicklung aufzuhalten
Mehr als ein Jahr ist es nun her, als die rot-schwarze Ratskoalition Anlauf nahm, um den Niedergang des Einzelhandels in Wanne-Mitte zu stoppen. Gemeinsam brachten SPD und CDU einen Antrag in den Rat ein, der die Verwaltung beauftragte, ein integriertes Einzelhandelskonzept für Wanne-Mitte zu entwickeln. Resultate bislang: keine.
Weitere Fachhändler haben sich verabschiedet
Auslöser des Vorstoßes Mitte September 2016 war die schmerzhafte Erkenntnis, dass das millionenschwere Umbauprogramm „jetzt Wanne“ mehr oder weniger wirkungslos verpufft war. Nach einer Strukturanalyse, wer in Wanne wohnt und kauft, sollte die Verwaltung bereits im Frühjahr Handlungsempfehlungen auf dem Tisch liegen. Da die Frist längst verstrichen war, fragte Bernd Schröder, Ratsfraktions-Chef der Piraten, die Verwaltung nach den Gründen. Antwort: Die Auswertung der Daten sei aufwendiger als gedacht, zudem habe es Personalprobleme gegeben.
Für Schröder eine unbefriedigende Aussage, deshalb wolle man sich nun selbst etwas einfallen lassen. Schröder kündigt ein eigenes Konzept an. Jeder weitere Tag, an dem nichts in Wanne passiere, tue weh. Wer die Entwicklung auf der Hauptstraße verfolgt, stellt fest, dass sich weitere Fachhändler wie Tümmers (Herrenoberbekleidung) oder Gewehr (Lederwaren) verabschiedet haben und die wenigen Neuansiedlungen nicht in die Kategorie Fachhändler fallen.
Forderung: Fußgängerzone für Verkehr öffnen
Bei der Suche nach Lösungen zum Stopp des Abwärtstrends sind die Parteien selbst offenbar noch nicht fündig geworden. Schröder räumt ein, dass er für das Konzept noch keine konkreten Vorstellungen habe, vielleicht helfe ja ein Blick in andere Städte, die ähnliche Sorgen hatten. Für Schröder ist die Fußgängerzone in Wanne eine Gelegenheit für Politik und Verwaltung zu zeigen, dass man Wanne nicht untergehen lassen will.
SPD-Fraktions-Chef Udo Sobieski räumt ein, dass das Stadtumbauprogramm nicht so gegriffen habe, wie von der Politik erhofft. Von den Daten der Verwaltung erhofft er sich Ansätze, um Potenziale zum Nachsteuern zu erkennen, damit sich die Entwicklung, die im Gang ist, nicht fortsetzt. Aber es sei schwierig, Grundlegendes zu ändern. Eine Öffnung eines Teils der Fußgängerzone für den Autoverkehr hält Sobieski nicht für eine Lösung. „Das würde nichts bringen.“ Ein Ansatz aus seiner Sicht wäre, die bessere Außenwahrnehmung, die Herne seit einiger Zeit insgesamt hat, auch für Wanne zu nutzen.
Verschlechterung deutlich sichtbar
Auch für Barbara Merten (CDU) steht fest: „Es muss was passieren.“ Allerdings hat auch die Ratsfrau kein Patentrezept in der Tasche.
Jens Rohlfing, Sprecher der Werbegemeinschaft Wanne-Mitte zeigt sich „schwer enttäuscht“ über die Tatsache, dass das Gutachten noch nicht vorliegt, obwohl der politische Wille deutlich zum Ausdruck gebracht worden war. Die Verschlechterung der Situation sei deutlich erkennbar, die Zahl der Leerstände sei noch einmal angestiegen. Er erneuert die Forderung nach einer Öffnung der Fußgängerzone nördlich der Parkstraße sowie zwischen Berliner Straße und Buschmannshof. Seine Analyse packt Rohlfing in deutliche Worte: „Wanne ist ein sterbender Standort, wenn die Stadt nicht bereit ist ihn weiterzuentwickeln.“
KOMMENTAR: WANNE-MITTE NEU DENKEN
Eine Stadt mit doppeltem Herzen - das funktioniert nicht. Längst ist offensichtlich, dass Wanne-Mitte nur noch ein Unterzentrum ist.
Nach wie vor gibt es in der Wanner Bevölkerung das Gefühl benachteiligt zu werden. Doch beim Blick auf den Einzelhandel auf der Hauptstraße ist dieses Gefühl ein Trugschluss. Die Kunden haben mit den Füßen abgestimmt und sind ferngeblieben. Erst haben Anbieter auf der grünen Wiese den Fachhändlern das Leben schwer gemacht, dann das Internet. Und angesichts der geringen Kaufkraft findet Wanne bei Filialisten keine Berücksichtigung.
Vor diesem Hintergrund war schon das Stadtumbauprogramm „jetzt Wanne“ in der umgesetzten Form ein Fehler. Die - zu lange - Fußgängerzone aufzuhübschen war ein kosmetisches Rückzugsgefecht. Rückzug darf aber nicht in Aufgabe münden. Die Ausrichtung von Wanne-Mitte muss völlig neu gedacht werden. Das große Fragezeichen ist die Richtung.