Bochum/Herne. Vor dem Landgericht Bochum hat der Mordprozess gegen Marcel Heße begonnen. Sein Anwalt betont, dass er den Anklagevorwürfen nicht entgegentritt.

  • Marcel Heße wird laut seinem Anwalt den Anklagepunkten nicht entgegen treten
  • Die Eltern des getöteten Jaden wollen Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro
  • Riesiger Andrang am Bochumer Landgericht – viele kamen nicht mehr in den Sitzungssaal

Der erste Verhandlungstag im Mordprozess gegen Marcel Heße aus Herne, dem die Staatsanwaltschaft zweifachen Mord, Raub mit Todesfolge und schwere Brandstiftung vorwirft, ist beendet. Der Prozess wird am wird am 19. September fortgesetzt. Marcel Heßes Anwalt Michael Emde teilte zum Prozessauftakt mit, dass Heße den Anklagepunkten nicht entgegen treten werde. Zu Einzelheiten wolle der 19-Jährige aber keine Angaben machen - auch nicht zu seinem Lebenslauf.

Knappe Aussage hatte für Irritationen gesorgt

"Ich gewichte das als Geständnis", sagte Emde in einer Prozesspause. Zuvor hatte es Irritationen gegeben, ob die knappe Aussage vor Gericht juristisch als Geständnis gewertet werden kann. "Mein Mandant hat durch mich einräumen lassen, dass die Fakten aus der Anklageschrift richtig sind."

Anwalt der Nebenklage: Reinhard Peters vertritt Jadens die Mutter.
Anwalt der Nebenklage: Reinhard Peters vertritt Jadens die Mutter. © Ingo Otto

Die Mutter des kleinen Jaden sagte am Rande des Prozesses: "Eigentlich ist das alles nicht zu ertragen. Aber ich will ihn mit meinen Augen fixieren." Ihr Anwalt Reinhard Peters hat inzwischen auch eine Schmerzensgeldklage über 100 000 Euro eingereicht.

Marcel Heße hat zu Prozessbeginn über seinen Anwalt mitteilen lassen, dass er auf Fotos nicht länger anonmysiert werden möchte. Unter anderem wolle er mit diesem Akt auch Verantwortung für seine Taten übernehmen. Auch der Vorsitzende Richter Stefan Culemann erklärte, dass keine sitzungspolizeiliche Anordnung für eine so genannte Pixelung vorliege, nachdem dagegen Beschwerde eingelegt worden sei. Im Normalfall werden Bilder von Angeklagten verfremdet, um ihre Persönlichkeitsrechte zu wahren.

Auftakt im Mordprozess gegen Marcel Heße

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    Der Prozess begann mit einer etwa halbstündigen Verzögerung gegen 9.30 Uhr. Der Angeklagte erschien im Schlabberpullover und Badeschlappen vor Gericht. Pflichtverteidiger Michael Emde sagte, dass sein Mandant bitte, die unangemessene Kleidung zu entschuldigen. Aus der Familie habe sich niemand gefunden, der ihm angemessene Kleidung bringt.

    Vier Zeugen wurden bereits gehört

    Nach einer Unterbrechung wurde der Prozess um 11.30 fortgesetzt und zwei Zeugen gehört. Ein Versicherungsmakler, bei dem Marcel Heße einen Termin für ein Vorstellungsgespräch am Tag nach der ersten Tat hat platzen lassen, kam zu Wort.

    Großer Andrang im Bochumer Landgericht. Es kamen viel mehr Interessierte, als es Plätze im Sitzungssaal gab.
    Großer Andrang im Bochumer Landgericht. Es kamen viel mehr Interessierte, als es Plätze im Sitzungssaal gab. © Ingo Otto

    Der zweite Zeuge, ein ehemaliger Mitschüler des Angeklagten, beschreibt den 19-Jährigen als Außenseiter, der in der Schule oft gefehlt habe, weil er Computerspiele gespielt habe. Als „Standardkleidung“ Heßes nannte er Anziehsachen im Military-Look. Im Schulunterricht sei er ein „Klugscheißer“ gewesen, der besonders in Fach Englisch sehr gut war.

