Herne. Vor einem Jahr haben Björn und Uta Linnemann einen Wohnungsbrand überlebt. Mit Hilfe von Freunden fingen die Wanne-Eickeler ein zweites Leben an.
- Das Ehepaar Linnemann verlor bei einem Brand alles, bis auf das eigene Leben
- Im 1300 Grad heißen Chaos suchte er mit zerschlitzten Händen und Füßen den Hund
- Ihr Bekanntenkreis unterstützte sie nach Kräften, richtete ein Spendenkonto ein
Bevor Uta Linnemann und ihr Mann Björn ins Bett gehen, ziehen sie alle Stecker in der Küche raus. Den der Mikrowelle, den des Toasters, und natürlich den des Wasserkochers, der am 17. Januar vermutlich den Wohnungsbrand verursacht hat. Das Feuer hat das Leben der Linnemanns verwüstet, aber es ihnen nicht genommen.
Björn Linnemann steht in der noch kahlen Küche des Altbaus und erzählt von der Nacht, die alles veränderte. Breitbeinig, Hände in der Tasche, ein Mann von kräftiger Statur und einnehmender Ausstrahlung. Ein Mann, der in der Nacht des 17. Januars den Tod wortwörtlich mit den eignen Händen bezwang.
„Wie in einer finnischen Sauna“
„Ich habe wie ein Uhrwerk funktioniert“, sagt der 49-Jährige ehemalige Sicherheitsoffizier. Um halb sechs wachte er im Zimmer neben der Küche auf und roch heiße Luft, weckte seine Frau. „Sag mal, hast du die Heizung angelassen?“, fragte er sie. Wie in einer finnischen Sauna habe es gerochen. Linnemann stürmte in die Küche, ihm schlug die Hitze ins Gesicht, die ihm die Bronchien verätzte.
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Er ging zurück zu seiner Frau, zerrte sie aus dem Bett, die Haustür ließ sich durch den Druck nicht mehr öffnen, er schlug mit der linken Faust die Scheibe zum Wohnzimmer ein, öffnete die brennend heiße Klinke mit einem Lappen, rannte weiter zum Wohnzimmerfenster im Erdgeschoss, das zur Hauptstraße zeigt, schlug mit der rechten Faust auf die Scheibe, die nicht nachgeben wollte, warf einen Stuhl, doch auch das brachte das Fenster nicht zu Bruch. Er rammte mit dem Ellbogen gegen das Glas und es zerbarst. Linnemann hob seine Frau aus dem Fenster und kehrte in die Flammen zurück.
Im 1300 Grad heißen Chaos suchte er mit zerschlitzten Händen und Füßen den Hund und fand ihn nicht. Als er am Fenster war, lag er neben ihm und Björn Linnemann konnte den belgischen Schäferhund retten. Die eingetroffene Feuerwehr zog den völlig entkräfteten Wanne-Eickeler aus dem Fenster.
Diese Nacht werden die Linnemanns nie wieder vergessen.
Albträume nach dem Brand
„Es ist nichts mehr sicher“, beschreibt es Uta Anna Linnemann. Die 50-Jährige ist eine aufgeweckte Frau, sie lacht gerne und macht Späße über die Nacht, um damit besser umzugehen. Aber sie sagt nach einem Jahr auch: „Die Luft ist raus, die Kraft ist raus. Es reicht.“
Die ersten drei Monate übernachteten sie bei Freunden. Ihr großer Bekanntenkreis unterstützte sie nach Kräften, richtete ein Spendenkonto und Gruppen bei Facebook ein. Hotte Schröder gab ein Benefizkonzert. Aus der Eishockeygemeinschaft – Linnemann ist Zeitnehmer und Statistiker bei der Düsseldorfer EG – und anderen Gruppen wie der SPD-Partei und Diensthunde-Gruppen kamen großzügige Spenden. „Wir möchten uns immer noch bedanken bei allen Menschen, die uns geholfen haben, egal ob Geld und Muskelkraft“, sagt Uta Linnemann. Ohne sie wäre der Neuaufbau nicht möglich gewesen.
Neuanfang: "Jetzt erst recht."
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Kurz vor Ostern zogen die Linnemanns in die Wohnung über ihrer. Für sie stand fest: „Jetzt erst recht.“ Sie wollten nicht aufgeben, sich nicht unterkriegen lassen von dem Schicksalsschlag. Sie waren schließlich noch am Leben. Freunde spendeten Möbel, eine Küche, halfen beim Renovieren, die Hausratversicherung allerdings nicht. Mit ihr liegen die Linnemanns bis heute im Rechtsstreit.
Die Wohnung ist wieder bewohnbar, einige Kleinigkeiten müssen gemacht werden. „Ich hatte mir gleich nach dem Brand vorgestellt, dass wir in einem Jahr in der Küche mit unseren Freunden sitzen, aber das wird wahrscheinlich nichts, weil die Einrichtung noch nicht eingebaut ist“, sagt Uta Linnemann. Dennoch sei der 17. Januar „ein ganz besonderer Tag“.
Auch wenn die Wohnung wieder aussieht, als wäre nie etwas passiert, auch wenn der Brandgeruch nach einem Dreivierteljahr verschwunden sei, spüren die Linnemanns deutlich die Folgen. Gleich nach dem Brand musste Björn Linnemann an den Füßen operiert werden, beide hatten schwere Brandverletzungen. Auf den MRT-Bildern von Linnemanns Bronchien ist ein erbsengroßer schwarzer Fleck zu sehen, die Diagnose steht noch aus. Beim Umzug erlitt Uta Anna Linnemann einen Bandscheibenvorfall. Björn Linnemann hatte nach dem Brand Albträume und wird noch heute nervös, wenn er flackerndes Licht sieht.
„Das war ein Wunder“
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Von außen kommt immer wieder die Frage, warum der Hund nicht reagiert habe. Der sei wohl selbst von dem Rauch benommen gewesen, vermutet dann die 50-Jährige. Das Tier musste nach dem Brand in die Hundeklinik. Ein Rauchmelder befand sich nur im Arbeitszimmer. „Die Sachverständigen sagen, es war ein Wunder, dass wir rausgekommen sind“ sagt Björn Linnemann. „In fünf Minuten wäre Feierabend gewesen.“
Aber für die Linnemanns ist noch lange nicht Schluss. Für sie hat ein zweites Leben begonnen. Dass sie alle Anziehsachen, Möbel, Töpfe, alles nützliche und Papiere, Urkunden, einzigartige Auszeichnungen, Bilder im Feuer verloren haben, kann sie nicht wirklich trüben, sagt Uta Linnemann: „Ich vermisse gar nicht so viel, weil andere Dinge viel wertvoller geworden sind. Das Leben mit dem Liebsten ist noch da.“