Herne. . Beim Mordprozesses vor dem Bochumer Landgericht trifft Jeanette R. auf Marcel Heße. Die Mutter des getöteten Jaden will ihm in die Augen schauen.

  • Jeanette R. trifft zum Auftakt des Mordprozesses auf den mutmaßlichen Mörder ihres Sohnes
  • 41-Jährige hat ihrem Sohn vor einer Woche den letzten Wunsch erfüllt – sie heiratete ihren Freund
  • Für den Prozess bereitet sie sich gemeinsam mit der Mutter des getöteten Christopher vor

Die Arme hat Jeanette R. vor der Brust verschränkt. Mit festem Blick mustert die 41-jährige Hernerin den mutmaßlichen Mörder ihres Sohnes, der allerdings starrt ins Leere.

Beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Bochum trifft sie am Freitagmorgen auf Marcel Heße, der im März erst ihren Jaden (9) und dann seinen Bekannten Christopher (22) erstochen haben soll.

Kamerateams belagern Angehörige

Einen Tag vor dem Prozess in der idyllischen Reihenhaussiedlung in Unser Fritz: Jeanette R. und ihre 18-jährige Tochter packen steinerne Engel in eine Kiste, zupfen verwelkte Blumen im Vorgarten ab.

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Der ist seit einem halben Jahr Gedenkstelle: Teddybären, Fotos, Briefe in Klarsichthülle. „Wisch’ da mal drüber“, sagt die achtfache Mutter zu ihrer Tochter.

Im Haus tobt der dreijährige Sohn, ihr jüngster, durch die Zimmer. „Er versteht das alles gar nicht“, sagt seine Mutter. „Die anderen Kinder kommen zurecht.“ Jeanette muss los, sie will den Sohn von der Schule abholen – ein kleines bisschen Normalität. Dabei ist alles so vollkommen unwirklich, seit ihr Sohn nicht mehr nach Hause kam.

Jeanette R. ist in psychologischer Behandlung, die Familie hat eine Trauerbegleitung – es müsse weitergehen, „irgendwie“.

Kamerateams umringen die Angehörigen

Im Landgericht steht Jeanette R. am Freitag im grellen Scheinwerferlicht. Kamerateams umringen die Angehörigen.

Wegen des Prozessauftaktes sind am Freitag viele Menschen ins Landgericht Bochum gekommen.
Wegen des Prozessauftaktes sind am Freitag viele Menschen ins Landgericht Bochum gekommen. © Ingo Otto

Ein Interview jagt das nächste. „Sehr, sehr anstrengend“ sei der erste Tag gewesen.Die Hernerin hat sich Unterstützung mitgebracht: Freunde, ihren Mann.

Eine Woche vor Prozessauftakt hatte Jeanette R. ihn auf Gut Steinhausen geheiratet. Endlich, „denn das hat sich der Jaden immer gewünscht“, sagt die 41-Jährige. „Er mochte meinen Mann von Anfang an sehr, dabei waren wir doch erst acht Monate zusammen.“

Damals habe sie ihrem Sohn gesagt, dass er im nächsten Jahr nochmal nach einer Hochzeit fragen solle. „Doch dazu kam’s ja dann nicht mehr.“ Mit der Feier habe sie Jaden den letzten Wunsch erfüllt. Ein „schöner Tag“ sei es gewesen, sagt die Hernerin und schluckt.

Für ihren Sohn möchte sie in den kommenden Wochen stark bleiben, sie will keinen Tag des Mordprozesses verpassen. „Ich werde die ganze Zeit dabei sein und ihn anstarren. Er soll mir ins Gesicht schauen.“

Vorbereitung mit Mutter des Opfers

Gemeinsam mit der Mutter des getöteten Christopher hat sie sich in den vergangenen Tagen auf die Verhandlungswochen vorbereitet.

Der Gerichtssaal, in dem der Mordprozess am Freitag beginnt: Jeanette R. hört wenig später nickend zu, wie die Anklage verlesen wird.
Der Gerichtssaal, in dem der Mordprozess am Freitag beginnt: Jeanette R. hört wenig später nickend zu, wie die Anklage verlesen wird. © Ingo Otto

Im Landgericht sitzen sie Seite an Seite. Auch einer ihrer Söhne ist als Nebenkläger dabei. Jeanette R. hört nickend zu, wie die Anklage verlesen wird. Als die Zeugen ihre Aussage machen, sinkt die Mutter in ihren Sitz zurück. Ab und zu flüstert sie mit ihrem Anwalt. Und immer wieder schaut sie zum Angeklagten. Der würdigt sie keines Blickes.

Völlig regungslos lässt Marcel Heße diesen ersten Prozesstag über sich ergehen, starrt ins Leere. Eine Erklärung, eine Entschuldigung bleibt Jeanette R. verwehrt.