    Nach der zweiten Pause dieses ersten Prozesstages wurden zwei weitere Zeugen gehört. Das Herner Ehepaar, dem der Imbiss gehört, in dem sich Heße zwei Tage nach seiner ersten Tat gestellt hatte,wurden gehört.

    Eltern sind froh, dass der Prozess endlich losgeht

    Der Prozess findet im größten Saal des Bochumer Landgerichts statt.
    Der Prozess findet im größten Saal des Bochumer Landgerichts statt. © Ingo Otto

    Am ersten Prozesstag äußerte sich Marcel Heße selbst nicht. Ob er später spricht, ist unklar: "Das ist ja ein dynamischer Prozess", sagt Anwalt Emde. Die Familie des getöteten Jaden war im Gericht anwesend, sie tritt als Nebenkläger auf, ebenso wie die Familie des zweiten getöteten Jungen, Christopher W. (22). Reinhard Peters, Anwalt der Nebenklage, erklärt: „Die Eltern sind froh, dass der Prozess jetzt los geht.“ Während der Anklageverlesung flossen im Zuschauerraum Tränen.

    Der Herner soll im März einen neunjährigen Nachbarsjungen und einen 22-jährigen Bekannten umgebracht haben. Um Beweise zu vernichten, soll er in der Wohnung des zweiten Opfers einen Brand gelegt haben. Marcel Heße war untergetaucht und wurde bundesweit gesucht. Zwei Tage später stellte er sich in einer Imbissbude der Polizei.

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    Marcel Heße hatte seine Taten nach Polizeiangaben in ersten Vernehmungen gestanden. Er sei von einer gescheiterten Bewerbung bei der Bundeswehr frustriert gewesen, heißt es. Der 19-Jährige habe außerdem wegen eines Umzugs der Eltern befürchtet, den Zugang zum Internet zu verlieren. Nach den ersten Vernehmungen verweigerte Marcel Heße weitere Aussagen.

    Marcel Heße aus Herne droht eine lebenslange Freiheitsstrafe

    Noch unklar ist, ob der 19-Jährige im Prozess als Erwachsener oder Jugendlicher behandelt wird. Als Erwachsener würde ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe drohen, nach Jugendstrafrecht drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis. Laut psychologischem Gutachten war Marcel Heße zum Tatzeitpunkt voll zurechnungsfähig. Für den Prozess sind zehn Fortsetzungstermine geplant.

    40 Journalisten und 58 Privatpersonen konnten den Prozess im Publikumsbereich verfolgen. Bereits um 7:43 Uhr hatte sich vor dem Gerichtsgebäude eine eine Schlange gebildet. Einige der Besucher trugen T-Shirts mit der Aufschrift „In Gedenken an Jaden“. Es sind keine Bandidos vor dem Gericht aufgetaucht. Jadens Stiefvater gehört dem Motorradclub an. 300 Rocker hatten dem Jungen aus Herne bei seiner Beerdigung das letzte Geleit gegeben.

    Um  7.43 Uhr hat sich bereits eine Schlange vor dem Bochumer Landgericht gebildet.
    Um 7.43 Uhr hat sich bereits eine Schlange vor dem Bochumer Landgericht gebildet. © Karoline Poll

    Gegen 9 Uhr verließen die ersten Zuschauer das Gericht aber wieder. Es waren viel mehr Interessierte gekommen, als in den größten Sitzungssaal des Landgerichts passen. Einige warteten während des Prozesses vor dem Gerichtssaal.

    Auch etliche Kamerateams waren vor Ort. Besucher mussten vor der Saaltür einen Ausweis zum Kopieren und Handys in nummerierte Papierumschläge abgeben. Danach wurden die Besucher nach Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen abgetastet und mit einem Metalldetektor durchleuchtet. (nal / mit dpa)