Herne. . Kurioses aus alten Zeitungsberichten zur Kirmes: 1911 kamen die Leute in Kremsern und der „Elektrischen“. Jugendliche sollen 1965 Maß halten.
- Schon 1911 berichten die Zeitungen über die Anziehungskraft der Cranger Kirmes
- Herner Zeitung rechnet aus, dass 20 000 Menschen zum Kirmesplatz pilgern
- Zechen sorgen sich zur Kirmeszeit um die Arbeitsmotivation ihrer Bergleute
„Es hat gar keinen Zweck sich vorzunehmen, nicht nach Crange zu gehen“, seufzte im August 1949 ein Journalist der Ruhr Nachrichten. „Man gerät in den Strudel und macht mit.“ Zumal es vier Jahre nach Kriegsende „wieder alles geben soll, was das Herz und Auge begehren“. Vom „unsichtbaren Cranger Magnet“ ist im selben Artikel die Rede, andere Berichte sprechen von der „großen Anziehungskraft“ oder „Zugkraft“ des Rummels. Fest steht: Auch die Reporter früherer Zeiten waren dem Faszinosum Cranger Kirmes erlegen.
Mit Kutsche und Elektrischer zum Kirmesplatz
„Das rechte Kirmesleben begann eigentlich erst am Nachmittag“, schreibt 1911 die Wanner Zeitung. „Da kamen die Vergnügungssüchtigen aus Herne, Bochum, Gelsenkirchen, Recklinghausen, mit Kutschwagen, Kremsern, 44 mit der Elektrischen“. Über 40 Schau- und Verkaufsbuden zählte die Kirmes, darunter „drei Dampfkarussells, vier Bodenkarussells, drei Schiffsschaukeln, ein Zirkus, ein Kasperle-Theater, ein Zauberschloss und viele andere Buden“.
Ein „schwarzer Strom von Menschen“ auf der Straße
1935 machte sich die Herner Zeitung die Mühe, die Herner Besucher anhand der genutzten Transportmittel zu schätzen. Sie kam dabei auf 20 000. Die Berechnung: 20 Autobusse in der Stunde starteten von der Von-der Heydt-Straße mit durchschnittlich 30 Insassen, macht 4200 Personen. Die selbe Zahl nahm an der La-Roche-Straße den Bus, vermutet die Zeitung. Dazu die Fußgänger, die von allen Seiten zur Kirmes strömten. „Die genannten Straßen waren geradezu übervölkert, sie bildeten einen schwarzen Strom von Menschen. Zwischendurch zwängten sich unzählige Radfahrer und andere kleine Fahrzeugen.“
Cranger Kirmes - Rummel im RevierIn Crange angelangt, hatten sich die Besucher mit Staub herumzuschlagen. Kommentar: „Da half nur eins: Trinken.“ „Die Wärme erzeugte anhaltenden Durst“, vermerkte auch schon der Reporter der Wanner Zeitung 1911. Davon profitierten die umliegenden Wirtschaften, die nicht nur den Durst stillten, sondern auch für Freikonzert und Tanz sorgten. Dass das Volksfest gelegentlich in „Maßlosigkeit und Mißbrauch“ ausartet, weiß die Westfälische Rundschau und moralisiert 1965: „Mit 16 oder 18 Jahren sollte man noch maßhalten und nicht ein Maß Bier nach dem anderen ...“
Zechen leiden unter den Kirmesgängern
Die Kehrseite: Schlägereien und Diebstähle - auch aus einer Wohnung, zum Beispiel an der Feldstraße in Röhlinghausen. Dort wurde 1911 dem „Bergmann B., der mit seiner Familie zur Cranger Kirmes war“, so die Zeitung, mit einem Brecheisen die Wohnung aufgebrochen und 40 Mark und zwei Uhren gestohlen.
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Ihre eigenen Probleme mit den vergnügungssüchtigen Kirmesgängern hatten offenbar die Zechen. „Sie machen sich schon Gedanken, wie man die Förderziffer halten kann“, schreiben die Ruhr Nachrichten 1949. „Im Stillen hat man sich wohl damit abgefunden, bei Feierschichten mal ein Auge zuzudrücken.“
Mit den „Emscherbrüchern“ fing alles an
Auch wenn in diesem Jahr offiziell die 582. Cranger Kirmes gefeiert wird: So genau, wie diese Zahl vermuten lässt, weiß keiner, wann das Volksfest seinen Ursprung hatte. Dass es nicht vor 582 Jahren war, gilt sogar als ziemlich sicher.
Denn es waren die Nationalsozialisten, die 1935 aus Gründen der Propaganda eine 500-Jahr-Feier begehen wollten, was das Jahr 1435 als Geburtsjahr der Kirmes unterstellte.
Keine gesicherten Quellen für den Kirmesursprung
Tatsächlich gibt es auch andere Daten: 1369 als erste urkundliche Erwähnung der „Emscherbrücher Dickköppe“ oder 1441 die Lehensübergabe von Haus Crange. Eine andere Quelle, eine Prozessakte von 1703, spricht Rump zu Crange ein 200-jähriges Recht zu, einen Jahrmarkt auf einem Sonntag abzuhalten ...
Zwischen 500 und 600 Jahre muss es also her sein, dass das erste Mal am Laurentiustag, dem 10. August, in Crange Wildpferde, die legendären „Emscherbrücher Dickköppe“, eingefangen und verkauft wurden, was viele Schaulustige anzog. Mit der Zeit kamen Musikanten, Artisten und andere Gaukler dazu. Mit den zunehmenden Schaustellungen und Verkaufsbuden zog es weitere Besucher nach Crange.
Später wurden andere Pferde gehandelt, nebenher entwickelte sich ein Vieh- und vor allem Schweinemarkt. Die Märkte wurden aber immer mehr zum Beiwerk des wachsenden Rummels. (Fotos: Quellen: Stadtarchiv Herne / Hün un Perdün)
Cranger Kirmes historisch